Warum viele Spielhallen auf ein „Weihnachtswunder“ hoffen
Wo bisher zwei Spielhallen unter einem Dach betrieben werden, darf bald nur noch eine bleiben. Für viele Beschäftigte steht die Zukunft auf dem Spiel.
Martina Roos arbeitet seit zwei Jahren in einer Admiral-Spielhalle in Hannover. Eine auslaufende Frist im Spielhallengesetz bereitet ihr Sorgen.Julian Stratenschulte/dpa
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Martina Roos steht hinter dem Tresen einer Admiral-Spielhalle in Hannover. Sie lächelt den Gästen zu, serviert Getränke, hilft bei Fragen zu den Automaten. Seit zwei Jahren arbeitet die 58-Jährige hier. Doch inzwischen begleitet sie die Sorge, dass diese Routine bald enden könnte. Zum Jahresende läuft im niedersächsischen Spielhallengesetz eine Übergangsfrist aus – und für Standorte wie diesen hätte das spürbare Folgen.
Betroffen sind sogenannte Doppelspielhallen: zwei Spielstätten unter einem Dach, jeweils mit höchstens zwölf Automaten und gemeinsamem Personal. Nach Angaben des Automatenverbands Niedersachsen gibt es landesweit rund 250 davon. Künftig dürften sie nicht mehr in dieser Form weiterbetrieben werden: Eine der beiden Hallen müsste schließen. Rund 3.000 Arbeitsplätze stehen nach Branchenangaben auf der Kippe.
Einer davon ist der von Roos. Die Ungewissheit setzt ihr zu. „So viele schlaflose Nächte wie in letzter Zeit hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie gehabt“, sagt sie. Auch ihren Kolleginnen und Kollegen gehe die Situation nahe. „Wir lächeln, aber eigentlich könnten wir heulen.“
Niedersachsen als „Sorgenkind“
Admiral, die deutsche Gaming-Marke der Novomatic AG, betreibt zwischen Harz und Küste 25 Doppelspielhallen. Noch spreche man keine Kündigungen aus, sagt Regionalleiter Florian Baum, der auch für andere Bundesländer zuständig ist. Niedersachsen sei für das Unternehmen aber schon länger „ein Sorgenkind“.
Baum hofft, dass das Land noch eingreift. Sollte das nicht passieren, rechnet er damit, dass bis zu 75 der insgesamt knapp 700 Beschäftigten in Niedersachsen gehen müssten – im ungünstigsten Fall könnten es auch 150 werden. Eine Kette wie Admiral könne solche Veränderungen eher auffangen, sagt er. Für kleinere Betreiber hingegen könne der Wegfall einer Halle existenzbedrohend sein.
Admiral-Regionalleiter Florian Baum warnt: Wenn an einem Standort nur eine Spielhalle weiterbetrieben werden darf, könne das für viele Betriebe zum Problem werden.Julian Stratenschulte/dpa
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Petition fordert Landesregierung zum Umsteuern auf
Mit einer Kampagne und einer Online-Petition will die Branche auf die drohenden Betriebsschließungen aufmerksam machen. Baum bezeichnet sie als „das letzte Zucken des Fischs an der Angel“. Mehr als 3.000 Menschen haben die Petition unterzeichnet. Gerichtet ist sie an die Landesregierung.
Das Wirtschaftsministerium teilt dazu mit: Das niedersächsische Spielhallengesetz so zu verändern, dass die Übergangsfrist weiterläuft, sei nach Ansicht der Landesregierung „nur schwer“ mit den Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrags zu vereinbaren.
„Die Landesregierung nimmt die Sorgen um Arbeitsplätze sehr ernst und ist bereit, hierzu in einen Dialog mit der niedersächsischen Spielhallenbranche zu treten“, heißt es. Man prüfe derzeit, welche Möglichkeiten es gebe, Arbeitsplätze zu sichern – etwa durch eine Ausweitung der Öffnungszeiten.
Gleichzeitig betont das Ministerium, dass in Niedersachsen bereits der überwiegende Teil der Spielhallen als Einzelspielhallen betrieben werde. Ein Standort könne daher grundsätzlich weiter genutzt werden, auch wenn eine von zwei Hallen schließen müsse.
Roos und ihre Gäste
Viele ihrer Gäste hätten die Petition ebenfalls unterschrieben, sagt Roos. Früher arbeitete sie im Lebensmitteleinzelhandel, heute versteht sie sich als eine Art „Seelsorgerin“. Mit den allermeisten sei sie per Du – und sie versuche, den Überblick zu behalten. Viele kämen, um „ihren Kopf freizukriegen“. Manche setzten sich selbst ein Limit, spielten ihr Geld herunter und vergäßen für einen Moment ihre Sorgen.
Wer sich auffällig verhalte, etwa ungewöhnlich unruhig wirke, werde auf einen Kaffee oder eine Cola eingeladen. Roos sagt über sich, sie höre zu, mache Mut, wenn es nötig sei. „So ist das bei uns: eine große Familie, aber mit Richtlinien und Vorschriften.“ Ihr sei es wichtig, zu helfen. Manchmal empfehle sie Gästen auch eine Sperre.
Zwischen Schutz und Sucht
Wer eine Spielhalle betritt, muss seinen Personalausweis vorzeigen. Das Personal prüft dann, ob im deutschlandweiten Sperrsystem Oasis ein Eintrag vorliegt. Eine Selbstsperre kann jederzeit und kostenfrei beantragt werden – sie gilt mindestens drei Monate. Bei einer Glücksspielsucht oder einer Überschuldung können auch Angehörige oder andere eine Fremdsperre beantragen.
Dem Glücksspielatlas 2023 zufolge leiden rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland unter einer Störung durch das Glücksspielen; weitere 3 Millionen zeigen ein problematisches Spielverhalten. Unterstützung erhalten Betroffene unter anderem telefonisch oder online. „Manche nehmen es an“, sagt Roos.
Während im legalen, regulierten Markt Jugendschutz und bestimmte Regeln zum Spielerschutz gelten, seien Spielende bei illegalen Angeboten weitgehend schutzlos, heißt es auf der Webseite des Bundesbeauftragten für Suchtfragen.
„Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt“
Die Deutsche Automatenwirtschaft warnt: „Wenn legale Spielhallen verschwinden, zieht das Spiel in Schattenmärkte ab“, sagt Vorstandssprecher Georg Stecker. „Das ist ein Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt, auf Kosten der Sicherheit der Menschen.“ Nach Branchenangaben ist nahezu jedes dritte Glücksspielgerät in Deutschland illegal oder manipuliert.
Das Wirtschaftsministerium widerspricht: Für die Annahme, dass eine Verringerung legaler Angebote automatisch den Schwarzmarkt wachsen lasse, gebe es „keinerlei wissenschaftliche Belege“. Auch ein Zusammenhang zwischen dem Schließen von Doppelspielhallen und einer Zunahme illegalen Glücksspiels sei nicht nachweisbar.
Der Automatenverband Niedersachsen sieht ein weiteres Problem: Sollten landesweit rund 250 vergnügungssteuerpflichtige Spielhallen schließen, fehlten den Kommunen wichtige Steuereinnahmen, sagt Geschäftsführer und Justiziar Florian Heinze. Er rechnet mit Einbußen von rund 20 Millionen Euro jährlich.
CDU bringt Gesetzentwurf in Landtag
Auch die CDU im Landtag sieht Handlungsbedarf. Sie will das niedersächsische Spielhallengesetz so ändern, dass die Übergangsfrist bis 2030 verlängert wird. Damit ließen sich Spielerschutz und Arbeitsplätze sichern, sagt der CDU-Abgeordnete Marcel Scharrelmann. „Glücksspiel muss staatlich kontrolliert bleiben.“
In ihrem Gesetzentwurf verweist die CDU darauf, dass mehrere Bundesländer bereits längere Übergangsfristen eingeführt haben. In Hessen gilt sie bis 2032, in Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt sogar bis 2037. In anderen Ländern sind die Doppelspielhallen dagegen bereits Geschichte.
Ministerium: Zeitrahmen war ausreichend
Das Spielhallengesetz gilt in Niedersachsen seit dem 1. Februar 2022. Seitdem ist auch bekannt, dass die Übergangsfrist für Doppelspielhallen zum Jahresende ausläuft. Aus Sicht des Wirtschaftsministeriums hatten die Betreiber damit genügend Zeit, „sich auf diese Situation einzustellen“. Im niedersächsischen Spielhallengesetz sei zudem ausdrücklich klargestellt, dass eine erneute Erlaubnis für einen Doppelbetrieb nicht zulässig sei.
Für Martina Roos bleibt dennoch die Unsicherheit. Was zum Jahresende aus ihrem Arbeitsplatz wird, weiß sie nicht. Sie sagt, sie hoffe auf ein kleines „Weihnachtswunder von Hannover“.