Panse: In Thüringen lebende Juden fühlen sich unsicher
Der Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mit 1.200 getöteten und 250 verschleppten Menschen war Auslöser des Gaza-Krieges. Auch Thüringen erlebt seitdem eine Zunahme des Antisemitismus.

Zwei Jahre nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 soll in Erfurt an die der Terrororganisation weiterhin festgehaltenen israelischen Geiseln erinnert werden. (Archivbild) Michael Reichel/dpa
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Zwei Jahre nach dem Hamas-Massaker in Israel und der darauffolgenden israelischen Militäroffensive im Gazastreifen fühlt sich nach Beobachtung des Landes-Antisemitisbeauftragten Michael Panse ein großer Teil der in Thüringen lebenden jüdischen Menschen zunehmend unsicher. Vor allem ältere Gemeindemitglieder wagten sich oft nur dann zum Gottesdienst, wenn vor der Synagoge Polizeiautos zu deren Schutz stünden, sagte Panse der Deutschen Presse-Agentur. „Und es gibt etliche aus der jüdischen Landesgemeinde, die auf gepackten Koffern sitzen und mit dem Gedanken spielen, das Land zu verlassen.“
Am 7. Oktober 2023 verübten Hamas-Anhänger und andere Terroristen Massaker in Israel, bei denen rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden waren. Israel reagierte darauf mit einer Militäroffensive. Seit Kriegsbeginn wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 67.000 Palästinenser im Gazastreifen getötet.
Mehr antisemitische Vorfälle dokumentiert
Die Bilder von den Zerstörungen im Gazastreifen und flüchtenden und hungernden Menschen haben weltweit zu Protesten gegen den Militäreinsatz und in Deutschland nach Einschätzung etwa der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) zu einer massiven Zunahme des israelbezogenen Antisemitismus geführt. In Thüringen hatte Rias im vergangenen Jahr 392 Fälle gezählt, nach 297 im Jahr 2023. Panse geht davon aus, dass die Zahl in diesem Jahr noch höher ausfallen dürfte. „In den letzten vier bis fünf Monaten ist es schlimmer geworden.“
Zielscheibe „für etwas, wofür sie nichts können“
Das Schicksal der israelischen Hamas-Opfer und der in deren Händen verbliebenen 48 Geiseln werde oft ausgeblendet, so Panse. Stattdessen würden auch in Thüringen hier lebende Jüdinnen und Juden, „ständig dafür verantwortlich gemacht, was in Nahost passiert“. Sie würden zur Zielscheibe „für etwas, wofür sie nichts können.“ Israelkritik sei in offenen Antisemitismus und in Anfeindungen gegen den Staat Israel umgeschlagen.
Besonders bedenklich sei die Zunahme antisemitischer Vorfälle im Hochschulmilieu. Die Rias-Meldestelle hatte die Hälfte aller dokumentierten antisemitischen Fälle dem israelbezogenen Antisemitismus zugeordnet. Panse forderte eine stärkere strafrechtliche Sanktionierung von Antisemitismus.
Die Thüringer Linken-Vorsitzenden Katja Maurer und Ralf Plötner bezeichneten es in einer Erklärung zum Jahrestag des Hamas-Angriffs als erschütternd, „dass Aufrufe zur Vernichtung Israels, die Verherrlichung terroristischer Gewalt oder die Relativierung der Schoa auf Demonstrationen in Deutschland wieder zur bedrückenden Normalität geworden sind.“ Für die Linke sei klar: „Kritik an der Politik der israelischen Regierung ist legitim – sie darf jedoch niemals in Hass auf Jüdinnen und Juden umschlagen.“
Die SPD-Landtagsabgeordnete Dorothea Marx mahnte im Kampf gegen Antisemitismus zu einer geschlossenen Haltung von Politik, Polizei und Zivilgesellschaft. „Unsere jüdische Gemeinde ist Teil unserer Gesellschaft und unseres kulturellen Erbes“, erklärte sie laut Mitteilung. „Sie verdient Sicherheit, Respekt und Solidarität – nicht Misstrauen und Bedrohung.“ Der CDU-Landtagsfraktionschef Andreas Bühl, der auch Vorsitzender des Freundeskreises Israel im Thüringer Landtag ist, verwies auf die Notwendigkeit eines länderübergreifenden Netzwerks gegen Antisemitismus.
Gedenken an Hamas-Überfall auch in Thüringen
Am zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers soll unter anderem in einer Gedenkveranstaltung am Thüringer Landtag an das Schicksal der 48 in den Händen der Terrororganisation verbliebenen Geiseln erinnern – darunter auch deutsche Staatsangehörige –, von denen ein Teil wohl nicht überlebt hat. Am Landtag und vor der Staatskanzlei soll die israelische Staatsflagge gehisst werden, ebenso nach Angaben der jüdischen Landesgemeinde vor dem Erfurter Rathaus. Die Landesgemeinde hatte dies als Zeichen der Solidarität gefordert. Geplant ist auch eine Lesung mit dem israelischen Publizisten Arye Sharuz Shalicar im Landtag.