„Dienen politische und finanzielle Komplexität nur als Vorwand?“
Leserbrief zu den Grundsteuern in Borken.

© Lilly Schmidt
Leserbrief
In Borken soll der Hebesatz für Wohngrundstücke gegenüber dem für Nichtwohngrundstücke (592 Prozent zu 860 Prozent) niedriger angesetzt werden, doch die tatsächliche Steuerlast ist durch die höheren Messbeträge der Wohngrundstücke immer noch überproportional hoch. Während die Messbeträge für Wohngrundstücke nur um 6,2 Prozent gesenkt werden, profitieren Nichtwohngrundstücke von einer drastischen Reduzierung um 38,5 Prozent. Diese erhebliche Absenkung führt dazu, dass die Steuerlast für Nichtwohngrundstücke selbst mit einem höheren Hebesatz nicht steigt.
Im Gegenteil. Die differenzierte Besteuerung trägt also nicht zu einer ausgewogenen Lastenverteilung bei, sondern verdeckt die ungleiche Behandlung: Der größere Teil der Steuerlast bleibt bei privaten Eigentümern von Wohngrundstücken. Ein Hebesatz von 565 Prozent wäre für Bürger insgesamt eine aufkommensneutrale Lösung. Die Steuerreform bringt ein Thema zur Sprache, das über Finanzen weit hinausgeht: die Frage nach sozialer Gerechtigkeit. Der Philosoph John Rawls könnte hier Orientierung bieten mit seinem Prinzip: „Gerechtigkeit ist die erste Tugend sozialer Institutionen.“
Letztlich stellt sich die Frage, ob die politische und finanzielle Komplexität als Vorwand dient, um eine gerechte Verteilung zu verhindern – oder ob die Verantwortlichen wirklich versuchen, eine faire Balance zu finden.
Die Reform, die im öffentlichen Diskurs als „aufkommensneutral“ präsentiert wird, darf nicht die soziale Verantwortung der Kommunen verschleiern. Im Sinne Rawls‘ sollten wir eine Reform erwarten, die besonders jenen gerecht wird, die mit den geringsten Mitteln dennoch zur sozialen Gerechtigkeit beitragen.
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