Polizisten: Todesfahrer wirkte nach der Tat klar
Bei seiner Tat über den Magdeburger Weihnachtsmarkt starben sechs Menschen, mehr als 300 wurden verletzt. Woran erinnern sich die Polizeibeamten, die als erste mit ihm Kontakt hatten?
Der Angeklagte Taleb al-Abdulmohsen (l) sitzt neben Pflichtverteidiger Thomas Rutkowski in einem kugelsicheren Glaskasten im temporären Gerichtsgebäude des Landgerichtes Magdeburg. Heiko Rebsch/dpa
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Der Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt wirkte nach der Tat auf Polizisten aufgeregt, aber klar und ließ sich widerstandslos festnehmen. Mehrere Polizisten berichteten vor dem Landgericht Magdeburg über ihre Begegnung mit dem inzwischen 51 Jahre alten angeklagten Taleb al-Abdulmohsen noch am 20. Dezember 2024.
Ein 25-jähriger Beamter, der sich dem Todesfahrer direkt nach der Tat mit gezogener Waffe entgegenstellte und ihn aufforderte, aus dem Auto zu steigen, berichtete von dessen weit aufgerissenen Augen. Er habe aufgeregt gewirkt und etwas verzögert auf die Ansprache reagiert. Der Mann habe mit mehreren Äußerungen rechtfertigen wollen, was er getan habe. Es starben sechs Menschen, mehr als 300 wurden verletzt.
„Er war orientiert, wusste, was er getan hat“
Es habe auf ihn wahnhaft gewirkt, schilderte der Beamte. Der heutige Angeklagte habe gesagt, er sei an einer „großen Sache dran“, sei Psychiater, man wolle ihm etwas antun. Ein weiterer Polizist, der bei der Festnahme dabei war, sagte: „Er war orientiert, wusste, was er getan hat“. Der Mann habe auf keinen Fall einen verwirrten Eindruck gemacht.
Die Spurensicherung arbeitete an dem Auto, mit dem der Angeklagte über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gefahren ist. (Archivbild)Hendrik Schmidt/dpa
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Ein weiterer Beamter sagte, al-Abdulmohsen habe auf seinen X-Account verwiesen, dort sei alles erklärt. Der Mann, der bis zur Tat als Arzt im Maßregelvollzug mit psychisch kranken Straftätern arbeitete, war in sozialen Netzwerken sehr aktiv. Bei Behörden war er als Vielschreiber eingestuft wegen einer Vielzahl von Anzeigen und Schriftwechsel. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Landtag von Sachsen-Anhalt hat bereits herausgearbeitet, dass al-Abdulmohsen bei den Sicherheitsbehörden durch alle Raster fiel.
Das sagen die Vernehmer über ihre Begegnung mit dem Todesfahrer
Die beiden Polizeibeamten, die den Todesfahrer am Tag nach der Tat als Erste vernahmen, berichteten von einem Beschuldigten, der seine eigenen Anliegen in den Vordergrund stellte und zum Tatgeschehen schwieg. Er habe auf ihn sehr gefasst und höflich gewirkt, sagte einer der beiden Beamten.
Es sei für den damals 50-Jährigen sehr wichtig gewesen, über seine Erfahrungen mit Behörden, der Polizei und Gerichten zu berichten, von denen er sich nicht ernst genommen gefühlt habe. Dabei habe er auch Tränen in den Augen gehabt. Über die Tat auf dem Weihnachtsmarkt habe der Mann aus Saudi-Arabien nicht reden wollen.
Eine Justizbeamtin steht vor dem Verhandlungssaal im temporären Gerichtsgebäude des Landgerichtes Magdeburg.Heiko Rebsch/dpa
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Der zweite Beamter, der bei der ersten Vernehmung dabei war, sagte: „Mein Eindruck war, dass er zumindest nicht logisch erklären konnte, was ihn zu der Tat bewegt hat.“ Was er berichtet habe, habe auf ihn nicht nachvollziehbar gewirkt, so der Beamte. „Ich persönlich hatte den Eindruck, es ging ihm mehr um sein eigenes Wohl.“ Er habe gesagt, er habe nicht geschlafen und nichts gegessen und sei bei der Festnahme unsanft behandelt worden.
Der inzwischen 51-jährige Taleb al-Abdulmohsen war am 20. Dezember 2024 mit einem mehr als zwei Tonnen schweren und 340 PS starken Mietwagen über den Weihnachtsmarkt gerast. Laut der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg lenkte der Mann aus Saudi-Arabien den Wagen etwa 350 Meter weit und mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde über den Weihnachtsmarkt.
Es starben ein Neunjähriger und fünf Frauen, mehr als 300 weitere Menschen wurden verletzt. Al-Abdulmohsen hat die Tat zugegeben.
Wie viel Raum bekommt der Täter, wie viel die Opfer?
In dem Prozess sind Verhandlungstage bis Mitte März angesetzt, pro Woche wird zwei- bis dreimal verhandelt. Etwa 180 Betroffene des Anschlags sind als Nebenkläger im Verfahren dabei, wenn auch die meisten zu den Verhandlungstagen nicht im Saal sind. Der Zuschauerraum war auch am Montag wieder gut gefüllt.
Der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg.Heiko Rebsch/dpa
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Um das Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, war mit Zustimmung des Angeklagten beschlossen worden, dass Zeugen des Anschlags nicht vor Gericht aussagen müssen. Vielmehr sollen ihre Aussagen, die sie bei der Polizei gemacht haben, entweder verlesen werden oder im sogenannten Selbstleseverfahren in den Prozess eingeführt werden. Ein Nebenklagevertreter äußerte seine Bedenken, dem Angeklagten und seinen stundenlangen Äußerungen werde so mehr Raum gegeben als den Opfern. Es war deutlich geworden, dass kaum Betroffene im Saal aussagen wollen.
Der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg betonte, er wolle auf die Ausgewogenheit achten. Die Nebenklagevertreter sollten Zeugen benennen, die öffentlich aussagen möchten, diese würden auch geladen. Zudem sollten auch Aussagen verlesen werden, um das Erlebte und die Sicht der Betroffenen deutlich zu machen.
Unterdessen verweigert der Angeklagte seit etwa einer Woche die Nahrung. Sternberg sprach ihn auf seine Verhandlungsfähigkeit an und bot ihm auch eine ärztliche Untersuchung an. Der Angeklagte hält sich für verhandlungsfähig. Er betonte, er suche mit dem Hungerstreik mediale Aufmerksamkeit und „kämpfe für Gerechtigkeit“. Wiederholt befragt nach seinen Beweggründen für die Todesfahrt über den Weihnachtsmarkt verwies der Angeklagte darauf, von den Behörden nicht ernst genommen worden zu sein. Er sprach von Verzweiflung und sagte: „Das war nicht die Wahl, die ich machen sollte“.
Blick in den Verhandlungssaal im temporären Gerichtsgebäude des Landgerichtes Magdeburg.Heiko Rebsch/dpa
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