Diebstahl und Sachschäden: Wenn Kirchen zu Tatorten werden
Von eingeschlagenen Scheiben bis zu Brandstiftung – auch in Baden-Württemberg werden Kirchen zu Tatorten. Die Zahl der Fälle sinkt, doch die Schäden bleiben hoch. Wie Gemeinden sich schützen.
Einbrüche in Kirchen hinterlassen nicht nur materielle Spuren in den baden-württembergischen Gemeinden. (Archivbild)Bernd Weißbrod/dpa
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Kirchen gelten vielen als Zufluchtsorte. Als Orte der Stille, der Andacht, des Gedenkens. Doch immer wieder werden sie auch zu Tatorten: Türen werden aufgehebelt, Scheiben eingeschlagen, Opferstöcke geleert, Gebetbücher zerfetzt. Einige deutsche Kirchen berichteten sogar von Fäkalien, die in Beichtstühlen entdeckt wurden. Neue Zahlen aus Baden-Württemberg zeigen, dass 2024 in Hunderten von Fällen in Kirchen und Kapellen eingebrochen und zerstört wurde – zwar gab es weniger Fälle als in den Jahren zuvor, die oft erheblichen Schäden aber bleiben hoch.
Das Spektrum der seit 2020 erfassten Delikte reicht von Diebstahl und Sachbeschädigung über Hausfriedensbruch bis hin zu einzelnen Brandstiftungen, wie aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion hervorgeht. Betroffen sind kleine Dorfkapellen ebenso wie große Stadtkirchen, entlegene Klöster genauso wie Pfarrhäuser und kirchliche Verwaltungsräume.
Zahl gemeldeter Fälle rückgängig - Schäden weiter hoch
Laut der Statistik geht die Zahl der Fälle an und in Kirchen leicht zurück. Für das Jahr 2024 wurden 734 Straftaten registriert – der niedrigste Wert seit fünf Jahren. Die meisten davon waren Diebstähle (379 Fälle) und Sachbeschädigungen (216 Fälle). Der finanzielle Schaden lag demnach insgesamt bei rund 275.000 Euro. In etwas mehr als jedem vierten Fall wurde ein Verdächtiger ermittelt.
Bei den Kapellen hingegen wurde 2024 häufiger eingebrochen oder zerstört. Die 115 Fälle bedeuten rund 26 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Aufklärungsquote ist auch hier niedrig: Nur jeder sechste Fall wird gelöst.
Im Vergleich zu Kirchen sind Pfarrhäuser und vor allem Klöster selten betroffen, anders ist es dagegen bei Gemeindehäusern, Außenanlagen und Verwaltungsräumen. Die Zahl der dort gemeldeten Fälle sank 2024 zwar leicht auf 189, die Schadenssumme stieg jedoch deutlich auf rund 853.000 Euro – 20-mal so viel wie im Vorjahr und mehr als im gesamten aufgeführten Zeitraum. Welche Vorfälle für den deutlichen Anstieg verantwortlich sind, geht aus den Zahlen nicht hervor.
Innenministerium: Keine Hinweise auf negative Entwicklung
Trotz teils hoher Schäden spricht das baden-württembergische Innenministerium insgesamt von einer stabilen Lage. Die Zahl der Straftaten an kirchlichen Orten sei 2024 rückläufig. „Auf Basis der Straftatenentwicklung gibt es keine Hinweise auf eine negative gesellschaftliche Entwicklung in Bezug auf den Respekt vor religiösen Symbolen und Kulturgütern in Baden-Württemberg“, teilt das Ministerium mit. Von einem generellen Verlust des gesellschaftlichen Respekts gegenüber religiösen Symbolen könne keine Rede sein.
Bei der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gebe es eher wenige Meldungen aus den Gemeinden, sagt Oberkirchenrat Christian Schuler. „Bei verlässlich geöffneten Kirchen sind in der Regel Personen zur Aufsicht eingeteilt.“ In der Landeskirche seien aber auch viele Kirchen verschlossen, wenn nicht gerade eine Veranstaltung stattfinde.
Die katholische Kirche hatte sich dagegen auf bundesweiter Ebene zuletzt über zunehmend härteren Vandalismus beklagt. „Was geradezu eskaliert, ist die Qualität der Kirchenvandalismen. Hier sind inzwischen sämtliche Tabus gefallen“, sagte ein Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz der „Rheinischen Post“ im August. Seit einigen Jahren registriere man eine „verschärfte Dimension“: Zigarettenstummel und anderer Unrat würden vor Andachtsbildern abgelegt, Gebet- und Gesangbücher beschädigt, Kirchenbänke umgestoßen. Zudem sei von einem Dunkelfeld nicht erfasster Fälle auszugehen.
Erzdiözese: Schließungen bauen Barrieren auf
Aus Sicht der FDP belasteten die Vorfälle viele Gemeinden. „Wenn in Kirchen eingebrochen wird, die Kollekte gestohlen oder das Gebäude mutwillig beschädigt und beschmiert wird, trifft das viele Menschen besonders schwer“, sagt der Fraktionssprecher für Kirchen, Tim Kern. „Kirchen sind vielen Menschen nicht nur heilig – sie sind Räume des Schutzes, des Friedens, des Trostes und der Gemeinschaft. Vandalismus in Kirchen ist damit ein doppelter Frevel.“
Michael Hertl, Sprecher der Erzdiözese Freiburg, verweist ebenfalls auf die Folgen: „Kirchen sind geweihte Orte. Sie grenzen sich von säkularen Räumen ab“, sagt er. „Das ist Einbrechern oft ebenso wenig bewusst wie die spirituelle Betroffenheit, die sie mit ihrer Tat erzeugen.“ Kirchen sollten offene Orte sein und bleiben. „Wenn sie sich nun entscheiden, tagsüber zu schließen oder sich abzusichern, baut das Barrieren auf, die schädlich sein können“, sagt Hertl.
Wie sich Gemeinden schützen
In Baden-Württemberg reagieren viele Kirchengemeinden auf Diebstähle und Vandalismus mit einer Mischung aus Technik, Organisation und enger Zusammenarbeit mit den Behörden. Türen und Fenster werden verstärkt, Alarmanlagen installiert, und Bewegungsmelder oder Kameras ergänzen die Sicherheitsmaßnahmen.
In besonders gefährdeten Kirchen gibt es zudem gesicherte Aufbewahrungsorte für wertvolle Gegenstände wie Kelche, Reliquien oder Spendengelder. Pfarrer und Gemeindemitglieder achten verstärkt auf unregelmäßige Besucherströme, und auch das Melden von verdächtigen Beobachtungen an Polizei oder Sicherheitsdienste gehört zum Alltag. Diese Maßnahmen sollen nicht nur den materiellen Schaden begrenzen, sondern auch die Atmosphäre der Kirchen als Orte der Ruhe und Andacht bewahren.