Politik Inland

Palantir im Südwesten: Was die Polizei-Software bedeutet

Baden-Württemberg führt Palantir ein. Wird die Datenanalyse-Software zur Superwaffe der Polizei – oder der Beginn permanenter Überwachung?

Von Nico Pointner, dpa

12.11.2025

Die Polizei muss mit immer größeren Datenmengen umgehen. Uwe Anspach/dpa

Die Polizei muss mit immer größeren Datenmengen umgehen. Uwe Anspach/dpa

© Uwe Anspach/dpa

Trotz viel öffentlicher Kritik, trotz eines handfesten Streits in der grün-schwarzen Koalition, trotz einer Protest-Petition: Der Landtag hat final den Weg freigegeben für die Nutzung der Datenanalyse-Software des US-Unternehmens Palantir durch die Polizei. Am Mittwoch stimmten die Parlamentarier mit großer Mehrheit für eine entsprechende Änderung des Polizeigesetzes, damit die Polizei das Programm auch nutzen darf. 

Die Befürworter sehen in der Software ein Werkzeug, um Straftäter schneller zu fassen. Die Gegner warnen vor Überwachung, vor dem Missbrauch sensibler Daten und Abhängigkeit von einer US-Firma. Worum es geht:

Was ist Palantir überhaupt?

Palantir ist ein US-amerikanisches Softwareunternehmen, das Datenanalyse-Programme für Sicherheitsbehörden, Geheimdienste und Militär entwickelt. Das bekannteste Produkt heißt „Gotham“ - damit kann die Polizei Millionen Datensätze aus verschiedenen Quellen verknüpfen und nach Zusammenhängen durchsuchen – zum Beispiel zwischen Personen, Orten und Ereignissen. Wichtig dabei: Das Programm hat nur Zugriff auf Informationen, die die Polizei ohnehin schon gesammelt hat. 

Die Idee: Ermittler sollen in der Masse an Informationen schneller Muster erkennen können – etwa bei Terrorverdächtigen oder bei Missbrauchsfällen. Andere Bundesländer wie Bayern, Hessen oder Nordrhein-Westfalen nutzen die Software bereits.

Warum ist das Programm so umstritten?

Kritiker befürchten eine Art Rasterfahndung per Knopfdruck: Die Polizei könne mit „Gotham“ nicht nur Tatverdächtige, sondern auch Unbeteiligte in Datensätzen erfassen, so die Befürchtung – etwa Zeugen oder Opfer. Datenschützer warnen vor einer ausufernden Verknüpfung sensibler Daten. Der Verein Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat sogar eine Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz des Programms in Bayern eingelegt. Das Unternehmen Palantir versichert, selbst keine Daten zu sammeln, zu verkaufen oder für eigene Zwecke zu verarbeiten.

Zudem warnen Gegner, mit der Software mache man sicherheitsrelevante Infrastruktur abhängig von einem US-Konzern. Sie sorgen sich, dass Polizei-Daten in die USA abfließen könnten. Besonders umstritten ist zudem der Palantir-Mitgründer Peter Thiel, ein Tech-Milliardär und Unterstützer von Donald Trump. Thiel ist bekannt für libertäre und rechtskonservative Ansichten – und für seine Skepsis gegenüber liberalen Demokratien. 

Thiel halte heute aber nur noch etwa sieben Prozent am Unternehmen, führt das baden-württembergische Innenministerium an.

Wer führt den Widerstand gegen Palantir an?

Vor allem bei den Grünen regt sich Widerstand. An der Basis brodelt es. Ein Grünen-Mitglied aus Freiburg startete vor kurzem eine Online-Petition gegen den Einsatz der Software und sammelte innerhalb kurzer Zeit 13.000 Unterschriften. So musste sich der Petitionsausschuss mit dem Thema befassen - der Ausschuss hat aber keine Macht, Regierungsentscheidungen aufzuheben. 

Neben der Petition wurde bei den Grünen eine Urabstimmungsinitiative gegen Palantir beim Landesvorstand eingereicht. Wenn fünf Prozent der Parteimitglieder sie unterstützen, kommt es zur Abstimmung.

Aber auch innerhalb der Regierungskoalition stimmten die Grünen nur mit Bauchschmerzen für die Nutzung der Software. „Wir hätten lieber keinen Vertrag mit Palantir“, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Oliver Hildenbrand, im Landtag. Das Innenministerium habe den Vertrag abgeschlossen - „ohne unser Wissen und unsere Zustimmung“. Aber man wolle dieses Instrument der Polizei auch nicht über Jahre vorenthalten. 

Was sagt die Polizei dazu?

Die Landespolizei sieht in der Software ein dringend benötigtes Hilfsmittel. Fakt ist: Die Ermittler kämpfen mit immer größeren Datenbergen. Das Landeskriminalamt Bayern berichtete, dass dort 200 geschulte Analysten die Software nutzen. Anfragen, für die früher Tage nötig waren, seien nun in Minuten erledigt. In Nordrhein-Westfalen half die Plattform laut Innenministerium sogar, in einem Missbrauchsfall die Identität eines Täters zu ermitteln – nur anhand einer Telefonnummer und eines Spitznamens.

Gibt es denn keine Alternativen zu Palantir?

Laut Innenministerium derzeit nicht. Experten hätten bestätigt, dass Palantir technologischer Marktführer auf dem Gebiet sei, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) im Landtag. Es handle sich auch nicht um eine App, die man mal kurz am Küchentisch entwickle. Man wolle nicht warten, bis eine europäische Lösung verfügbar sei, so Strobl. Es handle sich um eine „Güterabwägung“. 

Langfristig will das Land aber gemeinsam mit Partnern wie Airbus Defence and Space und Schwarz Digits, der IT- und Digitalsparte der Schwarz Gruppe, eine eigene, souveräne Software entwickeln, um unabhängig zu werden. Die Abgeordneten beschlossen denn auch mehrheitlich einen Entschließungsantrag von Grünen und CDU, wonach sich die Landesregierung dafür einsetzen soll, dass bis 2030 eine sichere Software aus Europa bereitsteht.

Wie soll die Nutzung der Palantir-Software kontrolliert werden?

Die Polizei soll die Anwendung nur unter strengen Auflagen einsetzen, die Daten befänden sich in gesicherten Rechenzentren in Deutschland, ausschließlich unter polizeilicher Hoheit, so das Innenministerium. Ein Zugriff aus dem Ausland ist demnach ausgeschlossen. Das Parlamentarische Kontrollgremium soll zudem die Arbeit mit der Software überwachen. Dem Gremium werden regelmäßig IT-Sicherheitsberichte vorgelegt. 

Wie geht es im Südwesten weiter? 

Der Landtag hat nun die Änderung des Polizeigesetzes beschlossen, um die Nutzung von Palantir rechtlich abzusichern. Der Vertrag mit Palantir ist schon vor längerer Zeit unterzeichnet worden. Die Nutzung in Baden-Württemberg kostet über fünf Jahre rund 25 Millionen Euro. Eine Ausstiegsklausel gibt es nicht. 

Ob Palantir am Ende nur eine technische Brückentechnologie oder ein politischer Dauerstreit bleibt, wird sich zeigen – spätestens, wenn die Polizei im nächsten Jahr tatsächlich mit „Gotham“ arbeitet. Ab dem zweiten Quartal 2026 sollen die Ermittler die Software nutzen können. Bezahlen muss das Land bereits jetzt.

Die Software ist umstritten - genauso wie der Konzern.Gian Ehrenzeller/KEYSTONE/dpa

Die Software ist umstritten - genauso wie der Konzern.Gian Ehrenzeller/KEYSTONE/dpa

© Gian Ehrenzeller/KEYSTONE/dpa

Die Polizeiführung steht hinter dem Programm, stellt es als absolut notwendig dar.Christoph Schmidt/dpa

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© Christoph Schmidt/dpa

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