Wiederaufbau im Rekordtempo: A45-Lückenschluss im Sauerland
Vier Jahre Stau, Lärm und Frust an der Rahmedetalbrücke – doch bald rollt der Verkehr wieder über die A45 durchs Sauerland. Kann der schnelle Neubau der Brücke zum Musterbeispiel werden?
Überall Fahrzeuge und Arbeiter: Die Baufirmen haben die neue Brücke im Rekordtempo hochgezogen.Alex Talash/dpa
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Die Sperrung der einsturzgefährdeten Rahmedetalbrücke war vor vier Jahren ein riesiger Schock für das Sauerland - der Wiederaufbau könnte nun zum Musterbeispiel werden. Am Montag wird die in Rekordzeit errichtete neue Brücke an der A45 für den Verkehr freigegeben.
Auto- und Lastwagenfahrer kommen dann wieder schneller ans Ziel, Anwohner an den Umleitungsstrecken hoffen auf Ruhe in ihren Orten. Die regionale Wirtschaft bleibt trotzdem auf Milliardenkosten sitzen. Und anderswo bröckelt die Infrastruktur weiter.
Wer darf als erstes über die Brücke fahren?
Zur Freigabe-Zeremonie kommen viele Politiker, darunter Bundeskanzler Friedrich Merz und Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (beide CDU). Sie sind damit die ersten nach den Bauarbeitern, die über die rund 170 Millionen Euro teure Brücke fahren dürfen. Im Laufe des Montags soll die Strecke dann aber auch für den normalen Verkehr freigegeben werden.
Man sieht noch eine Lücke in der Brücke - ist sie wirklich fertig?
Bislang ist tatsächlich nur die erste Brückenhälfte fertig. Doch das reicht aus, um den Verkehr in beiden Richtungen auf verengten Fahrspuren über das Rahmedetal zu führen.
Auf dem Brückenteil, der jetzt schon fertig ist, wird später nur der Verkehr in Richtung Frankfurt Rollen. Für den Verkehr in Richtung Hagen wird nebenan weiter am zweiten Brückenteil gebaut.
Auf dem ersten Brückenteil rollt bald der Verkehr, daneben wird am zweiten Brückenteil weiter gearbeitet.Alex Talash/dpa
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Der Stahlbau ist auch dort fast fertig - es klafft aber in der Tat noch eine Lücke in der Mitte. In den kommenden Monaten soll diese Lücke geschlossen werden, anschließend wird die Fahrbahnplatte betoniert. Ende 2026 sollen alle Arbeiten abgeschlossen sein.
Was bedeutet die Freigabe für die Menschen in Lüdenscheid?
Die Menschen sind unglaublich erleichtert. Vier Jahre lang haben sich täglich 20.000 Autos und Lastwagen über kleine Umgehungsstraßen mitten durch Orte und Wohnsiedlungen gequält - Lärm, Abgase und Staus inklusive. Damit soll nun Schluss sein. Man freue sich auf eine Zukunft, „in der unsere Region wieder frei durchatmen kann“, sagt Bürgermeister Sebastian Wagemeyer (SPD).
Eine regelrechte Verkehrslawine quälte sich vier Jahre lang mitten durch Lüdenscheid. (Archivbild)Bernd Thissen/dpa
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Trotzdem werden die Folgen der Sperrung die Region noch eine ganze Zeit lang beschäftigen. Jahrelang sind jetzt schwere Lastwagen über Straßen gefahren, die für diese Belastung überhaupt nicht gedacht sind. Vielerorts müssen jetzt die Bagger anrollen und beschädigte Strecken repariert werden.
Wieso geht es bei Bauprojekten nicht überall so schnell?
Die Planungs- und Bauzeit von vier Jahren ist tatsächlich rekordverdächtig für Infrastrukturprojekte hierzulande. Entsprechend stolz ist die Politik. „Wir können Tempo in Deutschland“, sagt Bundesverkehrsminister Schnieder.
Fachleute nennen als Gründe dafür unter anderem, dass wegen des hohen öffentlichen Drucks alle politischen Entscheidungen sehr schnell getroffen wurden. Außerdem erhielten die beteiligten Baufirmen Bonus-Zahlungen für schnelles Bauen.
Weshalb ist die Rahmedetalbrücke überhaupt so wichtig?
Für den Verkehr ist die Brücke von großer Bedeutung, weil sie als einzige Nord-Süd-Achse das Sauerland mit dem Ruhrgebiet und Hessen verbindet. Die Sperrung hatte nach Angaben der Wirtschaftsverbände in der Region erhebliche Auswirkungen auf die Lieferketten, Unternehmen beklagten zweistellige Umsatzrückgänge. Das Institut der Deutschen Wirtschaft beziffert den Schaden für Betriebe in der Region auf rund 1,5 Milliarden Euro.
Hinzu kommt eine große politische Bedeutung: Dass die Brücke am 2. Dezember 2021 wegen Einsturzgefahr von jetzt auf gleich gesperrt werden musste, hat auch eine Diskussion über die politische Verantwortung losgetreten.
Nach der Sprengung im Mai 2023 lag die alte Fahrbahn auf dem Boden - 17.000 Tonnen Schutt mussten beiseite geräumt werden. (Archivbild)Markus Klümper/dpa
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Wie läuft die politische Aufarbeitung des Desasters?
Seit Mai 2023 arbeitet der Untersuchungsausschuss „Brückendesaster und Infrastrukturstau“ des Düsseldorfer Landtags. Er soll klären, warum der Neubau der Talbrücke Rahmede verschoben wurde, bis sie gesperrt werden musste - und wer dafür verantwortlich war, dass die Dimensionen der Schäden an der Brücke erst so spät erkannt wurden.
Erst vor einigen Tagen waren zwei prominente Zeugen geladen: Die früheren Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Volker Wissing (früher FDP). Zu welchem Ergebnis der Ausschuss kommen wird, ist noch offen.
Wie steht es um die anderen Brücken im Land?
Marode Brücken gibt es noch viele mehr im Land. Besonders im Fokus stehen in Nordrhein-Westfalen im Moment die Nordbahnbrücke an der A565 in Bonn und die Wiehltalbrücke auf der A4 zwischen Olpe und Köln.
Die Wiehltalbrücke bei Gummersbach ist das nächste Sorgenkind bei der Verkehrsinfrastruktur.Rolf Vennenbernd/dpa
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An der Wiehltalbrücke rollt der Verkehr seit knapp einem Jahr wegen „Defiziten in der Tragfähigkeit“ nur noch einspurig, was oft zu langen Staus führt. Für Lastwagen gibt es außerdem Gewichtsbeschränkungen. Auch eine komplette Sperrung ist laut der Autobahn-Gesellschaft des Bundes ausdrücklich „nicht ausgeschlossen“. Sollte es wirklich so weit kommen, wäre erneut die Region Südwestfalen stark betroffen.