CDU will Hamburger Klimaentscheid kippen
Im Oktober haben sich die Hamburgerinnen und Hamburger bei einem Zukunftsentscheid für das Vorziehen der Klimaneutralität entschieden. Die CDU befürchtet schlimme Folgen und will das Votum kippen.
Thering zufolge sind viele Menschen in Hamburg wegen der Folgen des Volksentscheids zur Klimapolitik verunsichert (Archivbild).Marcus Brandt/dpa
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Die CDU will den Volksentscheid zum Vorziehen des Klimaneutralitätsziels auf 2040 in Hamburg kippen. Seine Fraktion werde am 10. Dezember einen entsprechenden Entwurf für ein Änderungsgesetz in der Bürgerschaft zur Abstimmung stellen, sagte der Vorsitzende Dennis Thering. Ziel sei es, den ursprünglichen Plan wiederherzustellen, die Stadt erst bis spätestens 2045 klimaneutral zu machen.
Durch das Vorziehen um fünf Jahre seien die Wirtschaft und der soziale Frieden in Hamburg massiv bedroht, sagte Thering. Die Hamburgische Verfassung sehe die Möglichkeit eines Änderungsgesetzes vor. Nötig für die Annahme sei eine einfache Mehrheit.
SPD, Grüne und Linke gegen CDU-Vorstoß
Die SPD, auf deren Stimmen Thering hofft, ging auf Distanz. „Den Antrag der CDU unterstützen wir nicht“, sagte Fraktionschef Dirk Kienscherf. Zugleich warf er den Christdemokraten mangelnden Respekt vor dem Votum der Hamburgerinnen und Hamburger vor. Die hatten sich am 12. Oktober beim sogenannten Zukunftsentscheid mit 53,2 Prozent für das Vorziehen der Klimaneutralität ausgesprochen.
Dieser Entscheid sei nun umzusetzen, sagte die Klimaexpertin der Grünen, Rosa Domm. „Alles andere wäre ein Affront gegenüber der Bevölkerung.“ Bei den Linken war von einem autoritären Staatsverständnis der CDU die Rede.
Thering warnt vor Folgen des Zukunftsentscheids
„Wir bekennen uns ausdrücklich zum Klimaschutz“, betonte Thering. Aber: „Klimaschutz muss sozial gerecht, wirtschaftlich tragfähig und technologisch realisierbar sein.“ Der Zukunftsentscheid erfülle keine dieser Voraussetzungen.
„Ein 2040-Ziel würde Milliardenkosten verursachen, die über massive Mieterhöhungen, explodierende Kosten für Strom und Wärme sowie Rekordsummen an Steuergeld finanziert werden müssten“, sagte er. Dies sei Sprengstoff für den Zusammenhalt in Hamburg.
Er nehme eine große Verunsicherung in der Bevölkerung und bei den Unternehmen wahr, sagte Thering. Viele Bürgerinnen und Bürger hätten ihm deutlich gemacht, sich über die Folgen des Volksentscheids nicht im Klaren gewesen zu sein.
Bürgerschaft habe die Pflicht, „fatales Gesetz“ zu korrigieren
Die Hamburgische Verfassung sehe vor, dass ein durch Volksentscheid zustande gekommenes Gesetz von der Hamburgischen Bürgerschaft aufgehoben werden könne. „Diese Regelung ist nicht beliebig oder zufällig. Daraus ergibt sich zwingend, dass die Bürgerschaft nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat, ein fatales Gesetz mit großem Schaden für die Menschen zu korrigieren“, sagte Thering.
Sollte das Änderungsgesetz in der Bürgerschaft angenommen werden, hätten die Initiatoren des Bürgerentscheids die Möglichkeit, binnen drei Monaten einen weiteren Volksentscheid zu initiieren. Dazu wären die Stimmen von 2,5 Prozent der Wahlberechtigten nötig, laut Thering sind das rund 33.000 Stimmen. Bei einem neuen Volksentscheid stünde dann das Änderungsgesetz zur Abstimmung.
SPD: CDU treibt Polarisierung beim Klimaschutz voran
Kienscherf warf der CDU vor, mit ihrem Antrag die Polarisierung beim Thema Klimaschutz weiter voranzutreiben. „Man muss mit einem Volksentscheid verantwortungsvoll und respektvoll umgehen“, sagte er. „Das tut die CDU nicht – das zeigt sie jetzt deutlich.“
Die SPD respektiere das Ergebnis des Volksentscheids, sehe aber „die technische Umsetzbarkeit sowie die Gewährleistung der geforderten Sozialverträglichkeit unter Beachtung der Hamburgischen Verfassung nach wie vor sehr kritisch“, sagte Kienscherf. Klar sei: „Klimaschutz in Hamburg muss umsetzbar und für die Bürgerinnen und Bürger bezahlbar sein – und damit sozialverträglich.“
Die sich aus dem geänderten Klimaschutzgesetz ergebenden Konsequenzen müssten nun vom Senat sorgfältig geprüft werden. Dieser Prozess sei aber erst am Anfang.
Grüne und Linke fordern Umsetzung des Klimaentscheids
„Statt den Volkswillen infrage zu stellen, sollte die CDU lieber den Klimaschutz konstruktiv mitzugestalten“, sagte Grünen-Fraktionsvize Domm. Hierzu habe man von der CDU bislang nichts gehört. Die Grünen hätten dagegen bereits konkrete und sozial gerechte Maßnahmen beim Klimaschutz vorgelegt, über die ein Kleiner Parteitag noch in dieser Woche entscheiden werde.
Alle demokratischen Kräfte der Stadt könnten nach dem erfolgreichen Zukunftsentscheid Vorschläge zu dessen Umsetzung einbringen, sagte der Umweltexperte der Linken, Stephan Jersch. „Stattdessen legt die CDU aber offenbar lieber die Lunte an unser demokratisches Gemeinwesen.“
Positive Reaktionen aus der Wirtschaft
Während die Initiatoren des Zukunftsentscheids und die Umweltverbände Nabu und BUND die Initiative der CDU ebenfalls scharf kritisierten, kam Unterstützung aus der Wirtschaft.
„Wir begrüßen alle Bestrebungen der Hamburger Politik, wieder für gleiche wirtschaftliche Wettbewerbsbedingungen einzutreten“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Industrieverbands Hamburg, Andreas Pfannenberg. Hamburgs Industrieunternehmen dürften nicht stärker belastet werden als auf nationaler Ebene.
Auch der Direktor des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Andreas Breitner, begrüßte die Initiative der CDU. „Sie ist gut geeignet, erneut über die gravierenden Folgen des Klimaentscheids zu debattieren“, sagte er und verwies Milliardeninvestitionen, die Haus- und Wohnungseigentümer wegen des Volksentscheids vorziehen müssten. „Wegen der Größe der Aufgabe ist es richtig und gut, immer wieder über die Auswirkungen des Klimavolksentscheids zu debattieren - und gegebenenfalls sinnvolle Korrekturen anzugehen.“