Politik Inland

Todesfahrer von Magdeburg: Kritik am Islam brachte Asyl

Seine Kritik am Islam und der Herrscherfamilie in Saudi-Arabien öffnete dem Weihnachtsmarkt-Todesfahrer die Tür für eine längere Perspektive in Deutschland. Was passierte vor dem Angriff in Magdeburg?

Von dpa

27.10.2025

Die Abgeordneten beleuchten die Biografie des Magdeburger Todesfahrers. (Archivbild)Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Die Abgeordneten beleuchten die Biografie des Magdeburger Todesfahrers. (Archivbild)Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Wie bekam der Magdeburger Todesfahrer Asyl als politisch Verfolgter? Der parlamentarische Untersuchungsausschuss im Landtag von Sachsen-Anhalt hat sich erneut intensiv mit der Biografie des Mannes befasst. Der Mann soll vor seinem Asylantrag in Deutschland mit saudi-arabischen Institutionen in Verbindung gesetzt und seine Ablehnung gegenüber der dortigen Herrscherfamilie und gegenüber dem Islam deutlich gemacht haben. 

Der Mann habe zwei Tage vor seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Kontakt mit der Botschaft aufgenommen, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter des BAMF. Er sei bei der Anhörung im Jahr 2016 sicher aufgetreten und habe genau gewusst, was er sagen müsse, so der ehemalige BAMF-Mitarbeiter, der inzwischen im Ruhestand ist. „Der Mann hat einen ganz soliden Eindruck gemacht.“ Kritik am Islam und der Herrscherfamilie führten in Saudi-Arabien zu Gefängnisstrafen, Folter oder Todesstrafe. „Es ist ein totalitärer Staat.“

Abgeordnete haken nach

Taleb al-Abdulmohsen habe in dem Gespräch sein Handy gezeigt und so die Kontaktaufnahme mit der Botschaft belegt, sagte der ehemalige BAMF-Mitarbeiter. Aufgrund der drohenden Gefahren habe es letztlich keine Alternative zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gegeben. Das Risiko für Folter oder eine Haftstrafe bei einer Rückkehr nach Saudi-Arabien wolle er nicht tragen, sagte der ehemalige BAMF-Mitarbeiter. „Sie haben gar keine andere Möglichkeit.“

Mehrere Abgeordnete hakten nach, wie die Kontaktaufnahme mit den saudi-arabischen Behörden nachgeprüft worden sei. Ob al-Abdulmohsen die Nachricht wirklich abgeschickt hat, blieb im Ausschuss offen. „Nachprüfen kann ich das nicht“, sagte der ehemalige BAMF-Mitarbeiter. Der Vortrag des Mannes und die beschriebene Abkehr vom Islam seien insgesamt aber glaubwürdig gewesen.

Todesstrafe für Abfall vom Islam

„Nach unserer Auffassung hat Taleb A. genau gewusst, was er sagen und zeigen muss, um eine positive Entscheidung in seinem Interesse zu erreichen“, erklärte die CDU-Abgeordnete Kerstin Godenrath. „Er wusste, dass eine schlüssige und facettenreiche Erzählung in Deutschland ausreicht, um die Hürden des Asylrechts zu nehmen.“

Ein anderer BAMF-Mitarbeiter verwies im Ausschuss darauf, dass der Islam in Saudi-Arabien Staatsreligion sei und der Abfall vom Glauben dort mit der Todesstrafe geahndet werde. Menschen aus diesem Land, die sich vom Islam abwendeten, werde in Deutschland regelmäßig ein Schutzstatus erteilt. Wer Regimekritik öffentlich mache, werde extrem hart verfolgt und sei „im Prinzip verloren“, sagte er.

Wann startet der Prozess?

Taleb al-Abdulmohsen hat einen Teil seiner Facharztausbildung in Mecklenburg-Vorpommern absolviert. Er kam 2006 nach Deutschland. Nach seiner Ausbildung beantragte er im Februar 2016 Asyl und erhielt im Juli desselben Jahres Asyl als politisch Verfolgter. Ab März 2020 war er als Facharzt für Psychiatrie im Maßregelvollzug in Bernburg in Sachsen-Anhalt tätig, wo er suchtkranke Straftäter behandelte.

Kurz vor Weihnachten 2024 war al-Abdulmohsen mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast. Sechs Menschen verloren ihr Leben, mehr als 300 Personen wurden verletzt. Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg wirft al-Abdulmohsen unter anderem sechsfachen Mord vor und versuchten Mord an 338 Personen. Der Gerichtsprozess soll am 10. November beginnen.

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