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Elbtower-Teilerwerb: Hamburg plant mit 595 Millionen Euro

Hamburg will fast die Hälfte des Elbtowers für ein neues Naturkundemuseum kaufen – zu einem Festpreis von 595 Millionen Euro. Was das für das Bauprojekt und die Stadt bedeutet.

Von Markus Klemm, dpa

14.10.2025

Für das Naturkundemuseum im Elbtower will die Stadt einen Festpreis von 595 Millionen Euro zahlen.Daniel Bockwoldt/dpa

Für das Naturkundemuseum im Elbtower will die Stadt einen Festpreis von 595 Millionen Euro zahlen.Daniel Bockwoldt/dpa

© Daniel Bockwoldt/dpa

Für den seit rund zwei Jahren als 100 Meter hohe Bauruine am Ostende der Hamburger Hafencity stehenden Elbtower ist eine Lösung in Sicht. Die Stadt Hamburg will nun dort das geplante Naturkundemuseum unterbringen und dafür fast die Hälfte des Gebäudes zu einem Festpreis von 595 Millionen Euro übernehmen. Dann könnte der vom Londoner Stararchitekten David Chipperfield geplante Elbtower weitergebaut werden, wobei er aber nicht mehr 245, sondern nur noch 199 Meter hoch werden soll. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie ist die Ausgangslage?

Hamburg und Nordrhein-Westfalen haben 2021 einen Staatsvertrag zur Gründung des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) geschlossen. In ihm zusammengeführt wurden nach Angaben der Stadt das Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg sowie das Bonner Zoologische Forschungsmuseum Alexander-Koenig-Leibniz-Institut für die Biodiversität der Tiere. Hamburg verpflichtete sich dabei, ein modernes Naturkundemuseum zu errichten.

„Es soll die Sammlung der Universität in einem modernen Forschungsmuseum zugänglich machen und die Lücke schließen, die 1943 mit der Zerstörung des Naturhistorischen Museums am Steintorwall entstanden ist“, sagt Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Dieses sei damals das meistbesuchte Naturkundemuseum Deutschlands gewesen. Dazu habe der Senat verschiedene Standorte sowie Neu- und Bestandsbauten geprüft, etwa den Besenbinderhof oder das ehemalige G+J-Gebäude am Baumwall, sei aber nicht so recht fündig geworden.

Warum war die Standortsuche so schwer?

Das Naturkundemuseum ist ein sehr komplexes Projekt, weil es ein modernes Forschungsmuseum werden soll, das nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenbringen, sondern auch jährlich Hunderttausende Besucher anlocken soll. Das LIB erforscht weltweit Ursachen und Folgen des Biodiversitätswandels und entwickelt Ideen für den Schutz von Ökosystemen und Arten. Zu den Sammlungen zählen den Angaben zufolge insgesamt 16 Millionen Objekte, zehn Millionen davon in der Hansestadt.

Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) verweist auf die Strahlkraft des American Museum of Natural History in New York, das Natural History Museum in London oder das Berliner Naturkundemuseum. „Solche Museen können eine Stadt wirklich prägen“, sagt sie mit Blick auf ein Naturkundemuseum im Elbtower. Wissenschaftssenatorin Maryam Blumenthal (Grüne) rechnet mit bis zu 500.000 Besucherinnen und Besuchern pro Jahr. Zudem würden rund 200 Mitarbeitende aus über 40 Nationen dort forschen, lehren und Wissen vermitteln.

Von wem stammt die Elbtower-Idee? 

Die Idee stammt vom Hamburger Immobilienentwickler Dieter Becken, der seit Dezember vergangenen Jahres zusammen mit einem Konsortium exklusiv mit dem Insolvenzverwalter Torsten Martini über den Kauf der Bauruine verhandelt. Die möglichen Investoren, denen auch der Milliardär Klaus-Michael Kühne angehört, brauchen dringend weiteres Geld, um den Elbtower zu vollenden. Entsprechend erfreut zeigt sich Becken auch von den Plänen der Stadt. „Wir werten das offizielle Statement der Stadt als sehr positives Signal.“ 

Gleich fünf Senatsmitglieder inklusive Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) haben die Pläne des Senats zum Naturkundemuseum vorgestellt.Daniel Bockwoldt/dpa/Daniel Bockwoldt

Gleich fünf Senatsmitglieder inklusive Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) haben die Pläne des Senats zum Naturkundemuseum vorgestellt.Daniel Bockwoldt/dpa/Daniel Bockwoldt

© Daniel Bockwoldt/dpa/Daniel Bockwoldt

Ursprünglich war der Elbtower ein Prestigeprojekt des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) sowie des österreichischen Immobilieninvestors René Benko. Weil Benkos kriselnde Signa-Gruppe jedoch Rechnungen nicht gezahlt hatte, wurden die Arbeiten an dem Turm in rund 100 Metern Höhe im Oktober 2023 eingestellt. Benko sitzt seit Januar in Untersuchungshaft und steht derzeit in Österreich vor Gericht.

Wie soll der Elbtower künftig aussehen?

Ursprünglich sollte der Elbtower mit 64 Stockwerken und 245 Metern Höhe Deutschlands dritthöchstes Gebäude werden. Daraus wird den neuen Planungen zufolge nun nichts. Stattdessen soll das Gebäude um zwölf Büroetagen oder 46 Meter auf 199 Meter gekürzt werden, wie Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) sagt. Am Nutzungskonzept ändere sich jedoch nichts. Es bleibe bei dem Hotel, den Büroetagen und der Aussichtsplattform, sagt Pein. Das Naturkundemuseum soll etwa 46.000 Quadratmeter in den unteren zwölf Etagen sowie in dem großen Publikumsbereich nutzen. Das wären etwa 48 Prozent der Gesamtfläche des Elbtowers.

Was soll das kosten?

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) spricht von einem Global-Pauschal-Festpreis in Höhe von 595 Millionen Euro, der über Darlehen und aus dem Sondervermögen für Infrastrukturmaßnahmen finanziert werden soll. „Das heißt, das ist – und so haben wir es auch bestellt – das All-inclusive-Paket für das Naturkundemuseum.“ Gleichzeitig verweist er auf eine Kosten-Nutzen-Analyse, nach der ein Neubau eines städtischen Museumsgebäudes in der Hafencity 824 Millionen Euro kosten würde - und damit rund 230 Millionen Euro teurer als die Elbtowervariante wäre. Außerdem käme das Naturkundemuseum im Elbtower rund fünf Jahre früher - wohl Ende 2029 - zu seinen neuen Räumen und Ausstellungsflächen.

Neben dem nun favorisierten Teilerwerb habe die Stadt auch einen Share Deal, also einen Einstieg in die Projektgesellschaft geprüft - und verworfen, weil die Stadt dann Verantwortung für das Gesamtgebäude übernehmen müsste. Auch ein Mietvertrag komme nicht infrage. Dressel betont, dass die erste Rate der Stadt bei einem Teilerwerb erst fließe, wenn der Elbtower außen komplett fertig und innen weit fortgeschritten sei - und damit der Zahlung ein Wert gegenüberstehe. Zudem soll es im Falle eines Ausstiegs des Konsortiums Options- und Ankaufsrechte für die Stadt geben, damit diese dann im Fall der Fälle nicht mit irgendeinem saudischen Immobilienfonds über die Frage der Aufzugreparatur verhandeln müsse, sagt Dressel.

Hat der Senat Wortbruch begangen?

Bürgermeister Tschentscher hat nach der Signa-Pleite mehrfach ausgeschlossen, dass sich die Stadt finanziell am Elbtower beteiligt. CDU, AfD, Linke und der Bund der Steuerzahler werfen ihm deshalb nun Wortbruch vor - was Tschentscher weit von sich weist. „Man hätte im Grunde auch von Anfang an drauf (auf den Elbtower als Naturkundemuseum) kommen können, aber sind wir eben nicht.“ Das sei jetzt im Nachgang geprüft worden. Und die Grundregel der Landeshaushaltsordnung, der sparsame Umgang mit Steuergeld, bedeute, „dass man die wirtschaftlichste Lösung für ein Projekt nicht nur prüft, sondern dann auch nimmt“.

Die Stadt agiere ja nicht so, um den Elbtower an sich fertigzustellen, auch wenn das am Ende dabei herauskomme, sagt Tschentscher. Der Rechnungshof würde toben, „wenn wir das alles so aktenkundig feststellen und dann sagen: „Nein, das machen wir jetzt aber mal nicht, weil wir irgendwie einen Groll haben.““ Das gehe nicht. „Wir sind verpflichtet, die Interessen der Stadt umfassend zu wahren und nach heutigem Stand (...) ist das eine aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Stadt heraus attraktive, gute Lösung.“ 

Wie geht es jetzt weiter?

Derzeit laufen die Gespräche mit Becken und dem Konsortium noch. In einem nächsten Schritt will der Senat auf Basis der Zwischenergebnisse einen Beschluss zur Fortführung der Verhandlungen mit dem Konsortium treffen. Ziel sei eine möglichst rasche Befassung der Hamburgischen Bürgerschaft unter Vorlage einer vollständigen Kosten-Nutzen-Analyse. Das letzte Wort über die Standortwahl für ein Naturkundemuseum habe dann das Parlament.

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