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Warum wird auf Borkum Klaasohm gefeiert?

Jedes Jahr wird auf der Insel Borkum ein wildes Fest gefeiert: Beim Klaasohm-Brauch ziehen verkleidete junge Männer durch den Ort. Was hat es mit dem Brauch auf sich?

Von dpa

05.12.2025

Es ist ein Brauch, bei dem junge Männer im Mittelpunkt stehen - die Ursprünge des Klaasohm-Festes liegen im Dunkeln. (Archivbild)Lars Penning/dpa

Es ist ein Brauch, bei dem junge Männer im Mittelpunkt stehen - die Ursprünge des Klaasohm-Festes liegen im Dunkeln. (Archivbild)Lars Penning/dpa

© Lars Penning/dpa

Seit Generationen verkleiden sich auf Borkum am Abend vor Nikolaus mehrere junge, unverheiratete Männer mit Masken, Schafsfellen und Vogelfedern als sogenannte Klaasohms. Im vergangenen Jahr wurde ein Teil des Brauchs, bei dem Frauen mit einem Kuhhorn auf den Hintern gehauen werden, verboten. Es hatte nach Berichten darüber Kritik aus ganz Deutschland gegeben. Aber an dem Fest selbst wollen die Borkumer festhalten.

Was ist überhaupt der Hintergrund für den Klaasohm-Brauch?  

Um es vorwegzunehmen: Die Ursprünge dieses archaisch wirkenden Brauchs sind nicht bekannt. Auffallend sind aber die Bezüge zum Fest des heiligen Nikolaus am 6. Dezember. Da Nikolaus der Schutzpatron der Seefahrer war, hält Welf-Gerrit Otto, Leiter der Regionalen Kulturagentur bei der Ostfriesischen Landschaft, einen Zusammenhang für möglich. Auch auf der ostfriesischen Insel Juist werde das Nikolausfest gefeiert, dort unter Einbeziehung der Kinder. Dass sich im evangelischen Ostfriesland dieses ursprünglich katholische Nikolausfest erhalten habe, erkläre er sich mit dem Bezug zur Seefahrt, sagt Otto.

Wie sieht der Klaasohm-Brauch denn eigentlich aus?

Am Abend vor dem 6. Dezember verkleiden sich sieben junge, unverheiratete Männer, die Mitglieder im Verein „Borkumer Jungens e.V. von 1830“ sind, mit Schafsfellmasken und einer Art zylindrischem Hut mit Möwenflügeln. Einer verkleidet sich als Frau, als das sogenannte Wievke. Es gibt je zwei kleine („lüttje“) Klaasohms im Alter von 14 bis 15 Jahren, mittlere („middelste“) im Alter von 16 bis 17 Jahren und große („grote“) Klaasohms ab 18 Jahren. Alle sind mit Kuhhörnern unterwegs.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird dann ein ritueller Kampf aufgeführt, zu dem ausschließlich Männer Zutritt haben. Fotografieren ist streng verboten. Im Anschluss ziehen die Männer auf festgelegten Routen über die Insel. Junge Frauen werden gefangen - und wurden offenbar bis vor zwei Jahren mit dem Kuhhorn verhauen. Auf dem zentralen Platz von Borkum endet das Klaasohm-Fest, wenn sich alle Klaasohms und das Wievke von der dort stehenden Litfaßsäule der Reihe nach in die Arme der jubelnden Menschenmenge fallen lassen.

Warum weiß man außerhalb der Insel so wenig über dieses Fest?

Der Brauch findet zu einer Zeit statt, in der kaum Touristen auf der Insel sind - die Inselbewohner sind also unter sich. Das Fest wird unter Borkumern auch als der „hoogste Fierdag“ - also der höchste Feiertag - bezeichnet. Laut Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos) stehe seit jeher der gemeinschaftliche Gedanke im Vordergrund. Die Ferieninsel vermarktet das Fest bewusst nicht. 

Welche anderen Bräuche gibt es, bei denen Frauen bestraft werden?

Es existieren auch andere sogenannte Rügebrauchtümer, bei denen Frauen bestraft werden, weil sie bestimmte Rollenerwartungen nicht erfüllen. Etwa die Sitte, einer unverheirateten Frau zum 25. Geburtstag einen Kranz aus alten Schachteln vor ihrem Haus auszulegen. Oder dass die noch ledigen Frauen zu ihrem 30. Geburtstag viele Klinken putzen müssen, auf die Schuhcreme, Brotaufstrich oder Zahnpasta geschmiert wurde. 

Die Kulturwissenschaftlerin Malaika Winzheim beschäftigte sich vor einigen Jahren mit diesen Bräuchen im Oldenburger Münsterland. „Wenn man nicht in der Bubble drin ist, wo diese Bräuche stattfinden, wirkt das von außen betrachtet natürlich merkwürdig“, sagt sie. Interessanterweise würden das die Teilnehmerinnen selbst ganz anders wahrnehmen. Eine Frau habe ihr erzählt, dass sie extra mit ihrer Hochzeit gewartet habe, um noch einen Schachtelkranz zu bekommen. Es sei ein als schön empfundenes Gemeinschaftsgefühl.

Ist das nicht diskriminierend?

Eigentlich schon, nicht zuletzt deshalb, weil hier Frauen, die althergebrachten Rollenerwartungen nicht entsprechen, bestraft werden. Aber inzwischen gehe es nicht mehr um Rollenbilder, die ohnehin veraltet seien, und nicht um eine ernst gemeinte Bestrafung, sagt Winzheim. „Heute steht eher der Spaßfaktor im Vordergrund.“ Ob Schachtelkranz, das Klinkenputzen, oder das Fegen der Rathaustreppe, das unverheirateten Männern beim 30. Geburtstag blüht, bis eben zum Klaasohm-Fest - hätten einen „Eventcharakter“, sagt Winzheim. „Man kommt zusammen und feiert zusammen ein besonderes Fest“, erklärt die Wissenschaftlerin.

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