Warum Finanztipps von Freunden riskant sein können
Wer in Sachen Geldanlage auf Freunde hört, riskiert mehr als nur sein Vermögen. Denn am Ende kann ein schlechter Tipp nicht nur den Kontostand gefährden.
Vom eigenen Umfeld in Sachen Geldanlage beraten lassen? Das ist eher keine gute Idee.picture alliance / dpa-tmn
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Altersvorsorge, Geldanlage, Vermögensverwaltung: Alles keine Themen, mit denen man sich in der Freizeit unbedingt gern befasst. Aber im persönlichen Umfeld kennt wohl jeder und jede jemanden, der das tut. Warum also nicht Frida vom Sport fragen, ob sie einen guten Anlagetipp parat hat - oder Onkel Adrian, der im Finanzbereich arbeitet?
Ein solches Vorgehen ziehen viele Menschen einer professionellen Beratung vor, ist die Erfahrung von Wirtschaftspsychologe Janko Laumann. Und dafür gibt es gleich mehrere Gründe.
Zunächst einmal kostet die Beratung im privaten Umfeld nichts. Und sie scheint bequemer, als wenn man sich nach einem Finanzberater umsehen und Zeit für den Termin einplanen muss. „Hinzu kommt, dass man etwas die Hosen herunterlassen muss, was das eigene Wissen sowie die finanzielle Situation angeht“, sagt Finanzprofessor Andreas Hackethal von der Universität Frankfurt. Das fällt einem bei Freunden oder Verwandten womöglich leichter.
Vor allem aber ist die Finanzberatung generell ein Vertrauensgut. „In ein Restaurant gehe ich und sammle gute oder schlechte Erfahrungen“, erklärt Hackethal. Ob aber „eine Finanzentscheidung gut war oder nicht, merke ich dagegen oft erst viele Jahre später“, so der Professor. Wer also noch keinen Bankberater hat, den er seit 20 Jahren gut kennt, wird seinem persönlichen Umfeld in aller Regel größeres Vertrauen entgegenbringen als irgendeinem Fremden. Schließlich sieht man sich wieder - und kann, zumindest im Fall der Familie, die bestehende Beziehung auch nicht einfach kündigen. Und genau hier fangen die Probleme an.
Blindes Vertrauen kann sich rächen
„Der soziale Kitt schmiert jeden Zweifel zu“, sagt Janko Laumann. Ein Anlagetipp unter Freunden werde daher meist höher bewertet, weil blindes Vertrauen herrscht. Damit steigt aber gleichzeitig das Risiko eines Zerwürfnisses, falls der vermeintlich sichere Tipp später floppt. Janko Laumann selbst, der seit gut 30 Jahren im Finanzbereich arbeitet, hat Freunden oder Familienmitgliedern aus diesem Grund noch nie einen Anlagetipp gegeben.
Wird er danach gefragt, macht er klar: „Wenn die Kohle weg ist, dann kann ich mir vermutlich einen neuen Freund suchen - und das ist es mir nicht wert.“ Eigentlich wisse jeder, dass bei Geld nicht nur sprichwörtlich die Freundschaft aufhöre. „Aber wir Menschen sind nun mal furchtbar bequem.“ Und deshalb fragten Freunde nun einfach einmal Freunde.
Auch Andreas Hackethal rät davon ab, Anlageentscheidungen gedankenlos im reinen Vertrauen auf Freunde zu treffen. Wer Hackethal einen schnellen, heißen Tipp entlocken möchte, den müsse er ohnehin enttäuschen. Denn den hat weder der Finanzprofessor noch irgendjemand anders. Seriöse Finanzberatung bedeutet auch im Freundes- und Kollegenkreis, genau darauf zu schauen, welche Ziele jemand mit der Anlage verfolgt und wie die individuelle Risikoneigung aussieht. Und so etwas bespricht man Hackethal zufolge eben nicht in einem kurzen Gespräch auf dem Weg zur Kantine. Das benötigt Zeit.
Beratung muss individuelle Bedürfnisse im Blick haben
Deshalb genügt es auch nicht, selbst ein gutes Finanzwissen zu einem bestimmten Produkt - wie beispielsweise börsengehandelten Indexfonds (ETFs) - zu haben, um einem Freund diese für die Geldanlage ans Herz zu legen. „In manchen Fällen kann das trotz wissenschaftlich belegter Vorteile dennoch die falsche Entscheidung sein - etwa, wenn jemand in zwei Jahren ein Haus kaufen möchte“, erklärt Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Für einen solchen Anlagehorizont sind ETFs nämlich nichts, solche Wertpapiere sollten besser mindestens zehn Jahre lang unangetastet im Depot liegen können.
Bei einer seriösen Finanzberatung dürfe man nie von sich auf andere schließen oder Empfehlungen verallgemeinern, sondern müsse über viele Fragen herausfinden, wie die jeweilige finanzielle Situation sowie die Zukunftspläne des Ratsuchenden seien. Nauhauser vergleicht das mit einem Arztbesuch. „Wenn ich ständig Kopfschmerzen habe, nehme ich auch nicht einfach ein Medikament, das mir ein Freund gibt. Sondern ich gehe zum Arzt, damit er für meine Beschwerden eine Diagnose erstellt.“
Wird ein Freund oder Familienmitglied von sich aus aktiv und empfiehlt gezielt Finanzprodukte, mit denen er angeblich selbst tolle Erfahrungen gemacht hat, würde Janko Laumann noch aus einem anderen Grund hellhörig werden. Der Grund: „Das ist ein ganz gängiges Geschäftsmodell von Vertriebsorganisationen.“ Der Schlüssel dazu ist auch hier das bestehende Vertrauensverhältnis im privaten Umfeld. „Es wird von den Verkäufern ausgenutzt, um selbst Provisionen für den Verkauf des Produkts einzustreichen“, sagt Niels Nauhauser.
Studie zeigt: Tipps aus dem Freundeskreis sind nicht immer schlecht
Um herauszufinden, welche Interessen hinter den Finanztipps eines Freundes stecken, rät Andreas Hackethal deshalb, immer kritisch nachzufragen: Woher hast du dein Wissen? Bei wem genau kaufe ich das Produkt? Ist nicht das Risiko bei einer hohen Rendite immer auch sehr hoch? „Konkreten Anlagetipps auf Einzeltitel aus dem privaten Umfeld würde ich ohnehin nie Folge leisten“, sagt Hackethal. Etwas anderes sei es, wenn man einen Tipp für ein Girokonto erhalte oder eine Finanz-App oder ein kostengünstiges Online-Depot empfohlen bekomme.
Trotz aller Risiken, die die Experten bei den Finanztipps innerhalb des Freundes- und Familienkreises sehen: Per se schlecht sein müssen diese nicht. Im Jahr 2024 hat eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern in einer Studie des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE die Qualität von Anlagetipps unter Freunden untersucht.
Das Ergebnis beschreiben die Ökonomen der Studie, zu denen auch Andreas Hackethal gehörte, so: Es zeigt sich, „dass Personen, die Empfehlungen von Freunden bei der Entscheidung über eigene Geldanlagen folgen, von einer höheren Portfolioqualität profitieren“. Hackethal weist jedoch darauf hin, dass das Ergebnis stark vom Milieu abhängt, in dem man sich bewegt. Im Fall der Studie waren die Probanden eher wohlhabende Anlegerinnen und Anleger, die tendenziell eine hohe Kompetenz und eine gute Finanzbildung mitbrachten. „Gerade in sozialen Medien kann sich zwischen nur lose bekannten Menschen aber auch ein Investmentverhalten ausbreiten, das eine niedrigere Portfolioqualität mit sich bringt“, warnt der Finanzprofessor deshalb.
Neutrale zweite Meinung schadet nie
Niels Nauhauser empfiehlt, sich grundsätzlich eine neutrale zweite Meinung einzuholen, bevor man sein Geld auf eine Empfehlung aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis hin anlegt. „Dazu kann ich entsprechende Bücher lesen, mich bei der Stiftung Warentest informieren oder zu einer neutralen Beratung gehen“, sagt der Verbraucherschützer. Auch die Beratungsstellen der Verbraucherzentralen bieten so etwas an.
Das sei dann zwar etwas mühsamer als einfach blind dem schnellen Tipp eines Freundes zu vertrauen. „Am Ende hat man aber sicher mehr davon, als wenn man zehn oder zwanzig Jahre lang auf das falsche Finanzprodukt gesetzt hat.“
Eine Geldanlage, die für jeden und jede gleichermaßen geeignet ist? Die gibt es nicht. Denn über die individuelle Anlagestrategie entscheiden die eigene Risikoneigung und die zukünftigen finanziellen Ziele.picture alliance / dpa-tmn
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