Panorama

Schwimmstunde mit Walhai: Visite beim größten Fisch der Welt

Walhaien begegnen – das ist nur an wenigen Orten der Welt möglich. Das Ningaloo-Riff in Westaustralien zählt dazu. Spuren von Haien finden sich bei einer Wanderung durch eine bizarre Canyon-Welt.

Von Stefan Weißenborn, dpa

19.11.2025

Der Walhai ist da: Auf organisierten Schnorcheltrips sieht man die Tiere mit hoher Wahrscheinlichkeit.Exmouth Dive and Whalesharks Ningaloo/dpa-tmn

Der Walhai ist da: Auf organisierten Schnorcheltrips sieht man die Tiere mit hoher Wahrscheinlichkeit.Exmouth Dive and Whalesharks Ningaloo/dpa-tmn

© Exmouth Dive and Whalesharks Ningaloo/dpa-tmn

Eines der beeindruckendsten Naturerlebnisse beginnt mit einem Befehl: „Los, los, los - ins Wasser“, schreit Guide Georgia Clements ihren Gästen entgegen. Alles war soweit relaxed, jetzt aber gilt es, auf dem Ausflugsboot keine Zeit zu verlieren.

Wie die Lemminge schieben sich die Gäste auf dem Po zum Heck des Bootes. Plumps, plumps, plumps, verschwindet einer nach dem anderen im Wasser. „Jetzt die Linien bilden!“, ruft Georgia. Wie an Perlenschnüren aufgereiht und vorab genau instruiert, halten die Touristen in zwei Reihen mit Taucherflossen paddelnd Position. Was sie sehen wollen: den größten Fisch der Welt, den Walhai.

Die Walhai-Saison startet im Frühjahr

Doch außer dem Blau des Indischen Ozeans hier, ein paar hundert Meter vor der Küste Westaustraliens, sehen sie erst mal nicht viel. Sonnenstrahlen, die an der Wasseroberfläche umgelenkt den Weg in die Tiefe suchen, brechen jäh. Es glitzern Partikel.

Wegen kleiner Teilchen wie dieser kommen im Frühjahr Walhaie zu Hunderten in die Gewässer am North West Cape, über 1.000 Kilometer nördlich von Perth. Dann ist der Tisch für sie reich gedeckt.

Das größte Saumriff der Welt: Das Ningaloo Reef liegt direkt vor der westaustralischen Küste. Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Das größte Saumriff der Welt: Das Ningaloo Reef liegt direkt vor der westaustralischen Küste. Stefan Weißenborn/dpa-tmn

© Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Und das kommt so: Im März und April kommt es zum Massenlaichen der Korallen des Ningaloo-Riffs, dem größten Saumriff der Erde. Millionenfach entlassen die Nesseltiere Eier und Spermien ins Wasser, ein Festschmaus für Krill. Diese Krebstiere zählen zum mikroskopisch kleinen Plankton, bilden aber riesige Schwärme. 

Für die Walhaie sind sie eine Leibspeise und der Grund, aus dem sie das knapp 300 Kilometer lange Riff ansteuern. Bis zu 600 dieser Fischgiganten kommen, bis August bleiben sie. Die Begegnungen mit Rhincodon typus sind also planbar.

Der tragische Kipppunkt der Korallen 

Dass das Schwimmen und Schnorcheln mit Haien hier zu den normalsten Dingen der Welt gehört, zeigt beispielhaft ein Besuch des „Sal Salis“. Die Zelte des Camps verteilen sich in den Dünen des Cape-Range-Nationalparks, der mit dem Ningaloo Marine Park das Ningaloo-Coast-Unesco-Welterbe bildet. Der Ozean ist einen Steinwurf entfernt.

Strandnah: Die Zelte des Camps „Sal Salis“ liegen in den Küstendünen des Cape Range National Park, eine knappe Autostunde von Exmouth entfernt.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Strandnah: Die Zelte des Camps „Sal Salis“ liegen in den Küstendünen des Cape Range National Park, eine knappe Autostunde von Exmouth entfernt.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

© Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Das Personal erklärt den Inhalt eines Schuppens neben der Frühstücksterrasse mit Meerblick: „Dort finden Sie Masken, Flossen, Schwimmanzüge und Sonnenschutz.“ Das Meeresleben, das den Gast erwarte, sei überbordend. Dass Riffhaie dazu zählen, davon kein Wort.

Der sandige Weg zum Strand ist mit Korallen gesäumt, als hätten Fluten vergangener Zeiten Vorboten ausgeschickt für das, was es nach nur wenigen Schwimmbewegungen zu erleben gibt. Anders als das berühmte Great Barrier Reef liegt das Ningaloo-Riff direkt vor der Küste. „Du gehst ins Wasser und bist in einem Aquarium“, sagt ein Camp-Gast. Und schon ist man unter Massen bunter Fische, mal geigengroß, mal fingernagelklein. 

Weißer Sand, türkisfarbenes Meer: An der Ningaloo Coast reiht sich ein Traumstrand an den nächsten.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Weißer Sand, türkisfarbenes Meer: An der Ningaloo Coast reiht sich ein Traumstrand an den nächsten.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

© Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Dann der erste Hai. Ein Schwarzspitzen-Riffhai, vielleicht zwei Meter lang. In drei Metern Entfernung schwimmt er vorbei und schenkt dem Schnorchler keine sichtbare Beachtung. In der Strömung kann man sich über den Korallengarten treiben lassen, sieht Wasserschildkröten im Format von Wohnzimmertischen. Auch Hammerhaie und Tigerhaie sind unter den insgesamt über 500 Fischarten, die es im Riff gibt. Manchmal tauchen sogar Dugongs auf, seltene Seekühe.

Wandern auf einem ehemaligen Riff

Ab Juli suchen auch Buckelwale auf ihrem Zug durch den Ozean den Ningaloo Marine Park auf. Das Kap war in Urzeiten ein Korallenriff. Vor rund 9 bis 12 Millionen Jahren erhob es sich aus dem Meer und bildet heute eine Berglandschaft mit tiefen Canyons im Kalkstein. 

In dieser Welt der roten Felswände ist regelmäßig Guide Ian Vickers unterwegs. Auch an diesem Morgen hat er sich noch im Dunkeln auf den Weg gemacht. „Eine Nachtschwalbe!“ Vickers schaut unvermittelt nach oben, wo im Schein seiner Stirnlampe die Augen des Vogels aufblitzen. Dann geht die Sonne auf. Schemenhaft werden Hänge und Täler sichtbar, Konturen schälen sich heraus: die mäandernden Flanken des Charles Knife Canyons, das sie überwuchernde Spinifex-Süßgras und: ein silbrig schimmerndes Meer.

Zu Buckelwal-Saison sitzt Vickers hier oben in 300 Metern Höhe und legt das Fernglas Richtung Golf von Exmouth an. „Da unten schwimmen sie dann.“ Bei einer seiner Wanderungen hat der Guide einen versteinerten Zahn eines Ur-Hais gefunden. Der Megalodon wurde bis zu 24 Meter lang und kreuzte vor Jahrmillionen im Ur-Ozean Tethys. „Du denkst, du hast alles gesehen, aber dann erlebst du etwas, das dich schon wieder baff macht“, sagt Vickers. Dazu zählen für ihn auch die Muschelfossilien, die man auf von ihm geführten Wanderungen regelmäßig findet.

Besonders zum Sonnenaufgang verspricht eine Wanderung auf die Flanken des Charles Knife Canyon spektakuläre Aussichten.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Besonders zum Sonnenaufgang verspricht eine Wanderung auf die Flanken des Charles Knife Canyon spektakuläre Aussichten.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

© Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Die Ausmaße eines Megalodon haben Walhaie nicht ganz, aber fast: Bis zu 20 Meter lang können sie werden und wiegen dann mit über 30 Tonnen so viel wie zwei Reisebusse. Ihre über 3000 Zähne sind millimeterklein, weshalb sich Walhaie darauf beschränken, mit ihrem Kiemensieb wie ein Staubsauger Plankton, Laich und kleine Krebse aus dem Wasser zu filtern.

Strikte Regeln für gegenseitigen Schutz

Um Beobachter und Beobachtete zu schützen, gelten am Ningaloo-Riff strikte Regeln, daher der raue Ton der Guides. Nur zehn Personen dürfen sich gleichzeitig mit einem Hai aufhalten, auf jeder Seite fünf. Auf drei Meter, nicht näher, darf man dem Hai kommen.

14 Boote haben am Riff eine Lizenz, Touristen zu den Fischriesen zu bringen, mindestens 30 Meter müssen jene stets voneinander entfernt bleiben. In der Luft patrouillieren Kleinflugzeuge, um die Haie zu orten, über Funk geben sie den Booten Positionen durch. Es ist ein ausgeklügeltes System, den Walhai und den lukrativen Tourismus drumherum in Einklang zu bringen.

Mit einem Boot werden die Tourteilnehmer zum Exkursionsschiff gebracht.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Mit einem Boot werden die Tourteilnehmer zum Exkursionsschiff gebracht.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

© Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Das Ningaloo-Riff sei der weltweit vielleicht beste Ort dafür, sagt Skipper Asa Croak, der betont, dass ein Teil der Erlöse der Walhai-Touren an die Nationalparkverwaltung gingen.

Einem der gemusterten Riesenfische zu begegnen sei eine „Once-in-a-lifetime-Erfahrung“, sagt Miecha Bradshaw, eine Meeresbiologin, die privat an Bord ist. Und wer weiß, wie lange das Shark-Watching überhaupt noch möglich ist. Denn auch das Ningaloo-Riff wird aufgrund der Erderwärmung von Korallenbleiche heimgesucht. 2025 war es besonders schlimm. „Die Korallen haben keine Zeit, sich zu erholen“, sagt Bradshaw.

Das Erlebnis

Noch ist alles nur blau vor den Masken der Haitrip-Teilnehmer. Doch dann ein Muster, etwas Gesprenkeltes. Der Hai ist da: Doppelt so lang wie ein Auto gleitet er dicht unter der Wasseroberfläche herbei. „Jetzt mitschwimmen“, schallt Georgias Stimme.

Beim Tauchen ist die Begegnung mit einem Walhai ein Zufallsspiel, beim organisierten Schnorcheln gut planbar.Exmouth Dive and Whalesharks Ningaloo/dpa-tmn

Beim Tauchen ist die Begegnung mit einem Walhai ein Zufallsspiel, beim organisierten Schnorcheln gut planbar.Exmouth Dive and Whalesharks Ningaloo/dpa-tmn

© Exmouth Dive and Whalesharks Ningaloo/dpa-tmn

Glasklar und wie gemalt hat man braun-bläulich das Hautmuster aus Punkten und Strichen vor sich - sofern man mit dem Hai paddelnd mithält. Wer Glück hat, kann dem Tier in die Augen schauen, beobachten, wie er das Maul öffnet und schließt, wie kleinere Fische sich symbiotisch an ihn heften.

„Jetzt stopp!“, befiehlt Georgia, und man muss den Fisch nach wenigen, aber zeitlosen Minuten ziehen lassen. So sind die Regeln.

Zurück an Bord ist die Begeisterung groß. Kevin Lamon, der in fünf Tagen mit dem Auto aus Adelaide angereist ist, um das zu erleben, was ihm gerade widerfahren ist, beschreibt es mit einem einzigen Wort: „unwirklich!“

Links, Tipps, Praktisches: 

Reiseziel: Exmouth, Ausgangsbasis für Touren zu den Walhaien, liegt auf der Halbinsel North West Cape, gut 1.100 Kilometer nördlich von Perth, der Hauptstadt Westaustraliens. Im Westen des Kaps liegt der Cape Range National Park, vor der Küste, Coral Coast genannt, das Ningaloo-Riff

Beste Reisezeit: Die Walhai-Saison ist zwischen März und Juli; Buckwale passieren die Gegend zwischen Juli und Oktober.

Anreise: Qantas fliegt Perth von London und saisonal auch von Rom aus nonstop an, der Flug dauert zwischen 15,5 und 17,5 Stunden. Andere Airlines bieten Umsteigeverbindungen an. Ab Perth bedient Qantas den Flughafen Learmonth, von dort geht es mit dem Mietwagen in einer halben Stunde weiter nach Exmouth. Die Strecke von Perth nach Exmouth bietet sich auch für einen mehrtägigen Roadtrip entlang der Küste an.

Einreise: Benötigt werden ein mindestens über die Dauer der Reise gültiger Reisepass sowie ein „eVisitor„-Visum, das kostenlos online beantragt werden kann.

Unterkunft: Schnorchel- und Tauchtrips starten in der Regel in Exmouth, wo unter einigen anderen Hotels etwa das „Osprey Holiday Village“ Unterkünfte für Selbstversorger und mehrere Personen bietet. In den Dünen an der Küste liegt das Glamping-Camp „Sal Salis“. Für den Zwischenstopp in Perth kommt man etwa im „Alex“-Boutique-Hotel im Ausgehviertel Northbridge (kostenlose Leihräder) unter. Nah am Kings Park, einer der größten Stadtparks der Welt, befindet sich in ruhigerer Lage am Stadtrand das „Tribe Perth“. 

Gesundheitshinweise: Für die direkte Einreise aus Deutschland sind laut Auswärtigem Amt keine Pflichtimpfungen vorgeschrieben.

Touren/Aktivitäten: Schwimmen mit Walhaien haben etwa die Anbieter Exmouth Dive & Whalesharks Ningaloo und Dive Ningaloo im Programm. Wanderungen im Nationalpark, auch mehrtägige mit Zelten, organisiert etwa der Trek Ningaloo. Rundflüge über die Halbinsel bietet Ningaloo Aviation an; während der Morgenflüge gibt es Chancen, Walhaie auch aus der Luft zu sehen.

Essen/Gastronomie: Exmouth ist bekannt für seine Garnelen aus Wildfang im Golf von Exmouth. Saison ist von Mai bis November, viele Restaurants haben sie auf der Karte. 

Währung: Zahlungsmittel ist der Australische Dollar, der 56 Euro-Cent wert ist (Stand: 5.11.2025)

Weitere Auskünfte: westernaustralia.com

Immer die Augen auf: Anhand eines Stofftier-Walhais erläutert Georgia Clements die Verhaltensregeln beim Tauchen mit Walhaien.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Immer die Augen auf: Anhand eines Stofftier-Walhais erläutert Georgia Clements die Verhaltensregeln beim Tauchen mit Walhaien.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

© Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Spektakel zarter Farben: Strand an der Ningaloo Coast in der Abendstimmung.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Spektakel zarter Farben: Strand an der Ningaloo Coast in der Abendstimmung.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

© Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Wander-Guide Ian Vickers führt durch die von Spinifex-Süßgras gesprenkelte Canyon-Landschaft im Nationalpark.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Wander-Guide Ian Vickers führt durch die von Spinifex-Süßgras gesprenkelte Canyon-Landschaft im Nationalpark.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

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Vickers beobachtet nicht nur gern Buckelwale, er erläutert auf seinen Touren auch die Pflanzenwelt. Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Vickers beobachtet nicht nur gern Buckelwale, er erläutert auf seinen Touren auch die Pflanzenwelt. Stefan Weißenborn/dpa-tmn

© Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Tiefster Einschnitt im Cape Range National Park: der Charles Knife Canyon.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Tiefster Einschnitt im Cape Range National Park: der Charles Knife Canyon.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

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Wer in der Canyon-Landschaft des Nationalparks wandert, ist auf einem einstigen Riff unterwegs.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Wer in der Canyon-Landschaft des Nationalparks wandert, ist auf einem einstigen Riff unterwegs.Stefan Weißenborn/dpa-tmn

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Exmouth ist die Ausgangsbasis für Touren zu den Walhaien und liegt auf der Halbinsel North West Cape. Im Westen des Kaps befindet sich der Cape Range National Park mit dem Ningaloo-Riff vor seiner Küste.dpa-infografik/dpa-tmn

Exmouth ist die Ausgangsbasis für Touren zu den Walhaien und liegt auf der Halbinsel North West Cape. Im Westen des Kaps befindet sich der Cape Range National Park mit dem Ningaloo-Riff vor seiner Küste.dpa-infografik/dpa-tmn

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