Politik Inland

Zusatzstunde gekippt - und jetzt?

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Die Vorgriffsstunde für Lehrkräfte ist rechtswidrig. Nun muss eine Lösung her, da die Stundenpläne längst stehen. Die Politik setzt auch auf Berufsethos.

Von dpa

05.09.2025

Vorgriffsstunden an Sachsen-Anhalts Schulen sind rechtswidrig. (Archivbild)Heiko Rebsch/dpa

Vorgriffsstunden an Sachsen-Anhalts Schulen sind rechtswidrig. (Archivbild)Heiko Rebsch/dpa

© Heiko Rebsch/dpa

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Vorgriffsstundenregelung gekippt - unter den Lehrkräften in Sachsen-Anhalt herrscht nun Unsicherheit. „Klar ist, dass an den Schulen die Stundenpläne stehen“, sagte Bildungsminister Jan Riedel (CDU) am Tag nach der Urteilsverkündung. Er gehe davon aus, „dass das die Ehre unseres Berufsstandes ist, dass wir jetzt per se nicht einfach diese Stunden ausfallen lassen“. Lehrerinnen und Lehrer hatten eine Ansage der Politik gefordert. 

Riedel betonte, dass es genügend Möglichkeiten gebe, um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Demnächst solle eine Abfrage in den Schulen erfolgen, welche Lehrerinnen und Lehrer freiwillig zu Zusatzstunden bereit sind, sagte der CDU-Politiker. Die Bezahlung sei die gleiche - mit dem Vorteil, dass die Zusatzstunde auch im Krankheitsfall gezahlt würde. 

Mehrarbeit kann angeordnet werden

Es gebe auch die Möglichkeit, dass Lehrkräfte bis zu vier Zusatzstunden freiwillig hielten, so der Minister. Sollte die Freiwilligkeit nicht reichen, gebe es letztlich auch die Option für Schulleitungen, Mehrarbeit anzuordnen - jedoch nur als letzte Möglichkeit, sagte Riedel.

Am Donnerstag hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, dass die Regelung, nach der Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt eine Stunde länger pro Woche vor der Klasse stehen müssen und dafür einen Ausgleich erhalten, rechtswidrig ist. Diese Vorgriffsstundenregelung sei vom Landesbeamtengesetz nicht gedeckt und daher unwirksam, hieß es zur Begründung. Die Entscheidung ist rechtskräftig, es gibt keine Rechtsmittel mehr. 

Gewerkschaft fordert Gespräche

Ab heute müsse jede Lehrkraft eine eigene Entscheidung treffen, ob er oder sie die Vorgriffsstunde noch halten wolle, sagte Volker Thiele von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Diese Entscheidung könne jedoch nur getroffen werden, wenn sich das Ministerium dazu äußere, wie weiter verfahren werden solle. Die persönliche Entscheidung hänge immer auch von der Belastung der einzelnen Lehrkraft ab.

Die GEW habe der Politik nach der Entscheidung mehrfach Gespräche angeboten, sagte Thiele. „Das ist für einen geordneten weiteren Unterrichtsverlauf wichtig.“ 

Thiele hatte mit einer Kollegin vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt. Die Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt würden verantwortungsvoll mit der Entscheidung des Gerichts umgehen, sagte der Lehrer. „Die Arbeitszeit kann auch ohne die Vorgriffsstunde flexibel gestaltet werden. Daraus können die zusätzlichen Stunden auch weiterhin bezogen werden“, sagte er. Eine Lösung sei „jederzeit möglich“, trotzdem herrsche nun erst einmal große Unsicherheit. 

Was passiert mit den Extrastunden?

Durch die Anordnung der Vorgriffsstunde seien ungefähr 12.000 Unterrichtsstunden generiert worden, sagte Riedel. Dies sei für die Sicherheit der Unterrichtsversorgung wichtig gewesen. 

In der nun gekippten Verordnung sollten sich Lehrerinnen und Lehrer die zusätzlichen Stunden vergüten lassen oder sie auf einem Arbeitszeitkonto ansparen, um sie ab dem Schuljahr 2033/34 abzubauen. 

Für Grundschullehrkräfte bedeutete die Neuregelung 28 statt bislang 27 Unterrichtsstunden, für Sekundarschul- und Gymnasiallehrkräfte 26 statt 25 Unterrichtsstunden pro Woche. Von der Regelung waren Lehrkräfte ab 62 Jahren und befristet angestellte Lehrkräfte ausgenommen.

Nun werde geprüft, wie weiter verfahren werden soll, sagte Riedel. Er versprach, dass niemand einen Nachteil haben werde. Zudem solle geprüft werden, inwieweit ein neuer Versuch unternommen werden kann, gesetzliche Regeln für die Vorgriffsstunde zu schaffen. Zu prüfen sei auch, ob die Unterrichtsversorgung mit den jetzt einzusetzenden Maßnahmen sichergestellt werden kann.

Nachdem die Vorgriffsstundenregelung in Sachsen-Anhalt gekippt wurde, herrscht Unsicherheit. (Archivbild)Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Nachdem die Vorgriffsstundenregelung in Sachsen-Anhalt gekippt wurde, herrscht Unsicherheit. (Archivbild)Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Das könnte Sie auch interessieren