Panorama

Offenbacher Grundschüler üben Konfliktlösung ohne Gewalt

Mäppchenklau im Klassenraum: Ein Theaterprojekt zeigt Kindern spielerisch, was man bei Konflikten tun kann. Die Stadt sieht dies als Teil ihrer Strategie zur Kriminalitätsprävention.

Von Isabell Scheuplein (Text) und Arne Dedert (Fotos), dpa

24.10.2025

An einer Offenbacher Grundschule ist ein Theaterprojekt zu Gast, es geht um das Thema Respekt. (Symbolbild)Marijan Murat/dpa

An einer Offenbacher Grundschule ist ein Theaterprojekt zu Gast, es geht um das Thema Respekt. (Symbolbild)Marijan Murat/dpa

© Marijan Murat/dpa

Zwei Kinder nehmen ihrem Schulfreund das Mäppchen weg und werfen es hin und her - seinen lautstarken Protest übergehen sie einfach. Das rüde Vorgehen ist in diesem Fall nicht echt, sondern Teil einer kurzen Theater-Szene, die an einer Offenbacher Grundschule vorgespielt wird.

Rundherum sitzen etwa 30 Kinder, sie beobachten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Vereins „People’s Theater“, die die Szene vorspielen. Der Verein will mit Theaterpädagogik soziale Kompetenz fördern. An diesem Vormittag geht es um das Thema Respekt.

An einer digitalen Tafel werden nun die Meinungen der Acht- bis Zehnjährigen gesammelt: Der Besitzer des Mäppchens sei wütend gewesen, hat ein Junge beobachtet. Ausgeschlossen habe er sich gefühlt, fügt ein Mädchen hinzu. „Das war respektlos“, sagt ein Junge. Gemeinsam soll nun erarbeitet werden, welche Alternativen es in der Situation gegeben hätte. 

Die Stadt Offenbach sieht in der Förderung dieses und weiterer Präventionsprojekte einen wichtigen Beitrag, um Gewalt und Kriminalität schon vor ihrem Entstehen zu bekämpfen, wie der zuständige Dezernent Paul-Gerhard Weiß (FDP) sagt. In der Schul- und Jugendarbeit sei dies ein langfristig angelegter Ansatz, den die Stadt seit 30 Jahren verfolge. „Dazu gehört intensive Projektarbeit zu den Themen Umgang mit Konflikten und Vermeidung von Gewalt.“

Statistik zeigt Rückgang von Straftaten 

Offenbach hatte im Sommer Zahlen aus der polizeilichen Kriminalitätsstatistik vorgelegt, die in mehreren Bereichen einen Rückgang der Taten zeigt. Nach einer Mitteilung führt die Stadt nach dieser Statistik sogar die Liste der sichersten Großstädte in Hessen an. 

Zu den Gründen für die positive Entwicklung zählt Dezernent Weiß neben der Präventionsarbeit eine personell aufgestockte Stadtpolizei, die rund um die Uhr sieben Tage die Woche im Einsatz sei, eine enge Zusammenarbeit mit der Landespolizei, Videoüberwachung an früheren Brennpunkten, runde Tische in den Stadtteilen und ein Haus des Jugendrechts. 

Wie sicher fühlen sich die Menschen?

Martin Rettenberger, Direktor der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) in Wiesbaden, mahnt allerdings, keine absoluten Aussagen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik abzuleiten. Sie sei eine wichtige Erhebung, biete aber kein vollständiges Abbild der Kriminalität. Unter anderem seien Taten, die nicht angezeigt wurden, nicht enthalten. Auch sage die Statistik nichts über das Sicherheitsgefühl der Menschen aus.

Völlig unbestritten sei aber Prävention wichtig, um Kriminalität schon vor ihrem Entstehen zu bekämpfen - auch bereits in der Grundschule. „Das sind Investitionen in die Zukunft“, sagt der Professor. Kriminalprävention müsse grundsätzlich langfristig angelegt sein und brauche verschiedene gesellschaftliche Kräfte. 

Stadtgesellschaft mit hohem Migrationsanteil

Zur Präventionsarbeit in Offenbach gehört die Tätigkeit der Migrationsbeauftragten des örtlichen Polizeipräsidiums. Zwei Drittel der Menschen in Offenbach haben eine Migrationsgeschichte, das ist einer der höchsten Anteile unter den größeren Städten bundesweit. 

Die insgesamt drei Migrationsbeauftragten des Offenbacher Präsidiums seien vernetzt mit den Vereinen, Initiativen, Religionsgemeinschaften und anderen Organisationen in der Stadt, sagt Erdogan Karakaya, stellvertretender Leiter der polizeilichen Prävention des Präsidiums. 

„Es geht darum, Themen der Prävention in die einzelnen Communitys zu tragen und als Ansprechpersonen zu fungieren“, sagt Karakaya. So könne die Polizei frühzeitig von Problemen oder Konflikten und ihren Hintergründen erfahren. Zentral sei der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses.

Die Stadtgesellschaft in Offenbach ist vielseitig. 55 Organisationen waren im September zum Interkulturellen Abend eingeladen, den das Polizeipräsidium einmal pro Jahr in Offenbach veranstaltet.

Kinder probieren Alternativen aus

Der Präventionskurs an der Marianne Frostig Schule ist nach einer Stunde für diesen Tag beendet. 

Die Kinder haben alternative Szenen erarbeitet: In einer davon wird der Junge gefragt, ob man mit seinem Mäppchen spielen dürfe. Nach kurzem Nachdenken nimmt er seinen wertvollen Füller aus dem Mäppchen, wirft es den anderen Kindern zu und sagt, er würde auch selbst gern mitspielen.

„Uns ist wichtig, dass die Kinder lernen, was eine respektlose Handlung ist und wie sie darauf reagieren können“, sagt Mitarbeiterin Camila Rubiano von dem Theaterprojekt, das im Jahr 2001 in Offenbach gegründet wurde. Es gehe darum, Lösungen jenseits von Gewalt - auch sprachlicher Gewalt - kennenzulernen. Mittels der kleinen Spiel-Szenen könnten die Kinder auch einmal die Rollen tauschen und sich ausprobieren. 

Insgesamt ist das Theaterprojekt an vier Vormittagen in der Schule zu Gast. Am nächsten Tag soll es um das Thema Zusammenarbeit gehen.

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