Politik Inland

Jahrzehnte des Konflikts um Palästinenser-Staat

Warum erscheint die Vision eines palästinensischen Staates nach Jahrzehnten des Konflikts heute ferner denn je? Ein Blick auf den Streit, die historischen Hintergründe - und die Haltung Deutschlands.

Von dpa

21.09.2025

Ein Demonstrant schwenkt eine palästinensische Flagge während einer Demonstration vor dem griechischen Parlament. (Archivbild)Petros Giannakouris/AP/dpa

Ein Demonstrant schwenkt eine palästinensische Flagge während einer Demonstration vor dem griechischen Parlament. (Archivbild)Petros Giannakouris/AP/dpa

© Petros Giannakouris/AP/dpa

Ihren eigenen Staat haben die Palästinenser eigentlich schon vor fast vier Jahrzehnten ausgerufen: In Algier proklamierte die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) am 15. November 1988 einen unabhängigen Staat Palästina. Seit dieser symbolischen Geste haben die Palästinenser fast nichts unversucht gelassen, um ihren Traum zu verwirklichen.

Sie setzten Israel gegenüber auf Verhandlungen, diplomatischen Druck und auch auf Gewalt - doch die Vision von eigener Staatlichkeit erscheint heute in der Realität ferner denn je, nicht zuletzt angesichts des fortwährenden Siedlungsausbaus und Annexionsbestrebungen vonseiten Israels. Nun gibt es eine neue internationale Dynamik, einen Staat Palästina anzuerkennen. Hier ein Blick darauf, wie sich der Konflikt im Laufe der Jahrzehnte entwickelt hat. 

Zerstörungen im Gazastreifen. (Archivbild)Jehad Alshrafi/AP/dpa

Zerstörungen im Gazastreifen. (Archivbild)Jehad Alshrafi/AP/dpa

© Jehad Alshrafi/AP/dpa

Der historische Hintergrund des Konflikts

Nach dem Ersten Weltkrieg fiel die Region Palästina zunächst unter britische Verwaltung. 1917 hatte London den Juden eine „nationale Heimstätte“, zugleich aber auch den Arabern Unterstützung versprochen. Versuche, beide Nationalbewegungen in einem Staat zu vereinen, scheiterten an zunehmender Gewalt. 

Die Ermordung von sechs Millionen Juden durch Nazi-Deutschland und seine Helfershelfer während des Holocausts verstärkte die Überzeugung, dass die Einrichtung eines jüdischen Staates als „sicherer Hafen“ unerlässlich war. 1947 beschlossen die Vereinten Nationen daraufhin die Teilung Palästinas: Israel für die Juden, Palästina für die Araber. Die arabische Seite lehnte den Plan jedoch ab. 

Die Juden gründeten daraufhin 1948 den Staat Israel. Unmittelbar danach griffen die Nachbarländer Ägypten, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien den jungen Staat an – doch sie verloren. Der erste Nahost-Krieg - Israels Unabhängigkeitskrieg - führte zur Flucht und Vertreibung von mehr als 700.000 Palästinensern während der „Nakba“ (arabisch für Katastrophe). Hunderttausende weitere folgten im Sechstagekrieg 1967, heute als „Naksa“ (Rückschlag) bezeichnet.

Der Friedensprozess der 1990er Jahre weckte Hoffnung auf eine friedliche Beilegung des Konflikts, scheiterte aber an zentralen Punkten: Umstrittene Grenzlinien, der Status Jerusalems, die Rückkehr von Flüchtlingen und der Umgang mit israelischen Siedlungen.

Extremisten auf beiden Seiten torpedierten Friedensprozess

Besonders die Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Izchak Rabin 1995 durch einen jüdischen Extremisten sowie die blutigen Selbstmordattentate der Hamas in Israel trugen entscheidend zur Destabilisierung des Friedensprozesses bei.

Auch der Bruderkrieg zwischen den beiden größten Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah schwächte das palästinensische Streben nach einem eigenen Staat weiter. Israel zog sich 2005 aus dem Gazastreifen zurück. 2006 gewann die Hamas die letzte palästinensische Parlamentswahl. Im Jahr darauf riss sie mit Gewalt die alleinige Kontrolle im Gazastreifen an sich und vertrieb die gemäßigtere Fatah. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas, der auch Chef der säkularen Fatah und der PLO ist, regiert seitdem de facto nur noch im Westjordanland. Alle Versöhnungsversuche scheiterten. 

Israel lehnt Vorstoß ab und droht mit Annexion

Israel lehnt die Zweistaatenlösung heute ab, weil sie die Existenz des jüdischen Staates gefährde. Die Regierung wirft dem palästinensischen Präsidenten Abbas überdies vor, Terror zu fördern, und kritisiert eine Anerkennung als Belohnung für die Hamas nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023. Die Terrororganisation Hamas will Israel zerstören und einen islamischen Staat errichten.

Kämpfer der islamistischen Terrororganisation Hamas. (Archivbild)Abdel Kareem Hana/AP/dpa

Kämpfer der islamistischen Terrororganisation Hamas. (Archivbild)Abdel Kareem Hana/AP/dpa

© Abdel Kareem Hana/AP/dpa

Gleichzeitig treibt die Netanjahu-Regierung den Siedlungsbau in Westjordanland und Ost-Jerusalem systematisch voran und schafft so Fakten vor Ort. Über 700.000 Siedler leben dort neben drei Millionen Palästinensern auf erobertem Land von 1967. Rechtsextreme Minister drängen auf Annexion, Finanzminister Bezalel Smotrich drohte, Israel werde sich „Judäa und Samaria“ größtenteils einverleiben, falls ein palästinensischer Staat anerkannt werde. Laut Umfragen glaubt aktuell nur eine kleine Minderheit der Israelis, dass eine friedliche Koexistenz mit einem palästinensischen Staat möglich wäre.

Israelische Siedler im Westjordanland. (Archivbild)Maya Alleruzzo/AP/dpa

Israelische Siedler im Westjordanland. (Archivbild)Maya Alleruzzo/AP/dpa

© Maya Alleruzzo/AP/dpa

USA und Deutschland ziehen nicht mit

Deutschland plant vorerst keinen Staat Palästina anzuerkennen. Kanzler Friedrich Merz betonte, die Voraussetzungen dafür seien nicht erfüllt. Eine Anerkennung sei der letzte Schritt auf dem Weg zur Zweistaatenlösung, die durch Verhandlungen erreicht werden müsse. Existenz und Sicherheit Israels sind für die Bundesregierung Staatsraison und man will künftige Vermittlungsbemühungen nicht erschweren.

US-Außenminister Marco Rubio kritisierte, die Anerkennung eines palästinensischen Staates erschwere die Beendigung des Gaza-Kriegs, weil sie die Hamas ermutige. Ghazi Hamad, hochrangiges Hamas-Mitglied, hatte die Anerkennung zuletzt „Früchte des 7. Oktober“ gelobt.

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