Leserbriefe

„Wo sind denn die übrigen Kerzen geblieben?“

Leserbrief zu den Kundgebungen in Borken.

21.01.2022

322 LED-Kerzen im Gedenken an die Pandemie-Toten hatte das Bündnis „Borken bleibt bunt“ auf den Marktplatz gestellt. Im Hintergrund sammelten sich Gegner der Coronapolitik erneut zu einem sogenannten Spaziergang. Dieser war im Gegensatz zu der Mahnwache wiederum nicht angemeldet.

322 LED-Kerzen im Gedenken an die Pandemie-Toten hatte das Bündnis „Borken bleibt bunt“ auf den Marktplatz gestellt. Im Hintergrund sammelten sich Gegner der Coronapolitik erneut zu einem sogenannten Spaziergang. Dieser war im Gegensatz zu der Mahnwache wiederum nicht angemeldet.

© BZ

Corona

Am Montag habe ich die Gedenkveranstaltung für die Corona-Opfer in Borken beobachtet. Es ist absolut unstrittig, dass es da nichts zu relativieren gibt! Aber eben dies zwingt mich zu der Frage, wo denn die übrigen Kerzen geblieben sind?

2020 sind im Kreis Borken 4060 Menschen gestorben. Es fehlten also 3738 Kerzen auf dem Marktplatz. Es ist richtig, dass es hier nur um die Corona-Toten ging.

Doch gibt es viele Opfer in unserer Gesellschaft. Menschen, die an anderen Krankheiten sterben oder Opfer eines Unfalls werden.

Warum wird diesen Menschen nicht die gleiche Aufmerksamkeit zu Teil? Warum wird nur dieser einen Gruppe von Menschen gedacht? Und warum wird dies gerade an einem Montagabend gemacht, direkt neben den coronamaßnahmen-kritischen Spaziergängern?

Ohne das Gedenken an die Toten schmälern zu wollen, muss man sich in der Debatte ehrlich machen und fragen, ob es nicht auch darum ging, den Kritikern aufzuzeigen, welche Folgen ihre Kritik und Zweifel haben können. Führt man diesen Gedanken weiter, muss man sehen, was durch die Spaziergänger angezweifelt oder hinterfragt wird. Es ist eben nicht die Existenz und die Tödlichkeit des Virus und der Krankheit, sondern die Verhältnismäßigkeit und Wirksamkeit der Maßnahmen. Nach mehr als 20 Monaten steht außer Frage, dass die Maßnahmen auch bislang noch unüberschaubare Kollateralschäden verursacht haben. So hat eine Studie der Uniklinik Essen einen Anstieg der Suizidversuche bei Kindern im Vergleich zu der Zeit vor Corona festgestellt. Bleibt die Frage, wo stehen die Kerzen für diese Opfer? Immer mehr Menschen fragen sich, ob hier nicht der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wird.

Zweifelhafte Datenerhebungen in Bayern und Hamburg haben Fragen aufgeworfen.

Montag titelte die Bildzeitung „Bis zu 29 Prozent der Corona-Toten starben nicht an Corona“. Zu viele Fragen bleiben unausgesprochen und unbeantwortet. Eine moralisierende Debatte auf dem Rücken von Verstorbenen, die jeglichen kritischen Austausch unmöglich macht, ist nicht zielführend und treibt die Spaltung in unserem Land weiter voran.

Was wir dringend brauchen, ist eine Überwindung der Spaltung und eine ergebnisoffene Debatte, in der alle Aspekte sachlich diskutiert werden können.

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