Politik Inland

Polizeigewalt in Gießen? Innenminister verteidigt Einsatz

Bei Protesten gegen eine neue AfD-Jugendorganisation kommt es auch zu Gewalt - sowohl von Demonstranten als auch von der Polizei. Wie verteidigt der Innenminister den Großeinsatz?

01.12.2025

Poseck weist den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes zurück. Andreas Arnold/dpa

Poseck weist den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes zurück. Andreas Arnold/dpa

© Andreas Arnold/dpa

Die Polizei hat bei der Großdemonstration gegen die Gründung einer AfD-Jugendorganisation auch Gewalt eingesetzt und ist gegen Protestierende vorgegangen. Kritiker beklagen einen teils unverhältnismäßigen Einsatz. Auch gab es Vorwürfe, Festgenommene hätten nicht ihre Anwälte anrufen können. Wie sieht das Land den Einsatz?

Wie sieht die Bilanz nach ersten Erkenntnissen aus?

Nach den Worten von Innenminister Roman Poseck (CDU) wurden bei den Protesten gegen die Gründung einer AfD-Jugendorganisation in Gießen mehr als 50 Polizisten verletzt. Darunter seien keine schweren Verletzungen gewesen, sagte der Minister zwei Tage nach dem Großeinsatz. Es habe Schläge, Tritte und Böllerwürfe gegen Polizisten sowie Handbrüche gegeben.

„Dieses Wochenende in Gießen hinterlässt einen faden Beigeschmack“, sagte Poseck. Auf der einen Seite hätten Tausende für die Demokratie und Werte demonstriert. Auf der anderen Seite habe es aber auch ein sehr erhebliches Gewaltpotenzial gegeben, das sich auch entladen habe.

Poseck zufolge gab es drei Festnahmen, fast 200 Identitätsfeststellungen und eine Vielzahl an Durchsuchungen. Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind rund 1.000 gewaltbereite Personen nach Gießen gekommen.

Welche Debatte gibt es?

Nach dem Großeinsatz gibt es eine Debatte über angemessenen Protest und den Umgang der Polizei damit. Einige Kritiker werfen den Einsatzkräften ein unverhältnismäßiges Vorgehen vor.

So kritisierte die hessische Linke, dass von der hessischen Landesregierung antifaschistischer Protest kriminalisiert werde. Der Einsatz von Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken sei nicht verhältnismäßig. „Das muss aufgearbeitet werden“. 

Die Polizei trat mit einem Großaufgebot an.Lando Hass/dpa

Die Polizei trat mit einem Großaufgebot an.Lando Hass/dpa

© Lando Hass/dpa

Die GdP und die Landesregierung weisen dies zurück. Wie sich auch in Gießen gezeigt habe, schützen Polizeibeamtinnen und -beamte Grundrechte, sichern Versammlungen und greifen ein, wenn aus Worten Gewalt wird, sagte der GdP-Landesvorsitzende Jens Mohrherr. Vorwürfe, es sei Festgenommenen der Kontakt zu Anwälten verweigert worden, seien nach seinem Kenntnisstand falsch, sagte Poseck.

Wo hat die Polizei Gewalt eingesetzt?

Von 15 Blockaden wurden 5 von der Polizei aufgelöst. Auch Demonstranten hätten Verletzungen erlitten, ergänzte Poseck. Jedoch lägen derzeit keine belastbaren Daten vor. Mutmaßlich sei es eine zweistellige Zahl, kleiner als 50. Bei einer Blockade habe es einen Verkehrsunfall mit einem Rettungswagen gegeben.

Darf die Polizei Gewalt einsetzen?

Die Polizei gehört zum Staat und der hat in Deutschland das Gewaltmonopol. Bei Befragungen, Durchsuchungen oder anderen Einsätzen wie Demonstrationen darf sie physische Gewalt anwenden, wenn es keine andere Option gibt.

Bei den Protesten am Samstag kam es an einigen Orten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. Bei der Auflösung von Straßenblockaden kamen Wasserwerfer zum Einsatz. 

Ist das Demonstrationsrecht geschützt?

Ja. Die Versammlungsfreiheit ist in Deutschland durch das Grundgesetz geschützt. Dort heißt es im Artikel 8: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden.“ Die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht liegt dem Bundesinnenministerium zufolge bei den Ländern.

Welche Ängste gibt es bei der Polizei durch solche Debatten?

Die hohe Zahl verletzter Polizistinnen und Polizisten sei nicht hinnehmbar, sagte Mohrherr. „Die Polizei wird in politischen Auseinandersetzungen zunehmend zum Feindbild – ein Feindbild, an dem sich manche offenbar mit allen Mitteln abarbeiten wollen.“

Es bereite uns große Sorgen, wenn der Einsatz in Gießen zur Blaupause für kommende Lagen wird. Angesichts der vier bevorstehenden Landtagswahlen im kommenden Jahr und dem enormen Gewaltpotential links- und rechtspolitischer Konfrontation sei mit einer deutlichen Zunahme politischer Spannungen zu rechnen.