Weniger Kita-Kinder, aber mehr Personal
Erstmals seit fast 20 Jahren werden weniger Kinder in Kitas betreut, während die Personalzahl zunimmt. Doch die Realität ist komplexer. Mancherorts droht ein Kita-Sterben – anderswo klagen Eltern.
 
          Wegen sinkender Geburtenzahlen geht die Zahl der Kita-Kinder zurück. (Symbolbild)Friso Gentsch/dpa
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Nach 78 Jahren Kinderbetreuung ist Schluss: Die Dresdner Kita „Villa Mittendrin“ musste Ende August endgültig dichtmachen. „Der Bedarf an Kindertagesbetreuungsplätzen an diesem Standort hat in den vergangenen Jahren rasant abgenommen“, hatte die sächsische Landeshauptstadt bei Facebook mitgeteilt. Die historische Altbauvilla werde nicht mehr als Kita benötigt.
Zum ersten Mal seit fast 20 Jahren ist die Zahl der betreuten Kita-Kinder in Deutschland gesunken, wie aus neuen Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht: Am Stichtag 1. März 2025 waren mehr als vier Millionen Kinder in Kindertagesbetreuung und somit 0,8 Prozent weniger als im Vorjahr. „Damit war die Gesamtzahl der betreuten Kinder erstmals seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2006 rückläufig“, teilten die Statistiker mit.
Auch die Zahl der Kinder unter drei Jahren, die in Kitas oder von Tageseltern betreut werden, sank zum Stichtag bundesweit auf insgesamt 801.300 Kinder. Das war ein Rückgang um 5,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie aus den Daten hervorgeht. Damit nahm die Zahl der unter Dreijährigen in Betreuung im zweiten Jahr in Folge ab.
Gegenläufige Entwicklung beim Kita-Personal
Während die Zahl der betreuten Kinder in Deutschland sinkt und die Zahl der Kitas relativ stabil ist, gab es aber mehr Personal als im Vorjahr. Die Statistiker zählten zum Stichtag 795.700 Mitarbeiter in Pädagogik oder Verwaltung, ein Anstieg von 2,2 Prozent. „Damit wuchs die Zahl der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen weiter, obwohl die Zahl der betreuten Kinder zurückging“, hieß es.
 
                Die Zahl der Beschäftigten in den Kitas nimmt zu, obwohl die Zahl der betreuten Kinder sinkt. (Symbolbild)Jens Büttner/dpa
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Im Gegensatz zum Kita-Personal sank die Zahl der Tagesmütter und -väter im fünften Jahr in Folge auf 37.400, ein Rückgang von 5,9 Prozent. Von den insgesamt betreuten Kindern wurden 96,4 Prozent in einer Kindertageseinrichtung betreut und 3,6 Prozent von Tageseltern.
Ost-West-Unterschied bleibt
Rund 500 Kilometer von Dresden entfernt kämpft man mit ganz anderen Problemen: Um in Stuttgart an einen Kitaplatz für ihre Kinder zu kommen, reichen immer mehr Eltern Klage beim Verwaltungsgericht in der baden-württembergischen Landeshauptstadt ein. In vielen Regionen im Westen sieht es ähnlich aus, Hunderttausende Kitaplätze fehlen laut Fachleuten.
Dass es zwischen Ost und West – aber auch regional – große Unterschiede beim Thema Kinderbetreuung gibt, bestätigen auch die Zahlen des Bundesamtes. Zum Stichtag wurde in westlichen Bundesländern im Schnitt rund ein Drittel der unter Dreijährigen in einer Kita oder von Tageseltern betreut (Betreuungsquote 34,5 Prozent). In den östlichen Bundesländern war es mehr als die Hälfte der unter Dreijährigen (Betreuungsquote 54,9 Prozent). Bundesweit lag die Quote bei 37,8 Prozent.
„In Deutschlands Kitas zeigen sich gravierende Unterschiede zwischen Ost und West“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doreen Siebernik, auf Anfrage. „Während im Westen Fachkräfte fehlen, ist die Lage im Osten angespannt – erste Gruppenschließungen und Kita-Schließungen führen zu Entlassungen und Einkommensverlusten.“
Warum sinkt die Zahl der betreuten Kinder?
„Der starke Rückgang im Osten war zu erwarten, da seit dem Jahr 2016 die Kinderzahlen regelrecht eingebrochen sind und wir gleichzeitig bereits seit längerem eine gut ausgebaute Betreuungsinfrastruktur hatten“, sagt Wido Geis-Thöne vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Im Westen ist die Lage anders. Hier hatten wir im Jahr 2021 erst den Höchstwert bei den Kinderzahlen erreicht, sodass der Rückgang später eingesetzt hat.“
Allerdings gebe es in Westdeutschland noch große Lücken zwischen der eigentlich von den Eltern gewünschten und tatsächlich realisierten Betreuung unter Dreijähriger, heißt es in einer im Frühjahr veröffentlichen IW-Analyse von Geis-Thöne. Die Elternwünsche nähmen außerdem noch weiter zu.
 
                Besonders in östlichen Bundesländern fehlen den Kitas Kinder. (Symbolbild)Jens Büttner/dpa
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Wegen Abwanderungsbewegungen in ländliche Gebiete mit „familiengerechtem
Wohnraum“ sieht die Studie im Westen am ehesten in den Großstädten ein Ende der bisherigen Kitaplatz-Krise. In den östlichen Bundesländern sei ein Rückbau der Kapazitäten in den Kitas dagegen nahezu unumgänglich.  
Sinkende Kinderzahlen als Chance?
Die GEW sieht in den sinkenden Kinderzahlen eine große Chance, längst überfällige Qualitätsverbesserungen endlich umzusetzen. „Jetzt braucht es ein bundesweites Kita-Qualitätsgesetz, das gute Bedingungen für Kinder, Familien und Fachkräfte schafft“, sagte GEW-Vorstand Siebernik. Auch die IW-Studie plädiert dafür, Personal nicht abzubauen, sondern für eine bessere Betreuungsrelation einzusetzen – also weniger Kinder pro Erzieher oder Erzieherin.
 
  
   
                   
             
            