Politik Inland

Baumgesetz soll Berlin grüner machen

Eine Million Stadtbäume, „Kühlinseln“ und neue Geldquellen – wie Berlin mit Bürgerpower bei der Klimaanpassung vorankommen will.

Von Stefan Kruse, dpa

03.11.2025

Laut dem neuen Klimaanpassungsgesetz soll es in Berlin mehr „Kühlinseln“ in Form von Grünanlagen geben. Elisa Schu/dpa

Laut dem neuen Klimaanpassungsgesetz soll es in Berlin mehr „Kühlinseln“ in Form von Grünanlagen geben. Elisa Schu/dpa

© Elisa Schu/dpa

Es ist ein bisher einmaliger Vorgang im Berliner Abgeordnetenhaus gewesen: Das Parlament hat mit breiter Mehrheit ein sogenanntes Klimaanpassungsgesetz angenommen, das nicht wie üblich von der Politik auf den Weg gebracht wurde. Vielmehr kam der Anstoß von einer Bürgerinitiative, also aus der Stadtgesellschaft heraus. Worum geht es? Fragen und Antworten dazu: 

Warum soll Berlin grüner werden?

Die Wissenschaft ist sich sicher, dass die Erderwärmung weiter voranschreitet und sich gerade große Städte wie Berlin darauf vorbereiten müssen. Als eine wichtige Säule dabei gilt das Stadtgrün: Es kann kühlende Wirkung haben, Regenwasser speichern und Schatten spenden. Mehr Bäume und mehr Grün können also eine Stadt lebenswerter machen und dazu beitragen, dass sie besser auf Hitze, Dürre und den Klimawandel vorbereitet ist. 

Wie viele neue Bäume sind geplant?

In dem neuen Gesetz ist das Ziel formuliert, dass Berlin bis 2040 - also in 15 Jahren - über insgesamt eine Million gesunde Bäume verfügt. Zum Vergleich: Heute gibt es nach letzten Angaben der regierenden CDU rund 440.000 Stadtbäume, die Tendenz war zuletzt rückläufig. Nach Angaben der Initiative „BaumEntscheid“ ist mehr als jeder zweite Berliner Straßenbaum krank, auch weil für Pflege und Unterhalt zu wenig Geld zur Verfügung stehe. Bisher werde nur jeder dritte gefällte Baum nachgepflanzt.

Wie soll die Aufstockung des Baumbestands funktionieren? 

Im Gesetzentwurf steht dazu: „Auf jeder Straßenseite und auf allen ausreichend breiten Mittelstreifen soll je Straßenabschnitt im Durchschnitt mindestens alle 15 Meter ein gesunder, gepflegter oder Entwicklungsbaum als Straßenbaum gepflanzt sein.“ Wenn möglich, sollen die Bäume auf dem sogenannten Unterstreifen zwischen Fahrbahn und Gehweg wachsen - so wie es in Berlin bereits vielerorts gängige Praxis ist. Andere Flächen, etwa Parkplätze, sind allerdings nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Vorgeschrieben wird auch eine wirksame Pflege und der Schutz bestehender Bäume, sie sollen laut Gesetz „in einem gesunden Zustand sein oder zurückgeführt werden“. 

Was kostet das Ganze? 

Das Programm soll über 15 Jahre etwa 3,2 Milliarden Euro kosten. In der Vergangenheit kursierten viel höhere Summen, die offizielle Kostenschätzung des Senats ging noch von mehr als 7 Milliarden Euro aus. Erwartete Kosten konnten jedoch unter anderem durch neue Pflanzmethoden reduziert werden: Statt zehn Jahre alter Bäume aus Baumschulen sollen Setzlinge, Wurzelsprossen oder spontane Triebe im Straßenraum durch standardisierte Pflanz- und Pflegeverfahren so entwickelt werden, dass sie nach zehn Jahren dieselbe Größe, Vitalität und Klimawirkung erzielen. Die Rede ist von „Entwicklungsbäumen“. Einsparungen soll auch Bürokratieabbau bringen.

Wo kommt das Geld her? 

Da 15 Jahre ein langer Zeitraum sind und Berliner Haushalte in der Regel für zwei Jahre aufgestellt werden, steht das in seiner Gesamtheit nicht fest - zumal Berlin nach Darstellung des Senats und der schwarz-roten Koalition sparen muss. Eine Idee ist, Geld aus dem Sondervermögen des Bundes zu nutzen - die Rede ist von bis zu zwei Milliarden Euro. Aus diesem Topf, den der Bund über Schulden finanziert, erhält Berlin innerhalb von zwölf Jahren 5,25 Milliarden Euro. Das Gesetz ermöglicht zudem Bürgern oder Unternehmen, Bäume zu finanzieren - wie genau das organisiert werden soll, ist aber noch offen.

Was steht noch im Gesetz?

Neben neuen Bäumen als wichtigsten Punkt enthält das Gesetz weitere verbindliche Ziele. Dazu zählen die Kühlung von 170 „Hitzevierteln“ um zwei Grad durch mehr Grün und Entsiegelung und die Schaffung sogenannter „Kühlinseln“ - das sind Grünflächen, die für jeden fußläufig erreichbar sind. Geplant ist auch mehr Regenwassermanagement, um Trockenheit und Überflutung zu mindern. Senat und Bezirke müssen verbindliche Hitzeaktionspläne vorlegen, in denen geplante Maßnahmen konkret mit Budget und Ressourcen abgesichert sind. 

Welche Kontrollmechanismen sind vorgesehen? 

Ein unabhängiger wissenschaftlicher Beirat soll sie Umsetzung des Gesetzes überwachen und regelmäßig bewerten. Er erarbeitet dazu Gutachten, prüft, ob Ziele erfüllt und Maßnahmen wirksam sind, und gibt Empfehlungen für Verbesserungen. Seine Stellungnahmen gehen an den Senat und das Abgeordnetenhaus und werden veröffentlicht. Der Rat besteht aus fünf Experten verschiedener Fachrichtungen. Der Senat beruft sie für fünf Jahre; Umwelt- und Gesundheitsverbände werden dazu angehört.

Welche Bedeutung hat das Gesetz bundesweit?

Nach Einschätzung des Bündnisses „BaumEntscheid“ hat es „gewaltigen Vorbildcharakter“ für andere Länder und Kommunen. Vielfach würden dort zwar Konzepte und Pläne zur Klimaanpassung diskutiert, bisher aber kaum konkrete Maßnahmen durchkalkuliert und langfristig mit verbindlichen Vorgaben oder Ressourcen wie Geld und Personal untersetzt. „Der Ansatz wird bereits vom BaumEntscheid München aufgegriffen und dient anderen Städten als Blaupause für verbindliche, wissenschaftsbasierte Klimavorsorge“, sagt Mitinitiator Heinrich Strößenreuther. Das gelte auch international: „Urbane Zentren haben höchste Relevanz für Klimaanpassung, vernetzen sich verstärkt auf globaler Ebene. Auch hier kann Berlin nun wesentlich beitragen.“

Wer hat das Baumgesetz initiiert und vorangebracht?

Ein erster Gesetzentwurf wurde von der Bürgerinitiative „BaumEntscheid“ 2024 erarbeitet, die vom Aktivisten Strößenreuther und Génica Schäfgen gegründet wurde, der Geschäftsführerin der gemeinnützig arbeitenden Suchmaschine Ecosia. Ab Oktober 2024 sammelte das Bündnis etwa 33.000 Unterschriften, um ein Volksbegehren zu dem Gesetz zu beantragen. Am 16. Juni wertete die Innenverwaltung das Begehren als zulässig. Der Senat lehnte es am 1. Juli inhaltlich ab, vor allem aufgrund der damals in Rede stehenden Kosten. Die Koalitionsfraktionen CDU und SPD folgten dem allerdings nicht: Sie einigten sich mit der Initiative auf einen leicht geänderten Gesetzentwurf.

Kommt ein Volksentscheid? 

Laut Abstimmungsgesetz kommt es zu einem Volksbegehren, wenn das Abgeordnetenhaus den beantragten Inhalt - hier also einen Entwurf für ein Klimaanpassungsgesetz - nicht „in seinem wesentlichen Bestand“ übernimmt. Da das Parlament das Gesetz nun beschlossen hat, sind das Volksbegehren und ein womöglich darauffolgender Volksentscheid vom Tisch.  

Warum kam das Abgeordnetenhaus zu einer Sondersitzung zusammen? 

Die Sondersitzung war notwendig, weil eine gesetzliche Frist ablief, innerhalb derer sich das Parlament zum Gesetzentwurf der Baum-Initiative äußern musste. Die reguläre Sitzung am 6. November wäre dafür zu spät gewesen. Hintergrund: Nach seinem Votum gegen den Gesetzentwurf des Bündnisses leitete der Senat diesen an das Abgeordnetenhaus weiter, wo er am 3. Juli einging. Ab diesem Tag lief die viermonatige Frist.

Der Baumbestand in Berlin soll sich bis 2040 mehr als verdoppeln.   Elisa Schu/dpa

Der Baumbestand in Berlin soll sich bis 2040 mehr als verdoppeln. Elisa Schu/dpa

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