„Dafür stehe ich gerne im Stau“
Leserbrief zum Kommentar „Weniger ist mehr“ vom 19. Dezember

© Sven Kauffelt
Mit Worten wie „Bauernkiller“ und mit einer einstündigen Blockade eines einzigen Kreisverkehres würden die Landwirte übertreiben. Völlig richtig sehen Sie, dass die Probleme nicht erst seit zwei, drei Jahren bestehen, sondern seit ein, zwei Jahrzehnten. Das ist jedoch kein Grund, nicht jetzt auf die schlechte Lage der Betriebe hinzuweisen. Denn das Bauernsterben ist längst da. Während es in Deutschland etwa zu meinen Geburtsjahr vor 30 Jahren noch 555.100 (1995) landwirtschaftliche Betriebe waren. Sind es jetzt noch ca. 250.000 (2022) – mehr als eine Halbierung der Höfe!
Das werden die geplanten Maßnahmen (Agrardiesel, Steuerbefreiung, Pauschalierungssenkung) und vor kurzem beschlossene Regeln (z.B. Gemeinsamen Agrarpolitik, 4%-Stilllegung, Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung) noch deutlich beschleunigen, besonders die kleinen Betriebe werden aussteigen. Denn während in allen Branchen die Löhne steigen, sollen die Landwirte im Schnitt nur mit diesen beiden Maßnahmen mit ca. 3500 Euro je Betrieb mehr Steuern belastet werden. Bei einem Einkommen im Schnitt der letzten zehn Jahre von 33.390 Euro (Daten von praxis-agrar.de) sind das über zehn Prozent Lohnkürzung. Da möchte ich mal Gewerkschaften sehen, die das einfach über sich ergehen lassen. Wenn die Landwirte zwischen ihrer Stall- und Feldarbeit sich für ein paar Stunden Zeit nehmen, um auf die schwierige Situation hinzuweisen, dann stehe ich für ihr Anliegen gerne im Stau.
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