Wirtschaft

Ifo senkt Wirtschaftsprognose: „Erosion des Standorts droht“

Der deutschen Wirtschaft steht nach Ansicht des Ifo-Instituts ein blutleerer Aufschwung bevor. Grund sind Trumps Zölle, aber auch eigene Schwächen. Es gibt aber auch gute Nachrichten.

11.12.2025

Der Wirtschaft droht laut Ifo eine lange Wachstumsschwäche. (Archivbild)Bernd Wüstneck/dpa

Der Wirtschaft droht laut Ifo eine lange Wachstumsschwäche. (Archivbild)Bernd Wüstneck/dpa

© Bernd Wüstneck/dpa

Die deutsche Wirtschaft wird nach Einschätzung des Ifo-Instituts in den kommenden Jahren nur langsam aus der Krise finden. Für 2026 und 2027 schraubten die Münchner Wirtschaftsforscher ihre Prognose deutlich herunter. Grund seien die Belastungen durch die Zollpolitik der USA, aber auch hausgemachte Schwächen. Der Arbeitsmarkt dürfte sich hingegen vergleichsweise robust halten.

Für 2026 und 2027 erwartet das einflussreichste deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut nur noch ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts von 0,8 und 1,1 Prozent - das sind je 0,5 Prozentpunkte weniger, als vom Ifo im Herbst vorhergesagt. Dieses Jahr dürfte die Wirtschaft mit einem Plus von 0,1 Prozent (zuvor: 0,2 Prozent) de facto stagnieren.

Ifo pessimistischer als Bundesregierung

„Die deutsche Wirtschaft passt sich dem Strukturwandel durch Innovationen und neue Geschäftsmodelle nur langsam und kostspielig an“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Zusätzlich werden Unternehmen und Neugründungen im Besonderen durch bürokratische Hürden und eine veraltete Infrastruktur behindert.“

Mit seiner Einschätzung ist das Ifo deutlich pessimistischer als die Bundesregierung: Sie erwartet für 2026 ein Wachstum von 1,3 Prozent und für 2027 von 1,4 Prozent.

Ifo-Chef Clemens Fuest kritisierte die Politik. Der angekündigte Reformherbst sei zwar nicht ganz ausgefallen. „Aber das Schlimme ist: Die Reformen, die stattgefunden haben, steuern mehrheitlich in die falsche Richtung.“ So treibe das Rentenpaket die Kosten in die Höhe und reduziere Wachstum, da damit die Steuerlast wahrscheinlich steigen werde. Fuest forderte ein Reformkonzept, das bei Arbeitsmarkt, Investitionen und Bildung ansetzen müsse. „Diese drei Faktoren bestimmen letztlich die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft.“

Unsicherheit durch Trumps Zölle

Die US-Zölle unter Präsident Donald Trump belasteten die deutschen Exporteure nach wie vor spürbar, schreibt das Ifo. Sie dämpften das Wachstum 2025 um 0,3 und 2026 um 0,6 Prozentpunkte. „Die Unsicherheit durch die Zölle bleibt hoch, auch wenn die akuten Konflikte zwischen den USA und der EU entschärft wurden“, so Wollmershäuser. 

Hohe US-Zölle etwa auf Stahl belasten die Wirtschaft.Bernd Wüstneck/dpa

Hohe US-Zölle etwa auf Stahl belasten die Wirtschaft.Bernd Wüstneck/dpa

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Zwar haben die EU und Trump im Sommer ein Zollabkommen erzielt und so eine Eskalation abgewendet. Doch die Einigung sieht deutlich erhöhte US-Zölle vor, etwa für die Autoindustrie. Zudem gelten hohe Zölle auf Stahl und Aluminium, die etwa den Maschinenbau belasten.

IfW: strukturelle Probleme lassen Wirtschaft auf der Stelle treten

Mit seinem Pessimismus steht das Ifo nicht alleine da. Auch andere Institute wie das RWI Essen und das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) senkten ihre Prognosen und erwarten 2026 nur ein Wachstum von 1,0 Prozent. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) rechnet mit einer leichten Belebung.

„Die vielen strukturellen Probleme im Sozialsystem, die Überbürokratisierung oder der Rückstand bei Künstlicher Intelligenz und anderen modernen Technologien lassen Deutschlands Wirtschaft auf der Stelle treten“, sagt IfW-Präsident Moritz Schularick. Es sei enttäuschend, dass für das kommende Jahr nicht mehr Zuwachs zu erwarten sei, obwohl die Bundesregierung hohe Schulden aufnehme und die Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung erhöhe.

Arbeitsmarkt robust

Immerhin: Der Arbeitsmarkt dürfte laut Ifo robust bleiben. Die Arbeitslosigkeit werde zwar 2025 um 161.000 Menschen steigen auf eine Quote von 6,3 Prozent - 2026 werde diese aber stagnieren und 2027 leicht auf 5,9 Prozent sinken. Auch die Inflation bleibe moderat mit einer Rate von 2,2 Prozent dieses Jahr und 2026 sowie 2,3 Prozent 2027. So dürften die Energiepreise weiter sinken.

Wachstum der Weltwirtschaft geht an Deutschland vorbei

Besorgniserregend aus Sicht des Ifo: Die Weltwirtschaft wachse 2025 bis 2027 um durchschnittlich 2,5 Prozent pro Jahr, doch die deutsche Industrie profitiere davon nicht und verliere weiter an Wettbewerbsfähigkeit. Zwar will die Bundesregierung Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur ausgeben. Die geplanten Investitionen sowie weitere Entlastungen wirkten aber nur verzögert.

Ein Grund für die Krise: Die Autobranche schwächelt. (Archivbild)Bernd Wüstneck/dpa

Ein Grund für die Krise: Die Autobranche schwächelt. (Archivbild)Bernd Wüstneck/dpa

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Für 2026 erwarten die Forscher einen Wachstumseffekt von 0,3 und 2027 von 0,7 Prozentpunkten. Die Maßnahmen der Bundesregierung genügten nicht, um langfristig die Produktionskapazitäten der deutschen Wirtschaft auszuweiten, die in den beiden vergangenen Jahren geschrumpft war.

Ifo: Milliardenpakete helfen ohne Reformen nur wenig

Dank der staatlichen Milliardenausgaben erwarten sowohl Ifo als auch andere Institute eine Belebung der Wirtschaft. Doch ohne Reformen könnte das 500 Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur nach Einschätzung vieler Ökonomen ein Strohfeuer bleiben. 

Gründe sind strukturelle Probleme, darunter die hohen Energiekosten und Sozialabgaben sowie die Bürokratie. Zudem bemängeln Volkswirte, dass viel Geld nicht in neue Investitionen fließt, sondern in Konsumausgaben.

Ifo-Chef Fuest kritisiert die Bundesregierung. (Archivbild)Kay Nietfeld/dpa

Ifo-Chef Fuest kritisiert die Bundesregierung. (Archivbild)Kay Nietfeld/dpa

© Kay Nietfeld/dpa

„Die deutsche Wirtschaft verliert an Dynamik, weil das Arbeitskräftepotenzial, die Unternehmensinvestitionen und das Produktivitätswachstum zurückgehen“, sagt Wollmershäuser. „Ohne strukturelle Reformen droht eine weitere Erosion des Wirtschaftsstandorts.“ Nötig seien Anreize etwa für eine Ausweitung der Arbeitszeit und Reformen für mehr Produktivität, etwa durch eine Digitalisierung des Staatswesens.