Politik Inland

Kämpfer warnt: Politik droht Vertrauensverlust durch Frust

Der scheidende Oberbürgermeister der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt sieht die Demokratie im Stresstest. Warum er vor wachsendem Frust und Vertrauensverlust in die Politik warnt.

Von dpa

18.11.2025

Das Verhältnis zwischen Politik und Gesellschaft hat sich laut Ulf Kämpfer in den letzten Jahren spürbar gewandelt. (Archivbild)Markus Scholz/dpa

Das Verhältnis zwischen Politik und Gesellschaft hat sich laut Ulf Kämpfer in den letzten Jahren spürbar gewandelt. (Archivbild)Markus Scholz/dpa

© Markus Scholz/dpa

Kiels amtierender Oberbürgermeister Ulf Kämpfer warnt vor einem Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit der Politik. „Die Reichen, die Trickser, die Rücksichtslosen – die kriegen es hin. Und viele denken: Ich, der sich an die Regeln hält und fleißig ist, für mich läuft es nicht mehr richtig“, sagte der Sozialdemokrat der Deutschen Presse-Agentur.

„Preise, die Bezahlbarkeit des Lebens, vieles ist komplizierter geworden“, sagte Kämpfer der Deutschen Presse-Agentur. „Das führt zu Frust.“ Ebenso, wenn die Kita oder die Bahn spontan ausfalle. Gleichzeitig seien die Regeln und die Verwaltung oftmals zu komplex. 

Kämpfer plädierte daher für eine „Ja-Wenn-Verwaltung“: „Wir sind in Deutschland super, gut, sehr höflich und ausführlich auf fünf DIN-A4-Seiten zu schreiben, warum leider etwas nicht geht, anstatt auf einer Seite zu schreiben, dass es so nicht geht, aber vielleicht etwas anderes gehen könnte.“

Demokratie im Stresstest

Nach zwei Amtszeiten trat Kämpfer bei der Oberbürgermeisterwahl am vergangenen Sonntag nicht erneut an. Seine Nachfolge entscheidet sich in der Stichwahl am 30. November. Er wechselt als Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl 2027 in die Landespolitik. 

Eine Auszeit hätte er sich nach eigenen Worten ebenfalls vorstellen können. „Aber ich habe den Eindruck, das darf ich mir nicht erlauben, weil wir einen Stresstest der Demokratie erleben und alle, denen unsere Demokratie am Herzen liegt, an Deck sein müssen“, sagte er der dpa.

Kämpfer sieht „Teufelskreis“

Das Verhältnis zwischen Politik und Gesellschaft habe sich in den vergangenen Jahren spürbar gewandelt, stellte Kämpfer fest. Kritik, aber auch Beleidigungen und Drohungen gegen ehrenamtliche und hauptamtliche Politiker hätten deutlich zugenommen. Dies setze einen „Teufelskreis“ in Gang:

„Es kommt häufiger als früher vor, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht wieder gewählt oder in Abwählverfahren abgesetzt werden“, sagte Kämpfer. Zudem würden viele Politikerinnen und Politiker hinschmeißen, zurücktreten oder nicht wieder antreten - aus eigenem Frust. Das führe dazu, dass immer weniger qualifizierte Menschen bereit seien, in die Politik zu gehen. 

„Wenn dann nur noch die Populisten und Unqualifizierten da sind und gewählt werden, dann kriegen die erst recht die Kritik ab - und zwar zu Recht“, führte der Sozialdemokrat fort. Dies lasse den Frust auf die Politik dann wiederum weiter wachsen und schrecke immer mehr Menschen davon ab, sich zu engagieren. 

Kämpfer: Hass darf nicht normalisiert werden

Die Unterscheidbarkeit zwischen den Politikerinnen und Politikern darf laut Ulf Kämpfer nicht verloren gehen. (Archivbild)Markus Scholz/dpa

Die Unterscheidbarkeit zwischen den Politikerinnen und Politikern darf laut Ulf Kämpfer nicht verloren gehen. (Archivbild)Markus Scholz/dpa

© Markus Scholz/dpa

Kämpfer forderte daher eine „glasklare Haltung“ gegen extremistische Tendenzen in Deutschland. „Das ist Rechtsextremismus, aber es gibt auch andere Formen von Populismus, wenn ich an die Verschwörungstheoretiker denke“, sagte er. Hass, Desinformation und Verächtlichmachung von Demokratie dürften nicht normalisiert werden.

Doch viele Politikerinnen und Politiker blieben genau an diesem Punkt stehen, kritisierte der 53-Jährige. Er betonte: „Wir müssen natürlich selber vorbildlich sein in unserer politischen Kultur und im Umgang miteinander.“ Dabei dürfe jedoch die Unterscheidbarkeit der Parteien nicht verloren gehen.

„Wenn die Menschen glauben, die Politiker der etablierten Parteien seien alle gleich und steckten unter einer Decke, weil sie so freundlich miteinander umgehen, ist das auch problematisch.“ Jede Bürgerin und jeder Bürger sollte aus Sicht Kämpfers auf Anhieb drei Unterschiede zwischen den Parteien oder den Kandidatinnen und Kandidaten bei Wahlen nennen können.

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