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Was man zur Räumung des „Sündenwäldchens“ wissen muss

Kleiner Wald, große Emotionen: Die Polizei räumt ein letztes von Aktivisten besetztes Areal am Braunkohle-Tagebau Hambach. Was man zum Verständnis wissen muss, wird hier erklärt.

18.11.2025

Die Polizei räumt ein letztes von Aktivisten besetztes Areal am Braunkohletagebau Hambach.Henning Kaiser/dpa

Die Polizei räumt ein letztes von Aktivisten besetztes Areal am Braunkohletagebau Hambach.Henning Kaiser/dpa

© Henning Kaiser/dpa

Die Räumung des sogenannten Sündenwäldchens am Tagebau Hambach lässt bei vielen Menschen Erinnerungen hochkommen. Ein besetzter Wald, Aktivisten in Baumhäusern - da war doch was, im Hambacher Forst. Der Fall scheint ähnlich und ist doch anders.

Was hat der Konflikt um das sogenannte Sündenwäldchen mit dem Braunkohleabbau in Nordrhein-Westfalen zu tun?

Er hängt indirekt damit zusammen. Im sogenannten Rheinischen Revier sind durch den Braunkohleabbau in den vergangenen Jahrzehnten tiefe Krater entstanden, die an Mondlandschaften erinnern. Mit der Förderung soll aber in einigen Jahren Schluss sein. NRW plant den Ausstieg für 2030. Die Frage ist: Was wird dann aus den Löchern? 

Heute noch kaum vorstellbar, sollen die Krater in Zukunft zu großen Seen werden. Neben den Löchern der Tagebaue Inden und Garzweiler ist das auch der Plan für den Tagebau Hambach, an dem das sogenannte Sündenwäldchen liegt. Er soll ebenfalls mit Wasser geflutet werden. 

Der Energiekonzern RWE argumentiert, dass das sogenannte Sündenwäldchen gerodet werden muss, um dort Kies abbauen zu können - um die Böschung des geplanten Sees zu stabilisieren.

Wie ist die rechtliche Lage?

Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat im Januar entschieden, dass die Rodung des Wäldchens erlaubt ist. Die Umweltschutzorganisation BUND hatte sich mit einem Eilantrag an das Gericht gewandt. „Artenschutzrechtliche Defizite“ lägen nicht vor, so das Gericht - vor allem würden keine wichtigen Nahrungsräume der Bechsteinfledermaus verloren gehen. Die streng geschützten Fledertiere spielten bereits eine zentrale Rolle im juristischen Streit um die Rodung des Hambacher Forsts.

Warum kommt es ausgerechnet jetzt zu dem Polizeieinsatz?

Seit dem 1. Oktober dürfen grundsätzlich Bäume gefällt werden - die sogenannte Rodungssaison hat begonnen. Da Aktivisten das Areal besetzt hielten, war das aber nicht möglich. Im September erließ die zuständige Stadt Kerpen eine Allgemeinverfügung, wonach das Betreten des Areals - außer für RWE-Mitarbeiter - verboten ist. Sollte den Anordnungen keine Folge geleistet werden, sei vom 20. Oktober an mit „unmittelbarem Zwang“ zu rechnen. Am Dienstagmorgen begann dann der große Polizeieinsatz.

Ich dachte, der Hambacher Forst sei gerettet. Warum darf nun dieses Wäldchen gerodet werden?

Da muss man unterscheiden. Tatsächlich wurde mit dem sogenannten Kohle-Kompromiss entschieden, dass der Hambacher Forst erhalten bleiben soll. Zuvor hatte es eine große Auseinandersetzung um den Wald gegeben, inklusive Massenproteste und einer großangelegten Räumung, bei der Aktivisten von der Polizei aus Baumhäusern geholt wurden. RWE hat sich in einem Vertrag verpflichtet, dass der Hambacher Forst erhalten bleibt.

Das sogenannte Sündenwäldchen ist aber ein - zumindest heute - separates Waldstückchen, wenn auch in der Nähe. Es liegt östlich des Hambacher Forsts und ist im Vergleich sehr viel kleiner.

Woran entzündet sich nun die Kritik und was sagt RWE dazu?

Kritiker wie der Waldführer Michael Zobel kritisieren, dass im „Sündi“ - wie Aktivisten das Wäldchen nennen - „wieder mal ein gut funktionierendes Ökosystem“ zerstört werde. Anstelle eines intakten Biotopes werde es ein Loch geben. Mit dem Sand und Kies solle ein Yachthafen aufgeschüttet werden. „Kommerz geht wieder einmal vor Ökologie und Vernunft.“

Auch die Umweltschutzorganisation BUND bleibt bei ihrer Kritik. „Wir meinen, es hätte andere Optionen gegeben“, sagt BUND-NRW-Geschäftsführer Dirk Jansen der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe in dem Konflikt zwar nicht wie einst beim Hambacher Forst „um das ganz große Rad“, also um die Braunkohleförderung und die klimaschädliche Stromgewinnung aus Kohle an sich. Dennoch hab das „Sündenwäldchen“ einen hohen Symbolwert.

RWE verweist darauf, dass die erforderlichen artenschutzrechtlichen Überprüfungen und Maßnahmen stattgefunden hätten. Alle Genehmigungen lägen vor und das gewonnene Material werde zum Aufbau von sicheren und stabilen Böschungen benötigt. Das Areal liege inmitten des genehmigten Tagebau-Abbaufeldes und auf dem Betriebsgelände von RWE.

Warum heißt der Wald überhaupt „Sündenwäldchen“?

Viele Quellen dazu findet man nicht, wohl aber überlieferte Erzählungen. Die „tageszeitung“ („taz“) schrieb, dass der Name damit zu tun habe, dass sich einst die Dorfjugend dort „zu heimlichen Vergnügungen“ traf. Ähnlich erzählt es BUND-NRW-Geschäftsführer Dirk Jansen. Der Legende nach sei die Dorfjugend dorthin geschlichen, um „ungestört verbotene Dinge zu tun.“