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„Tiny Church“ in Wohnquartier: Kirche auf neuen Wegen

Mini-Kirche mit nur 17 Quadratmetern: Warum sich zwei Gemeinden für ein Holzhäuschen mit LED-Kreuz entschieden haben, um in einem wachsenden Wohnquartier Begegnung zu ermöglichen.

30.12.2025

Zwölf Menschen haben in der Mini-Kirche Platz.Hannes P. Albert/dpa

Zwölf Menschen haben in der Mini-Kirche Platz.Hannes P. Albert/dpa

© Hannes P. Albert/dpa

Eine Kirche, die auf einem Anhänger steht und noch dazu sehr, sehr klein ist: Im Frankfurter Stadtteil Niederrad befindet sich seit Kurzem eine „Tiny Church“. Es handelt sich um ein Häuschen aus Holz. Einen Kirchturm gibt es nicht. Lediglich ein LED-Kreuz an der Seite verweist auf ein christliches Gebäude.

Nutzer sind zwei Gemeinden, eine katholische und eine evangelische. Einen Altar oder ein Taufbecken sucht man in der Mini-Kirche vergebens. Das ist Absicht, wie George Kurumthottikal von der katholischen Pfarrei Sankt Jakobus sagt: „Geplant ist kein sakraler Raum. Wir wollen ein Begegnungsort für alle sein.“ 

Die nur 17 Quadratmeter messende Kirche befindet sich auf einem Parkplatz im Lyoner Quartier, einem früher als Bürostadt bekannten Teil von Frankfurt-Niederrad. 

Dort entstehen seit Jahren mehr und mehr Wohnungen anstelle von Büros. „Wir haben überlegt, was wir den Menschen hier anbieten können“, sagt Soziologe Kurumthottikal, der das Projekt bei der Pfarrei betreut. 

Häufig fehlen Orte für Begegnungen 

In neuen Wohngebieten wie dem Quartier im Frankfurter Südwesten gebe es zwar Einkaufszentren, jedoch kaum Begegnungsorte. „Die Viertel werden schnell bewohnbar gemacht, doch was mit dem Zusammenhalt ist, das bleibt offen.“ Diesen zu ermöglichen, sehe die Kirche als ihre Aufgabe.

Ins Lyoner Quartier sind Familien, Studierende sowie Pendler und Pendlerinnen gezogen, wie Pfarrerin Anja Bode von der evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde sagt. Also viele Menschen, die sich nicht dauerhaft niederlassen wollen und oft nur unter der Woche da sind. Wie lässt sich hier für Gemeinschaft sorgen und wo soll diese stattfinden? Beide christliche Kirchen kämpfen mit Mitgliederschwund und sinkenden Einnahmen. 

Ein Kirchenneubau sei allein aus finanziellen Gründen nicht machbar gewesen, sagt Bode. Die Idee der ökumenischen Mini-Kirche sei angelehnt an das Konzept von „Tiny Houses“ entstanden, in denen das Interieur auf das Nötigste reduziert wird. Sie kostete rund 120.000 Euro.

Es gibt zwar ein LED-Kreuz, aber keinen Altar und kein Taufbecken.Hannes P. Albert/dpa

Es gibt zwar ein LED-Kreuz, aber keinen Altar und kein Taufbecken.Hannes P. Albert/dpa

© Hannes P. Albert/dpa

Fahrradwerkstatt und Poetry-Slam

In dem neuen Gebäude soll auch Neues entstehen, sagt Bode: „Es soll nicht so sein, dass wir das, was wir in unseren Gemeinden ohnehin schon tun, sozusagen duplizieren und dort noch mal hinsetzen.“ Geplant seien Angebote, die mit Religion und Kirche nichts zu tun hätten, wie ein Café-Betrieb, Musikveranstaltungen, eine Fahrradwerkstatt, Lesungen oder ein Poetry-Slam.

Gleichzeitig werde es auch Seelsorge und Andachten geben. „Wir sind schon als Kirche vor Ort. Als Kirche, die neue Wege geht und offen ist für das, was die Menschen im Quartier brauchen, und zwar alle Menschen.“ 

Mitte Dezember kam die Mini-Kirche auf ihrem Anhänger an, es gab eine kleine Einweihungsfeier mit Adventssingen. Die Idee entstand bereits vor Jahren, unter anderem das Genehmigungsverfahren kostete viel Zeit.

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zählt die Tiny Church in Frankfurt zu neuen Formen kirchlicher Praxis. Neben Gelegenheit, Gottesdienste zu feiern, sei hier ein „unkomplizierter Zugang zu Rat und Tat“ möglich.

Auch das Bistum Limburg erklärt, die Tiny Church zeige, „wie Kirche unter veränderten Rahmenbedingungen neue Formen der Präsenz erprobt“.

Ausschankwagen und Hoffnungsgarten

Die EKHN verweist etwa auf ein mobiles Jugendprojekt im Odenwald, das sich in einem umgebauten Ausschankwagen befindet. Motto: „Wir kommen dorthin, wo Jugendliche sind!“ Auch einen Hoffnungsgarten zum Mitmachen in Frankfurt und eine gerade erst eingeweihte Sitzlandschaft an der Friedenskirche in Offenbach nennt die EKHN.

Bei der Tiny Church gehe es auch darum, dass Kirche nicht nur etwas anbiete - Menschen aus der Nachbarschaft sollen mit ihrem Engagement das Projekt beleben, teilt die EKHN mit. Es ist zunächst auf fünf Jahre angelegt.

Auf ein christliches Gebäude weist nur das LED-Kreuz hin.Hannes P. Albert/dpa

Auf ein christliches Gebäude weist nur das LED-Kreuz hin.Hannes P. Albert/dpa

© Hannes P. Albert/dpa

Die Kirche befindet sich zwischen Hochhäusern in einem wachsenden Quartier.Hannes P. Albert/dpa

Die Kirche befindet sich zwischen Hochhäusern in einem wachsenden Quartier.Hannes P. Albert/dpa

© Hannes P. Albert/dpa

Neues Konzept: Mit einer Tiny Church soll ein flexibles kirchliches Angebot gemacht werden. Hannes P. Albert/dpa

Neues Konzept: Mit einer Tiny Church soll ein flexibles kirchliches Angebot gemacht werden. Hannes P. Albert/dpa

© Hannes P. Albert/dpa

Die Kirche befindet sich zwischen Hochhäusern in einem wachsenden Quartier.Hannes P. Albert/dpa

Die Kirche befindet sich zwischen Hochhäusern in einem wachsenden Quartier.Hannes P. Albert/dpa

© Hannes P. Albert/dpa