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Sondervotum zur NRW-Justizaffäre: „Verschwörung“

Hat eine gezielte Verschwörung die Auswahl für eines der höchsten Richterämter in NRW beeinflusst? Ein Sondervotum der Opposition sorgt für Wirbel.

27.11.2025

SPD-Obfrau Nadja Lüders sieht eine VerschwörungThomas Banneyer/dpa

SPD-Obfrau Nadja Lüders sieht eine VerschwörungThomas Banneyer/dpa

© Thomas Banneyer/dpa

Bei der Affäre um die Besetzung der Spitze des Oberverwaltungsgerichts NRW hat es sich nach Ansicht der Opposition um eine Verschwörung gehandelt. „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen: Es gibt eine Verschwörung, die von langer Hand geplant war“, sagte SPD-Obfrau Nadja Lüders.

Die Landesregierung hatte für die Präsidentenstelle eine erst spät ins Bewerbungsverfahren eingestiegene Bewerberin bevorzugt, den Beschluss nach Hinweisen auf seine Rechtswidrigkeit aber später zurückgezogen. 

Der Untersuchungsausschuss hatte sich nicht auf einen gemeinsamen Schlussbericht einigen können. Die Oppositionsfraktionen SPD und FDP stellten nun ein mehr als 70-seitiges Sondervotum für den Schlussbericht vor. Lüders nannte das Sondervotum eine „Anklageschrift“. 

Auffällig viele Gespräche

FDP-Obmann Werner Pfeil sprach von manipulativer Verfahrensgestaltung und „kollusivem Zusammenwirken“ zugunsten einer bestimmten Bewerberin. „Bevor die bevorzugte Bewerberin ihre Bewerbung überhaupt eingereicht hat, haben bereits auffällig viele Gespräche stattgefunden“, sagte Lüders. Die anderen Bewerber seien gedrängt worden, ihre Bewerbungen zurückzuziehen. Eine besondere Rolle habe dabei CDU-Bundestagsjustiziar Ansgar Heveling gespielt, sagte Pfeil. 

Als die für die Beurteilungen zuständige Referatsleiterin im Justizministerium die Bewerberin dennoch hinten sah, sei plötzlich ein neues Ausschreibungsmerkmal, die Digitalisierungskompetenz, aufgetaucht. Plötzlich sei die abgeschlagene Bewerberin auf dem ersten Platz gelandet. 

Diese habe sogar an den Schriftsätzen mitwirken dürfen, die dem Oberverwaltungsgericht für die gerichtliche Überprüfung der Personalie vorgelegt worden seien, sagte Lüders. 

„Keine Patt-Situation“

Während die Regierungsfraktionen CDU und Grüne den Untersuchungsausschuss als unnötig kritisiert hätten, sähen SPD und FDP dies ganz anders. Er habe erstmals in der Landesgeschichte zur Aufhebung eines offenkundig rechtswidrigen Kabinettsbeschlusses geführt. Das Bild einer Patt-Situation, bei der Aussage gegen Aussage stehe, stimme nicht, sagte Pfeil. „Die Mosaiksteine ergeben ein Bild.“ 

„Dieses Sondervotum ist keine Aufklärung, sondern politische Dramatisierung – und es verzerrt den Sachverhalt“, kritisierte dagegen Gregor Golland, CDU-Sprecher im Untersuchungsausschuss.

„SPD und FDP haben monatelang Nebelkerzen geworfen, um Zusammenhänge zu konstruieren, die es nicht gab. Der offizielle Bericht ist eindeutig: keine politische Einflussnahme, kein Deal, kein geheimer Plan“, so Golland. „Das zeitige Ende dieses Untersuchungsausschusses spricht für sich: Wo nichts ist, kann auch nichts gefunden werden.“
 

Konsequenzen gefordert

FDP und SPD listeten dagegen Handlungsempfehlungen auf, die sich ihrer Ansicht nach aus dem Fall ergeben. So solle künftig ein Richtervorschlagsgremium eingeführt werden, dass dem Justizminister einen Vorschlag für höchste Richterämter unterbreitet. 

Pfeil und Lüders zollten Richter Carsten Günther Respekt, der nicht eingeknickt sei angesichts seiner Benachteiligung und den Rechtsweg bis zum Bundesverfassungsgericht ausgeschöpft habe, um „diese große Ungerechtigkeit ans Tageslicht zu bringen“. „Mit allen Irrungen und Wirrungen, die dieser Fall hat, hat letztlich doch der Beste gewonnen“, sagte Pfeil. 

Untersuchungsauftrag

Der Untersuchungsausschuss hatte prüfen sollen, ob Vettern- und Parteibuchwirtschaft den Ausschlag bei der Besetzung der Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts gaben, oder, wie es gesetzlich vorgesehen ist, die Kompetenz der Bewerber. 

Zwei Verwaltungsgerichte hatten das Besetzungsverfahren gestoppt. Das in Münster hatte dabei scharfe Kritik geäußert und von manipulativer Verfahrensgestaltung geschrieben. Das Oberverwaltungsgericht hatte als zweite Instanz gegen die Personalentscheidung in eigener Sache keine Bedenken. 

Das Bundesverfassungsgericht hatte die OVG-Entscheidung aber teilweise aufgehoben und zurückverwiesen. Die Verfassungsrichter in Karlsruhe sahen Anhaltspunkte für eine Vorfestlegung, denen nicht ausreichend nachgegangen worden sei.

FDP-Obmann Werder Pfeil begründet Sondervotum zum Untersuchungsausschuss zur Justizaffäre. Oliver Berg/dpa

FDP-Obmann Werder Pfeil begründet Sondervotum zum Untersuchungsausschuss zur Justizaffäre. Oliver Berg/dpa

© Oliver Berg/dpa