Ebling sieht im Anstieg der Verkehrstoten ein „Alarmsignal“
Auf deutschen Straßen werden 2025 Schätzungen zufolge etwas mehr Menschen ums Leben kommen als 2024. In Rheinland-Pfalz dagegen ist der Anstieg deutlich. Eine Ursachensuche.
Deutlich mehr Verkehrstote gibt es in Rheinland-Pfalz. (Archivbild)Harald Tittel/dpa
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Schon Ende Oktober 28 Tote mehr als bei allen Verkehrsunfällen im gesamten Vorjahr - der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) sieht in „der erschreckend hohen Zunahme von tödlichen Unfällen“ 2025 ein „Alarmsignal“, wie er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagt. „Die aktuellen Zahlen erschrecken mich zutiefst“, erklärt der SPD-Politiker. Sie seien auch ein Auftrag zum Handeln. „An unserem Ziel der Vision Zero, also null Verkehrstote, halten wir unverändert fest.“
Ebling: „erheblich alarmierende Steigerung“
113 Tote wurden 2024 bei 106 tödlichen Verkehrsunfällen in Rheinland-Pfalz registriert. In diesem Jahr waren es bereits Ende Oktober 129 tödliche Unfälle mit 141 Toten - fast 25 Prozent mehr, wie Ebling feststellt. Der Minister spricht ungeachtet statistischer Schwankungen von einer „erheblich alarmierenden Steigerung“.
Einige Unfälle waren besonders schlimm
Bei mehreren der tödlichen Zusammenstöße waren die beteiligten Fahrzeuge voll besetzt. Trauer, Entsetzen und Schockstarre waren daher mehrmals besonders groß. Vier schwere Beispiele.
- Drei Menschen starben im Mai bei einem Kleinbus-Unfall auf der Autobahn 48 in der Nähe von Koblenz. Sechs weitere Menschen wurden verletzt. Der Bus mit den neun Insassen war auf dem Rückweg von einer Familienfeier nach rechts von der Fahrbahn abgekommen und hatte sich mehrfach überschlagen.
- Eine sogenannte Geisterfahrerin verursachte im August einen Unfall mit drei Toten auf der Bundesstraße 9 in der Pfalz. Die 64-jährige Falschfahrerin kollidierte frontal mit dem Wagen eines 24-Jährigen aus Speyer.
- Bei einem Zusammenstoß auf der Autobahn 6 bei Kaiserslautern kamen im September ebenfalls drei Menschen ums Leben.
- Unter den vier Toten eines Frontalzusammenstoßes von einem Lastwagen mit einem Auto auf der Bundesstraße 51 zwischen Trier und Bitburg im November war auch ein sieben Jahre altes Kind.
Unfallschwerpunkte schwer auszumachen
Regionale Unfallschwerpunkte bei einem der fünf Polizeipräsidien lassen sich nach Angaben Eblings nicht erkennen. „Das verteilt sich landesweit.“ Auffällig sei jedoch eine Häufung auf langen Landstraßen-Strecken.
Hohe Geschwindigkeit bleibt eine Hauptursache
Zu schnelles Fahren ist nach Erkenntnissen des Innenministeriums erneut ein wesentlicher Grund für viele schwere Unfälle. Nicht angepasste Geschwindigkeit sei ein häufiges Muster, wenn der Gegenverkehr zu spät beachtet werde oder ein Wagen von rechts nach links auf die Gegenfahrbahn gerate, sagt Ebling.
Die Rolle von Ablenkung am Steuer - ein hohes Dunkelfeld
Die Unfallforscher im Innenministerium gehen davon aus, dass auch eine Ablenkung des Fahrers oft eine große Rolle spielt. „Ablenkung ist kein Randthema, sondern eine reale Gefahr im Straßenverkehr“, sagte Ebling. „Jede Sekunde Unaufmerksamkeit kann fatale Folgen haben.“
Das Problem: Der Verstoß Ablenkung als Unfallursache ist - ähnlich wie der Sekundenschlaf - nur selten messbar. Polizei und Innenministerium gehen von einem „erheblichen Dunkelfeld“ aus. „Insbesondere die Nutzung von Smartphones und anderen digitalen Medien während der Fahrt stellt ein hohes Risiko dar und wird häufig unterschätzt“, heißt es.
Monocams sollen helfen, Handysünder am Steuer schneller zu überführen. (Archivbild)Harald Tittel/dpa
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Fünf Kameras gegen Ablenkung am Handy im Einsatz
Mit der Monocam können Fahrer automatisch überführt werden, die während der Fahrt am Handy daddeln oder telefonieren. Fünf solcher Kameras seien inzwischen beschafft worden - für jedes Polizeipräsidium eine. Diese sollen sie bald nach dem Jahreswechsel regelmäßig in ihrem Bereich einsetzen, wie Ebling sagt. Die Kameras könnten an Autobahnen, aber auch an Landstraßen zum Einsatz kommen, wenn es die dafür notwendigen Aufbauten wie Brücken gibt. Rheinland-Pfalz ist damit Vorreiter in Deutschland.
Die Monocam ist eine Entwicklung aus den Niederlanden. Bislang gab es in Rheinland-Pfalz nur ein Gerät, das nach längeren Testphasen seit April regelmäßig an Autobahnen eingesetzt wird - mal im Raum Mainz und mal im Raum Trier. Das geliehene Gerät werde an die Niederlande zurückgegeben.
Mehr Geschwindigkeitskontrollen auf Landstraßen
Die regelmäßigen Geschwindigkeitskontrollen sollen 2026 auf Landstraßen ausgeweitet, also stärker in die Fläche gebracht werden, kündigt der Minister an. „Wir haben damit gute Erfolge auf den Autobahnen gemacht.“ Dabei werde es einen Mix geben aus stationären, teilstationären und mobilen Kontrollen. „Ziel ist es, durch spürbaren Kontrolldruck regelkonformes Verhalten dauerhaft zu fördern.“
Innenminister Michael Ebling (SPD) will Geschwindigkeitskontrollen 2026 stärker auf Landstraßen ausweiten. (Archivbild)Jörg Halisch/dpa
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Verkehrssicherheit entsteht durch Aufmerksamkeit und Rücksicht
„Verkehrssicherheit lässt sich nicht anordnen. Sie entsteht durch Aufmerksamkeit, Rücksicht und Verantwortung und sie verlangt die Mitwirkung aller“, sagt Ebling. Er will daher auch die Prävention und das Verständnis dafür stärken.
Dabei setze sein Haus auf zielgruppenorientierte Programme, etwa für junge Leute zu Alkohol und Drogen. Um Fahrer gerade für Themen wie zu hohes Tempo und Ablenkung zu sensibilisieren, seien Filme auf Social Media-Kanälen geplant.
Das Präventionsprogramm #mehrAchtung mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) soll zudem intensiviert werden. Dabei geht es um mehr Respekt und Rücksichtnahme im Straßenverkehr. Das Programm ist Teil der Kampagne „Runter vom Gas“.
Ministeriumssprecher Bockius verweist auch auf Crashkurse für junge Fahrer an Schulen, bei denen unter anderem Rettungskräfte und Unfallopfer von ihren Erlebnissen berichten. Hilfreich seien auch Fahrtrainings mit Schwerpunkten für ungeübte Fahrer, aber auch für Senioren.
Der Verkehrssicherheitsrat hat noch andere Forderungen
Der Verkehrssicherheitsrat hat zehn Forderungen an Bund und Länder, um die Vision Zero zu erreichen. Dazu zählt Geschwindigkeitsbegrenzung: ein generelles Tempolimit von 80 auf schmalen Landstraßen sowie von 70 auf Landstraßen im Bereich von Kreuzungen, Einmündungen, Kreisverkehren und Grundstückszufahrten.
Ein Alkoholverbot am Steuer und eine nationale Strategie für kooperative intelligente Verkehrssysteme hält der DVR auch für den richtigen Weg, um weniger Menschenleben zu gefährden. Diese Verkehrssysteme könnten einen kontinuierlichen Austausch sicherheitsrelevanter Informationen zwischen Fahrzeugen, Verkehrsteilnehmenden und der Infrastruktur ermöglichen - und damit nachweislich die Zahl schwerer Unfälle senken.