Erwerbslosenbeirat warnt vor wachsender sozialer Ausgrenzung
Immer mehr Menschen fühlen sich durch Arbeitslosigkeit isoliert – was das für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt bedeutet, diskutiert das Erwerbslosenparlament in Schwerin.
Arbeitslosigkeit gilt als größter Risikofaktor für Armut. Der Erwerbslosenbeirat MV fordert von der Landesregierung eigene Beschäftigungsprogramme. (Symbolbild) Jens Kalaene/dpa
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Der Erwerbslosenbeirat Mecklenburg-Vorpommern hat vor den Folgen wachsender sozialer Ausgrenzung von Menschen ohne Arbeit gewarnt. „Wir sehen, dass immer mehr Menschen abgehängt werden und nicht mehr die Möglichkeit sozialer Teilhabe bekommen. Das macht uns große Sorgen“, sagte Beirats-Sprecherin Ariane Kroß.
Betroffene würden immer mehr in die Isolation gedrängt und drohten vielfach auch für die Demokratie verlorenzugehen. Das am kommenden Montag in Schwerin tagende Erwebslosenparlament stehe deshalb auch unter dem Motto: „Die Verteidigung der demokratischen Werte braucht soziale Sicherheit und Teilhabe“. Die Tagung, zu der etwa 100 Teilnehmer erwartet würden, solle Erwerbslosen ein Podium bieten, über ihre Lage zu berichten.
Kroß: Mit Erwerbslosen reden und nicht nur über sie
Die aktuelle Debatte um die Reform des Bürgergeldes zeige, dass zwar viel und oft sehr undifferenziert über Erwerbslose geredet werde, zu selten aber mit ihnen, beklagte Kroß. Aus ihren Gesprächen wisse sie, dass viele gern arbeiten würden, es aber an geeigneten, auf die individuellen Lebensumstände angepassten Angeboten fehle. Die Programme der Arbeitsagenturen seien oft zu unflexibel, die Beratungen in den Jobcentern unzureichend.
Kroß erneuerte ihre Forderung an das Land, ein eigenständiges Arbeitsmarktprogramm aufzulegen, über das auch schwer und nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelbare Personen eine Chance bekämen. Durch Sparmaßnahmen sei die Zahl der gemeinnützigen Beschäftigungsträger im Land bereits von einst 16 auf 6 gesunken.
Erwerbslosigkeit größter Risikofaktor für Armut
Nach den Worten von André Knabe vom Rostocker Institut für Sozialforschung ist Erwerbslosigkeit der mit Abstand größte Risikofaktor für Armut, die sich nicht nur in materieller Not äußere, sondern auch sozial stigmatisiere. „Man wird in öffentlichen und privaten Diskursen permanent angefeindet und abgewertet. Viele halten das nicht aus und ziehen sich zurück“, sagte Knabe.
Langzeitarbeitslose haben es schwer am Arbeitsmarkt
Nach Jahren des Rückgangs steige die Arbeitslosigkeit infolge der kriselnden Wirtschaft wieder, sagte der Landesvorsitzende des Arbeitslosenverbandes, Jörg Böhm. Die Jobangebote seien rückläufig, was es insbesondere für die rund 25.000 Langzeitarbeitslosen im Land schwer mache, eine Anstellung zu finden. Viele seien auch nicht in der Lage, einen Acht-Stunden-Job aufzunehmen. Für diesen Personenkreis seien spezielle Angebote und Betreuung nötig.
Kritisch äußerte sich Böhm zur Bereitschaft der SPD, in der Bundesregierung die von der Union vorangetriebene Reform des Bürgergeldes mittragen zu wollen. „Da hat die SPD aus Hartz IV wohl nicht die richtigen Lehren gezogen“, sagte er. Die Sozialreformen unter dem damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder hatten zwar mit dazu beigetragen, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, der SPD aber viel Kritik bei ihren Anhängern eingetragen.