Panorama

„Wie Zombies“ - Prozess um Drogen in Champagnerflasche

Ein Abend mit verheerendem Ende: In einem Lokal befindet sich statt Champagner die Droge MDMA in einer Flasche. Ein Mann stirbt nach dem Trinken, andere kämpfen um ihr Leben.

Von dpa

22.12.2025

Zeugin im Champagner-Prozess: Nicole Bock trank im Februar 2022 ahnungslos aus einem Champagner-Glas, in dem sich die Droge MDMA befand. Sie schwebte danach in Lebensgefahr und kämpft bis heute mit den körperlichen und psychischen Folgen. Armin Weigel/dpa

Zeugin im Champagner-Prozess: Nicole Bock trank im Februar 2022 ahnungslos aus einem Champagner-Glas, in dem sich die Droge MDMA befand. Sie schwebte danach in Lebensgefahr und kämpft bis heute mit den körperlichen und psychischen Folgen. Armin Weigel/dpa

© Armin Weigel/dpa

Wahnvorstellungen, Muskelzittern, Übelkeit, Krämpfe, Bewusstlosigkeit: Im sogenannten Champagner-Fall haben mehrere Opfer vor dem Landgericht Weiden von den gravierenden Folgen berichtet. Sie hatten im Februar 2022 in einem Lokal Champagner bestellt, stattdessen aber die flüssige Droge MDMA ausgeschenkt bekommen. Ein Mann starb. Sieben weitere Gäste, die tranken, wurden teils lebensgefährlich verletzt. Bis heute kämpfen sie mit gesundheitlichen Problemen.

Von „Horror“ spricht ein Zeuge, wenn er an jene Nacht zurückdenkt. Sichtlich aufgewühlt erzählt er, wie sich die Ereignisse überschlugen, wie rundherum Panik ausbrach, Betroffene sich nicht mehr auf den Beinen halten konnten, wie er versuchte, sich zu übergeben, Halluzinationen bekam und um sein Leben fürchtete. „Ich wusste nicht, ob ich das überlebe.“ Als er noch auf einen Sanitäter wartete, sei ein Bekannter auf einer Trage vorbeigetragen worden. Später habe er erfahren, dass der es nicht geschafft hatte. 

Dass mit dem Getränk etwas nicht stimmte, sei ihnen zuvor nicht aufgefallen, sagten die Zeugen. Nebenbei sei der Fernsehapparat gelaufen, sie hätten auf den Auftritt ihres Freundes gewartet und parallel dazu angestoßen. Die Schampus-Flasche wie auch die Gläser seien nicht transparent, sondern blickdicht gewesen.

Halluzinationen und Muskelkrämpfe

Auch Nicole Bock ist eine aus der Clique. Sie ist an dem Prozess als Nebenklägerin beteiligt. Wie „Zombies“ sollen sie ausgesehen und sich sehr verrenkt haben, sagte sie. Das hätten ihr später Zeugen erzählt, die den Vorfall in dem Lokal miterlebten. Sie und andere Betroffene hätten damals starke Krämpfe und Muskelzittern erlitten. 

Als sie den ersten Schluck im Mund hatte, sei ihr sofort klar gewesen, dass etwas nicht stimmt. Sie berichtet von einem modrigen, sauren Geschmack. Beim Blick in das Glas sei ihr dann die bräunlich-lila Farbe des Getränkes aufgefallen. Sie habe Herzrasen verspürt und sei auf die Toilette gerannt, um sich zu übergeben. Sie habe sich am Fenstergriff festgehalten, gezittert, viele Lichter gesehen und Stimmen gehört, sei kollabiert. Erst auf der Intensivstation sei sie aufgewacht. Auch im Krankenhaus habe sie Halluzinationen gehabt.

Ein Arzt habe ihr gesagt, sie hätten nicht gedacht, dass sie das überleben würde. Sie könne ihren zweiten Geburtstag feiern. Bis heute kämpfe sie mit den Folgen, habe Muskelschmerzen, Sehstörungen, Panikattacken und sei sowohl in Physio- wie in Psychotherapie. Ihren früheren Beruf als Kommunikationscoach habe sie aufgeben müssen.

Auf Rollstuhl angewiesen

Dauerhafte Schäden hat auch die 41-jährige Carola Potrz erlitten. Sie war an jenem Abend zufällig zu der Gruppe gestoßen, weil sie drei der Leute kannte, als sie in das Lokal kam. Nach dem ersten Schluck habe sie direkt zu einer Freundin gesagt: „Wir sind vergiftet.“ Da habe sie in das Glas geschaut und die dunkle Farbe der Flüssigkeit bemerkt. Mehrere Betroffene seien zur Toilette gelaufen. Sie habe Panik und Herzrasen bekommen, sei ins Freie gegangen, habe laut geschrien, sei zurück ins Lokal, wo eine Frau bereits zusammengebrochen war.

Als sie realisiert habe, dass sie die Flüssigkeit getrunken hatte und nichts mehr tun könne, habe sie Todesangst gehabt, sie habe an ihre Kinder gedacht. „Ich dachte in der Nacht: Ich sterbe.“ Sie habe ihr Handy nicht mehr halten können und das Gefühl gehabt, ihre Arme und Beine würden sich auflösen. Dann reiße ihre Erinnerung ab, später sei sie in der Uniklinik Regensburg aufgewacht. Dort sei eine Hirnblutung festgestellt worden.

Heute ist die 41-Jährige berufsunfähig und auf den Rollstuhl sowie auf Hilfe im Alltag angewiesen. Sie könne nur noch kurze Strecken gehen, bei kleinen Unebenheiten am Boden falle sie um. Bergauf oder bergab könne sie auch nicht gehen. Ihre Muskeln versteiften sich immer wieder, sie bekomme Krämpfe. Dann brauche sie den Rollstuhl. Autofahren könne sie nicht mehr. Früher sei sie fit gewesen. Aber sie schaue nach vorn, sagt sie. Ihre Kinder seien 19 und 15 Jahre alt. „Aufgeben ist keine Option.“

Champagnerflasche zur Drogentarnung

Angeklagt ist ein 46 Jahre alter Niederländer. Die Staatsanwaltschaft legt ihm fahrlässige Tötung und bandenmäßigen Drogenhandel zur Last. Die Verteidiger hatten zu Prozessbeginn die Vorwürfe gegen ihren Mandanten zurückgewiesen. Der Anklage nach soll er Mitglied einer Gruppe sein, die in großen Mengen MDMA - bekannt als Wirkstoff der Droge Ecstasy - produziert haben soll, um es im In- und Ausland zu verkaufen.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Champagnerflaschen von Drogenhändlern zur Tarnung verwendet und in einem Lager aufbewahrt wurden. Der Angeklagte soll die Rolle des Logistikers gehabt haben. Mehrere Flaschen seien jedoch aus dem Lager gestohlen worden und über Umwege in den Handel und eine in das Restaurant in Weiden geraten.

Der Angeklagte im sogenannten Champagner-Prozess sitzt im Verhandlungssaal des Landgerichts Weiden neben seinem Verteidiger.Armin Weigel/dpa

Der Angeklagte im sogenannten Champagner-Prozess sitzt im Verhandlungssaal des Landgerichts Weiden neben seinem Verteidiger.Armin Weigel/dpa

© Armin Weigel/dpa

Mit Fußfesseln wir der Angeklagte ins Gericht gebracht.Armin Weigel/dpa

Mit Fußfesseln wir der Angeklagte ins Gericht gebracht.Armin Weigel/dpa

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