Politik Inland

Bürokratieabbau: Regierung strebt Milliarden-Entlastung an

Führerschein aufs Handy, digitale Immobilienkäufe, weniger Arbeitsschutzbeauftragte – die Regierung legt Pläne für Bürokratieabbau und Vereinfachung vor und spricht von einer Milliarden-Entlastung.

Von dpa

05.11.2025

Die wöchentliche Kabinettsitzung stand diesmal unter der Überschrift „Entlastungskabinett“Kay Nietfeld/dpa

Die wöchentliche Kabinettsitzung stand diesmal unter der Überschrift „Entlastungskabinett“Kay Nietfeld/dpa

© Kay Nietfeld/dpa

Das Bundeskabinett hat in Berlin mehrere Vorhaben zur Entbürokratisierung für Wirtschaft, Verwaltung und Bürger beschlossen und zahlreiche weitere in Aussicht gestellt. Mit den Maßnahmen sollen Verwaltung, Wirtschaft und Bürger um mehrere Milliarden Euro entlastet werden, hieß es nach der wöchentlichen Sitzung der Ministerrunde, die dieses Mal unter der Überschrift „Entlastungskabinett“ tagte. Wirtschaftsverbände reagieren positiv auf die Beschlüsse. Von Arbeitnehmerseite kommen auch Warnungen. 

Auf den Weg gebracht wurden nach Regierungsangaben fertige Gesetzentwürfe unter anderem im Bereich Immobilien, Wohnen und Straßenverkehr. Diese sollen mindestens 100 Millionen Euro an Entlastung bringen, weil Beteiligten weniger Aufwand entsteht oder Prozesse vereinfacht werden: 

  • Die regelmäßige Pflicht zur Weiterbildung von Wohnimmobilienverwaltern und Maklern soll gestrichen werden.
  • Das sogenannte Heizungslabel wird abgeschafft, das Schornsteinfeger seit einigen Jahren an alte Heizkessel und Thermen kleben müssen, damit Besitzer sehen, wie energieeffizient ihr Gerät ist.
  • Grundstückskaufverträge sollen künftig komplett digital vollzogen und zwischen Notaren, Gerichten und Behörden dann elektronisch ausgetauscht werden können. In Deutschland werden laut Justizministerium pro Jahr über eine Million Immobilienkaufverträge beurkundet.
  • Ein Gesetzentwurf aus dem Verkehrsministerium legt die rechtliche Grundlage dafür, dass der Führerschein künftig zu Hause bleiben kann, wenn er über das Handy abrufbar ist. An der technischen Umsetzung dafür wird noch gearbeitet. Ende 2026 solle es so weit sein.

Der Führerschein kann künftig zu Hause bleiben, wenn er im Smartphone hinterlegt ist. Möglich sein soll das ab Ende nächsten Jahres. (Symbolbild)Sven Hoppe/dpa

Der Führerschein kann künftig zu Hause bleiben, wenn er im Smartphone hinterlegt ist. Möglich sein soll das ab Ende nächsten Jahres. (Symbolbild)Sven Hoppe/dpa

© Sven Hoppe/dpa

Mehr als 50 weitere Maßnahmen

Darüber hinaus hat sich das Kabinett auf rund 50 Maßnahmen verständigt, die nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums, „bis spätestens Mitte 2026 kabinettreif sein sollen“ – also beschlussreif. Mit diesen werde eine Entlastung in Höhe von mehreren Milliarden Euro angestrebt, hieß es: 

  • Eine „Work-and-Stay-Agentur“ soll als zentrale Anlaufstelle für Formalitäten für ausländische Fachkräfte anstehen, so dass die gesamte Antragstellung zentral über ein digitales Portal erfolgt.
  • Änderungen im Baurecht sollen Bauen beschleunigen und von „nicht zwingenden technischen Standards“ soll leichter abgewichen werden dürfen.
  • Beim Arbeitsschutz soll die Verpflichtung für Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten entfallen, einen Sicherheitsbeauftragten zu bestellen. Größere Unternehmen bis 250 Beschäftigte sollen sich künftig auf einen beschränken können.
  • Wer ein Elektroauto mit entsprechendem „E“ auf dem Nummernschild fährt, soll keine Umweltplakette mehr aufkleben müssen. Besitzer und Verwaltung sollen so von Bürokratie entlastet werden.
  • In der Migrationsverwaltung soll Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, etwa um bei der Erteilung von Visa Dokumente auf ihre Echtheit zu überprüfen.

Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) sagte, die Bundesregierung arbeite gemeinsam daran, das Leben in Deutschland einfacher und unkomplizierter zu machen. „Das ist auch entscheidend, damit in Deutschland mehr investiert wird. Die heutigen Beschlüsse sind ein wichtiger Schritt – weitere werden folgen.“ 

Grundsätzlich hatte die Regierung bereits das Ziel ausgegeben, die Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 25 Prozent zu reduzieren und dabei eine Summe von rund 16 Milliarden Euro genannt.

Digitalminister Karsten Wildberger – hier im Gespräch mit Innenminister Alexander Dobrindt (l.) und Finanzminister Lars Klingbeil – soll die Fäden bei der Staatsmodernisierung zusammenführen. Kay Nietfeld/dpa

Digitalminister Karsten Wildberger – hier im Gespräch mit Innenminister Alexander Dobrindt (l.) und Finanzminister Lars Klingbeil – soll die Fäden bei der Staatsmodernisierung zusammenführen. Kay Nietfeld/dpa

© Kay Nietfeld/dpa

„Konkreter Plan für Bürokratieabbau“

Die Regierung habe nun einen konkreten Plan für langfristigen Bürokratierückbau, sagte Digitalminister Karsten Wildberger (CDU). „Damit schalten wir das Entlastungspaket scharf – in Umfang, Struktur und Konsequenz ist das ein Ergebnis, wie Deutschland es seit vielen Jahren nicht erlebt hat.“ Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte den früheren MediamarktSaturn-Chef in sein Kabinett geholt. Sein neu geschaffenes Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung soll die Fäden beim Bürokratieabbau zusammenführen. 

Aus der Wirtschaft kam Zustimmung. Die Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Helena Melnikov, sagte, es sei gut und überfällig, dass die Regierung den Bürokratieabbau endlich ganz oben auf die Agenda gesetzt habe. „Die vorgelegten Eckpunkte können der Auftakt einer echten Reform unseres Bürokratie-Staates sein.“ Ähnlich äußerte sich Handwerkspräsident Jörg Dittrich.

Der Beamtenbund dbb merkte aber auch kritisch an, die Bundesregierung dürfe nicht nur kurzfristige Kosteneinsparungen für Unternehmen im Blick haben. Es dürfe nicht darum gehen, unliebsame Schutzstandards abzubauen. Mit Blick auf den Plan, Sicherheitsbeauftragte in Unternehmen zu reduzieren, sagte Gewerkschaftschef Volker Geyer: „Wenn dadurch die Zahl der Arbeitsunfälle und die entsprechenden Folgekosten steigen, ist nichts gewonnen – im Gegenteil.“

Karte

Weitere Themen

Das könnte Sie auch interessieren
In Hamburg war Muslim Interaktiv präsent - nun schlug die Polizei zu.Marcus Brandt/dpa
Update -

Politik Inland

zur Merkliste

Schlag gegen „Tiktok-Islamisten“ von Muslim Interaktiv

Forderungen nach einem Kalifat, Israel-Feindlichkeit, Verachtung für Frauen und Minderheiten: Die Gruppe Muslim Interaktiv will im Netz vor allem junge Muslime ansprechen. Nun ist sie verboten.

Itay Chens Eltern trafen Ende September Bundeskanzler Friedrich Merz. (Archivbild)Carsten Koall/dpa
Update -

Politik Inland

zur Merkliste

Von Hamas übergebene Leiche war letzte deutsche Geisel

Itay Chens Vater setzte auf Deutschlands Einfluss bei der Umsetzung des Gaza-Abkommens. Im Rahmen des Deals wurde die Leiche des Mannes nun übergeben. Seine Familie kann endlich Abschied nehmen.

Politik Inland

zur Merkliste

BSW im Namen ohne Wagenknecht: Parteispitze einigt sich

Monatelang wurde gerätselt, wie die Neugründung der einstigen Linken-Ikone künftig heißen soll. Viele Vorschläge wurden erwogen. Jetzt hat sich die Führung nach dpa-Informationen festgelegt.