Politik Inland

Kriegsverbrecher statt Kriegsopfer auf Weener Ehrenmal

Ein im Zweiten Weltkrieg gefallener Mann aus Weener wird jahrzehntelang als Opfer des Kriegs gewürdigt. Nun steht fest, dass er an Kriegsverbrechen beteiligt war. Wie geht die Stadt damit um?

Von dpa

14.11.2025

Die Erkenntnis sorgte für Aufsehen, denn der Name des SS-Mannes steht auf einem Ehrenmal für die Opfer von Krieg und Gewalt. (Archivbild)Lars Penning/dpa

Die Erkenntnis sorgte für Aufsehen, denn der Name des SS-Mannes steht auf einem Ehrenmal für die Opfer von Krieg und Gewalt. (Archivbild)Lars Penning/dpa

© Lars Penning/dpa

Es ist ein weltweit bekanntes Bild, das den Terror der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs in der Ukraine zeigt: Ein Mann sitzt im langen Mantel am Rand einer Grube, zu seinen Füßen liegen Leichen – es ist ein Massengrab. Ein junger Mann in Uniform zielt mit einer Pistole auf seinen Kopf. Seit Kurzem ist die Identität des uniformierten Soldaten geklärt: Es handelt sich um Jakobus Onnen aus dem ostfriesischen Weener. Die Stadt will nun über seine Taten informieren.

Der Historiker Jürgen Matthäus, zuletzt Leiter der Forschungsabteilung des United States Holocaust Memorial Museums in Washington, D.C., konnte mithilfe von KI-basierten Gesichtserkennungsprogrammen und Hinweisen aus Weener den Schützen identifizieren. Die Erkenntnis sorgte in der Stadt für Aufsehen – denn der Name des SS-Mannes Onnen steht auf einem Ehrenmal für die Opfer von Krieg und Gewalt, das der Stadt gehört. 

Weeneraner überrascht und geschockt

„Natürlich waren wir in Weener alle sehr überrascht und auch etwas geschockt von dieser Entdeckung“, sagt Bürgermeister Heiko Abbas (CDU). Man sei aber dem Historiker Matthäus sehr dankbar, dass die Stadt nun die Möglichkeit habe, diesen Teil ihrer Geschichte richtig darzustellen.

Die Fraktionen im Rat und die Arbeitskreise „Synagogenbrand“ und „Stolpersteine“ beschlossen einstimmig, den Namen Onnen nicht einfach zu entfernen, sondern mit einer erklärenden Plakette zu überkleben – samt QR-Code, der zu Informationen in der städtischen Begegnungsstätte führt.

Breiter Konsens über Aufarbeitung

In Weener gebe es breiten Konsens darüber, dass eine Aufarbeitung der Nazi-Diktatur, der Shoah und der Schicksale der Weeneraner Jüdinnen und Juden unbedingt nötig sei, sagte Abbas. Dafür hätten sich Ehrenamtliche seit vielen Jahrzehnten engagiert. In der kürzlich eröffneten Begegnungsstätte werde an die jüdischen Mitbürger erinnert. „Darum war für uns sofort klar, dass auch die Taten von Onnen nicht versteckt oder verheimlicht werden“, betonte der Bürgermeister. Menschen, die das als überflüssig empfänden, gebe es nur vereinzelt.

Das Bild, das Onnen unmittelbar vor dem Erschießen eines jüdischen Menschen zeigt, war unter dem Titel „Der letzte Jude in Winniza“ bekannt. Inzwischen steht dank der Forschungsarbeit von Matthäus aber fest, dass das Massaker nicht in Winnyzja, sondern am 28. Juli 1941 in Berdyciv von der Einsatzgruppe C verübt wurde, schreibt der Historiker und Leiter der Landschaftsbibliothek der Ostfriesischen Landschaft, Heiko Suhr. Er führte ein langes Interview mit Matthäus zu dessen Forschungsarbeit.

Zeitungsartikel führte zu Verwandten

Die Tageszeitung „Die Welt“ hatte über Matthäus‘ Arbeit berichtet, woraufhin sich ein Leser bei dem Historiker meldete, der in dem Schützen einen Verwandten seiner Frau vermutete. Er stellte Bildmaterial zur Verfügung. „Zusammen mit anderen Quellen, vor allem den Familienfotos als Vergleichsmaterial und den Ermittlungsakten der Nachkriegszeit zu den Verbrechen der Einsatzgruppe, ergab sich so ein solider Befund, der an Onnens Täterschaft kaum Zweifel lässt“, sagte Matthäus in dem Interview.

Jakobus Onnen wurde Suhr zufolge 1906 im ostfriesischen Tichelwarf geboren und war Lehrer für Englisch, Französisch und Sport. Noch vor 1933 trat er der NSDAP bei, 1933 der SA und war seit 1934 Mitglied der NS-Elitetruppe SS. Im Krieg wurde er als Teil der Einsatzgruppe C eingesetzt: Diese mobile Einheit habe bis Frühjahr 1942 mehr als 100.000 überwiegend jüdische Zivilisten in der Ukraine ermordet, schreibt Suhr. Onnen habe spätestens im Juli 1941 seine ersten Morde begonnen. Er fiel am 12. August 1943 bei einem Kriegseinsatz in der Region Schytomyr.

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