Solingen-Anschlag: Opposition zieht vor Verfassungsgericht
Die Opposition sieht sich im Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag von Solingen blockiert und zieht vor den Verfassungsgerichtshof in Münster – zum zweiten Mal.

Statt der versprochenen Transparenz erlebe man im Untersuchungsausschuss eine Blockadehaltung der Regierungsfraktionen CDU und Grüne, sagte SPD-Obfrau Lisa Kapteinat. (Archivbild)Rolf Vennenbernd/dpa
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Für die Aufklärung der Umstände des Terroranschlags von Solingen zieht die Opposition vor den Verfassungsgerichtshof in Münster. Statt der versprochenen Transparenz erlebe man im Untersuchungsausschuss eine Blockadehaltung der Regierungsfraktionen CDU und Grüne, sagte SPD-Obfrau Lisa Kapteinat.
So habe die Ausschussmehrheit aus beiden Fraktionen Beweisanträge abgelehnt, die Chat-Kommunikation von vier wichtigen Mitarbeitern des Fluchtministeriums von Ministerin Josefine Paul (Grüne) zur Verfügung zu stellen. Diese seien eng in die Kommunikation der Landesregierung am Anschlagswochenende eingebunden gewesen.
„Es handelt sich um Schlüsselfiguren dieses Wochenendes“, sagte Kapteinat. Die Vertreter von SPD und FDP sind überzeugt, dass die Ablehnung der Beweisanträge verfassungswidrig ist, entsprechend werde die Klage beim Verfassungsgericht von beiden Fraktionen getragen. Die Begründung, es handele sich um Anträge „ins Blaue hinein“, sei nicht nachvollziehbar.
Chat-Protokolle und Verbindungsdaten gefordert
„Uns wurde von Ministerpräsident Hendrik Wüst persönlich maximale Transparenz versprochen, was wir seitdem erleben, gleicht eher einer maximalen Blockade“, sagte Kapteinat. Die Ablehnung der Beweisanträge der Opposition sei klar unzulässig.
Fabian Schrumpf, CDU-Sprecher im Untersuchungsausschuss, argumentierte: „SPD und FDP wollen Zugriff auf Handys der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterhalb der Leitungsebene. Ohne konkrete Anhaltspunkte ist das jedoch unverhältnismäßig und überschreitet klar den Auftrag des Untersuchungsausschusses.“ Die Beweisanträge seien pauschal, unverhältnismäßig und für die weitere Sachaufklärung ungeeignet, ergänzte Grünen-Sprecherin Laura Postma.
Die Opposition will Telekommunikations-Verbindungsdaten und Chat-Kommunikation insbesondere vom Anschlagswochenende sichten. Dabei stehe auch die Frage im Raum, ob Ministerin Paul die Wahrheit gesagt hat, sagte Kapteinat weiter.
Der Europäische Gerichtshof habe längst entschieden, dass Chat-Kommunikation in solchen Fällen zu den Akten gehört. Im Ausschuss habe man aber eine monatelange Verzögerungstaktik erlebt, die schließlich in der Ablehnung der Beweisanträge gegipfelt sei.
Selektives Löschen
So sei bereits ein verdächtiges selektives Löschen dieser SMS-Kommunikation zu beobachten gewesen, was nur die Kommunikation mit Ministerin Paul betraf, berichtete Kapteinat. Daher könne sich die Landesregierung nicht mehr auf Cyber-Sicherheit als Grund der Löschaktionen berufen.
SPD und FDP hoffen, über die Mitarbeiter zumindest einen Teil der Kommunikation von und mit Ministerin Paul rekonstruieren zu können. Es gehe auch darum zu klären, ob gegen das Lösch-Verbot verstoßen wurde. „Die Antragsschrift wird heute eingereicht“, sagte Kapteinat.
Die Opposition wirft Paul vor, nach dem Terroranschlag tagelang abgetaucht gewesen zu sein und die Unwahrheit gesagt zu haben zur Frage, wann ihr Haus über wesentliche Dinge informiert wurde. Paul war auf einer Dienstreise in Frankreich.
Bereits erste Verfassungsklage anhängig
Die Opposition im Untersuchungsausschuss war bereits wegen der Kommunikation zwischen Landtagsverwaltung und Landesregierung in der Sache vor den Verfassungsgerichtshof gezogen, nachdem ihr im Sitzungsprotokoll nachträgliche Änderungen aufgefallen waren.
Am 23. August vergangenen Jahres hatte der Syrer Issa al Hasan auf einem Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) hatte den Anschlag für sich reklamiert. Der 27-Jährige hatte zuvor bereits abgeschoben werden sollen. Ein Versuch war gescheitert.