Lehrer mit wöchentlich 2,5 Überstunden während Schulzeit
In Unterrichtswochen arbeiten Sachsens Lehrer deutlich länger, als sie müssten. Besonders groß ist die Belastung bei Teilzeitkräften.

Die Mehrarbeit, die Lehrer während Unterrichtswochen leisten, wird laut der Studie in den Ferien ausgeglichen. (Symbolbild)Julian Stratenschulte/dpa
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Sachsens Lehrer leisten in der Schulzeit durchschnittlich 2,5 Überstunden pro Woche. Das ist das Ergebnis der Arbeitszeituntersuchung, die das Kultusministerium im Schuljahr 2024/2025 durchführen ließ. Die Überstunden in Unterrichtswochen werden demnach in den Ferien ausgeglichen.
Im Mittel arbeiten Vollzeitkräfte wie vorgesehen acht Stunden pro Arbeitstag. Das von den Forschern errechnete Durchschnitts-Soll von 33,3 Stunden pro Woche (inklusive Urlaubs- und Feiertagen) wird um 0,6 Prozent oder knapp eine Viertelstunde unterschritten.
Teilzeitkräfte arbeiten deutlich mehr
Bei Teilzeitkräften ergibt sich ein anderes Bild. In Schulwochen häufen sie fast vier Überstunden an. Mit dem Ausgleich in den Ferien ergeben sich 5,8 Prozent oder knapp anderthalb Stunden Mehrarbeit pro Woche. Schulleitungen liegen mit gut 2,5 Stunden ebenfalls deutlich über dem Soll.
Clemens kündigt freiwilliges Arbeitskonto an
Als erste Reaktion auf die Studienergebnisse kündigte Kultusminister Conrad Clemens bei der Vorstellung ein freiwilliges Arbeitszeitkonto an. Dabei sollen Lehrer drei Jahre lang freiwillig ein oder zwei zusätzliche Unterrichtsstunden pro Woche übernehmen. Nach einem Jahr Pause wird die Mehrarbeit innerhalb weiterer drei Jahre abgebaut.
„Auch mit Blick auf die volle Auslastung unserer Lehrkräfte ist die verpflichtende Vorgriffstunde für Sachsen erst mal vom Tisch“, sagte Clemens. Mit einer solchen Regelung war das Land Sachsen-Anhalt zuletzt vor Gericht gescheitert. Dort sollten Lehrer unabhängig von einer Teilzeitbeschäftigung zu einer zusätzlichen Unterrichtsstunde verpflichtet werden.
Untersuchung mit rund 4.000 Teilnehmern
Die Untersuchung führte das Prognos-Institut im Auftrag des Kultusministeriums aus. An der repräsentativen Studie beteiligten sich 3.772 Lehrkräfte und 386 Schulleitungen. Das entspricht einem Anteil von 14 Prozent an allen Lehrkräften und 19 Prozent an allen Schulleitungen in Sachsen. Sie dokumentierten im gesamten Schuljahr 2024/2025 ihre Arbeitszeit.
Zu verschiedenen Zeitpunkten befragten die Forscher sie zudem zu ihrem Belastungsempfinden. Die Auswahl erfolgte durch eine Zufallsstichprobe. Die Teilnahme war für die Ausgewählten verpflichtend.
Große Bandbreite bei Arbeitszeit
Die Arbeitszeit ist unter den Lehrkräften den Ergebnissen zufolge nicht gleichmäßig verteilt. „Die Bandbreite ist unglaublich groß“, sagte Kristina Stegner von Prognos bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse. Etwa die Hälfte der Vollzeitkräfte liegt über der vorgesehenen Arbeitszeit, die andere Hälfte darunter, bei Teilzeitkräften liegen 60 Prozent darüber. In Ausnahmefällen leisten die Lehrkräfte im Jahresschnitt 15 Überstunden beziehungsweise 15 Stunden weniger pro Woche.
Gymnasiallehrer mit höherer Belastung
Als Faktor für die Arbeitsbelastung machten die Forscher auch die Schulart aus. Besonders Gymnasiallehrer überschreiten ihr wöchentliches Soll (plus 0,6 Stunden bei Vollzeit und plus 2,6 Stunden bei Teilzeit). Ein weiteres Studienergebnis: Wer Deutsch oder MINT-Fächer unterrichtet, arbeitet mehr. Auch Klassenleitung lässt die Arbeitszeit anwachsen. Das Berufsalter macht hingegen kaum einen Unterschied.
Nur zu etwa einem Drittel verbringen Lehrer ihre Arbeitszeit mit dem Unterrichten - statt wie vorgesehen zur Hälfte. 25 Prozent machen Vor- und Nachbereitung aus, der Rest verteilt sich auf Korrektur, Organisation und Zusammenarbeit sowie Unterstützung und Begleitung.
GEW und SLV fordern Ende für Maßnahmenpaket
Als Konsequenz der Studienergebnisse fordern die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Sächsische Lehrerverband (SLV), das Ende Mai vorgestellte Maßnahmenpaket des Kultusministeriums zurückzunehmen. „Mit den Maßnahmen wurden eine Reihe von Anrechnungsstunden gekürzt, beispielsweise für Lehrkräfte in der Oberstufe. Die Studie wiederum verdeutlicht, dass es mehr statt weniger Anrechnungsstunden bedarf“, sagte Burkhard Naumann, Vorsitzender der GEW Sachsen laut einer Mitteilung.
Entlastung durch mehr Assistenzstellen
GEW und SLV machten auf die Belastung von Teilzeitlehrkräften und Schulleitungen aufmerksam. Zur Entlastung forderten sie mehr Schulassistenz. Dieser Forderung schlossen sich Grüne und Linke an. „Auch die Idee doppelter Schulleitungen für verschiedene Aufgabenbereiche halten wir für eine Möglichkeit“, sagte Christin Melcher, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen.
Der Kultusminister müsse dringend seine Maßnahmen korrigieren, damit Lehrkräfte nicht mehr zur Selbstausbeutung gezwungen würden, sagte Luise Neuhaus-Wartenberg, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Für eine Prüfung des Maßnahmenpakets setzte sich auch Gerald Eisenblätter, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion ein.