Warnstreik an kirchlicher Klinik verboten: Was bedeutet das?
Ein Gericht verbietet der Gewerkschaft Verdi, ein Krankenhaus der Diakonie Mitteldeutschland zu bestreiken. Die Tragweite geht aber über den konkreten Fall hinaus.
Darf bei kirchlichen Arbeitgebern gestreikt werden? Diese Frage wird nun vor Gericht verhandelt. (Symbolbild)picture alliance / dpa
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Es ist ein Richterspruch mit Signalwirkung: Im Streit um Streiks bei kirchlichen Arbeitgebern hat das Arbeitsgericht Erfurt der Diakonie Mitteldeutschland den Rücken gestärkt. Das Gericht untersagte der Gewerkschaft Verdi, zu Warnstreiks am Sophien- und Hufeland Klinikum in Weimar aufzurufen und drohte ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro an, wenn dagegen verstoßen wird. Die Gewerkschaft kündigte an, wahrscheinlich Berufung einzulegen.
Auch eine Verfassungsbeschwerde der Gewerkschaft stand beim Termin in Erfurt im Raum. Aus Sicht der Diakonie geht es bei dem Fall nicht nur um das Aushandeln von Arbeitsbedingungen für ihre Zehntausenden Beschäftigten in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. „Wir gehen auch davon aus, dass es um die grundsätzliche Infragestellung des kirchlichen Arbeitsrechtes geht“, warf Vorstandschef Christoph Stolte Verdi vor.
Was ist eigentlich das Problem?
Eigentlich gibt es in Deutschland ein Streikrecht. Das steht so im Grundgesetz. Aber: In der Verfassung ist auch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht verankert. Und auf dieser Grundlage können Kirchen und kirchliche Einrichtungen die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigen etwa in besonderen Kommissionen verhandeln, in denen auch Gewerkschaften beteiligt sind.
In der Diakonie Mitteldeutschland gibt es eine Kommission mit fünf Arbeitgeber- und fünf Arbeitnehmervertretern. Für Verbände, zu denen auch Gewerkschaften gehören, sind zwei Plätze vorgesehen. Dort werden etwa Entgelterhöhungen verhandelt, die dann in den Einrichtungen umgesetzt werden. Verdi wollte das in Weimar nicht akzeptieren und forderte gesonderte Tarifverhandlungen für das dortige Klinikum. Vergangenes Jahr wurden bereits zwei Warnstreikaufrufe per Eilentscheidung gerichtlich untersagt.
Was waren die zentralen Argumente?
Die Kirchenvertreter beriefen sich auf Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 2012. Damals hatten Deutschlands höchste Arbeitsrichter entschieden, dass Gewerkschaften bei kirchlichen Arbeitgebern nicht zum Streik aufrufen dürfen, wenn es die bereits erwähnten Kommissionen und eine Schlichtungsstelle gibt. Gewerkschaften müssten aber in das Verfahren eingebunden sein.
In der Erfurter Verhandlung war nun die Umsetzung dieser Regeln und vor allem die Einbindung der Gewerkschaft der Knackpunkt. Verdi argumentierte, in der Kommission nur eine „Statistenrolle“ zu haben. Daher beteilige sich die Gewerkschaft nicht daran. Vonseiten der kirchlichen Arbeitgeber hieß es hingegen, es könnten theoretisch auch alle fünf Plätze der Arbeitnehmerseite durch Gewerkschaftsmitglieder besetzt werden.
Und wie sah es das Gericht?
Das Gericht betonte in seinem Urteil, dass die Diakonie den Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts nachkomme. Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Gewerkschaften seien zwar nicht sehr ausgeprägt. Aus Sicht des Gerichts müssen Gewerkschaften aber keine Veto-Macht oder andere Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Interessen haben. Sie interpretieren die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts so, dass eine „argumentative Mitarbeit“ ausreicht - sprich: Die Gewerkschaften müssen mit am Tisch sitzen können.
Welche konkreten Folgen hat das Urteil nun?
Generell geht es erstmal nur um den Fall in Weimar: Hier untersagte das Gericht Streikmaßnahmen. Diakonie-Chef Stolte sagte aber, er gehe davon aus, dass damit auch Streiks bei anderen Einrichtungen zumindest bei der Diakonie Mitteldeutschland zunächst vom Tisch seien, da das Urteil wegweisend sei. Insgesamt sind bei der Diakonie Mitteldeutschland und ihren rund 200 Einrichtungen in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg 35.000 Menschen beschäftigt.
Verdi will sich zunächst sammeln und die schriftliche Begründung abwarten. Der Landesfachbereichsleiter für Gesundheit, Bernd Becker, sprach von einem „Schlag ins Gesicht“ für die Beschäftigten in Weimar, die ihre Arbeitsbedingungen mitbestimmen wollten. Es sei aber wahrscheinlich, dass die Gewerkschaft Berufung einlege.