Komplett-Umzug nach Berlin? - „Fake News!“
Teuer und schlecht für die Umwelt findet Kai Wegner die vielen Dienstreisen zwischen Berlin und Bonn. Deshalb soll alles in die Hauptstadt. Vom Rhein gibt es eine harsche Replik.

Auch der Bundespräsident hat einen zweiten Amtssitz in Bonn - die Villa Hammerschmidt (Archivbild).Henning Kaiser/dpa
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Am 3. Oktober wird 35 Jahre deutsche Einheit gefeiert - Zeit für einen Komplett-Umzug der Bundesregierung nach Berlin? Ja, sagt der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Begründung: Die jährlich 20.000 Dienstreisen der Bundesbeamten zwischen Bonn und Berlin seien teuer und schlecht für die Umwelt.
Außerdem wollten viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch viel lieber in die trendige Hauptstadt wechseln. „Die jungen Leute gehen nach Berlin, wenn sie Aufstiegschancen haben wollen. Und deswegen muss der komplette Umzug auch erfolgen“, forderte Wegner.
Die Antwort vom Rhein ließ nicht lange auf sich warten. „Der Vorschlag von Herr Wegner ist abwegig und völlig aus der Zeit gefallen“, teilte Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur mit. Noch harscher fiel die Reaktion der NRW-Landesregierung aus. „Es muss jetzt mal langsam Schluss sein mit den Fake News zum Thema Bonn-Berlin“, kritisierte Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei.
Corona und Ukraine-Krieg werden zugunsten von Bonn angeführt
Seit der Corona-Pandemie hätten sich Homeoffice und Videokonferenzen etabliert, so Liminski. Wer da immer noch mit Kosten und Klimafolgen komme, „handelt entweder aus Unwissen oder im plumpen Eigeninteresse - in jedem Fall aber nicht an der Sache orientiert“. Ein Komplettumzug nach Berlin würde hohe Milliardenbeträge verschlingen. Die 10 bis 20 Millionen Euro für den Berlin-Bonn-Betrieb seien im Vergleich dazu eine höchst sinnvolle Investition: „Wenn es in Bonn kein zweites bundespolitisches Zentrum gäbe, müsste es man es spätestens jetzt nach den Erfahrungen mit der Covid-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine erfinden.“
Das Bonn-Berlin-Gesetz aus dem Jahr 1994 hatte vorgesehen, dass die Bundesregierung nach Berlin umziehen würde, was fünf Jahre später geschah. Das Gesetz legte aber auch fest, dass „der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundesstadt Bonn erhalten“ bleiben sollte. Heute ist noch gut ein Drittel der ministeriellen Arbeitsplätze in Bonn angesiedelt.
50 Jahre wurde die bundesdeutsche Politik in Bonn gemacht
Das Bonn-Berlin-Thema kocht immer mal wieder hoch. Beide Städte sind sehr unterschiedlich: Bonn hat gerade mal 325 000 Einwohner - allein der Berliner Alexanderplatz wird täglich von mehr Menschen passiert. Doch trotz dieser bescheidenen Ausmaße ist Bonn Sitz von gleich zwei Dax-Unternehmen, der Post und der Telekom. Dazu kommen Institutionen wie das UN-Klimasekretariat, das jedes Jahr die Weltklimakonferenz vorbereitet.
Bonn war 1949 Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland geworden, weil Berlin mitten in der DDR lag und geteilt war. Zunächst hatte es so ausgesehen, als ob Frankfurt am Main das Rennen machen würde, doch dann entschied sich der Bundestag für Bonn. Dort hatte auch schon der Parlamentarische Rat getagt, der das Grundgesetz erarbeitet hatte. Außerdem war der Zerstörungsgrad durch die Bombardierungen des Krieges nicht so hoch, und es sollte damit betont werden, dass die Hauptstadt nur provisorisch und vorübergehend nicht Berlin war. Ein weiterer Grund, der im Hintergrund mitspielte: Bundeskanzler Konrad Adenauer wohnte gleich gegenüber auf der anderen Rheinseite.

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner will einen Komplett-Umzug aller Bundesministerien nach Berlin (Archivbild). Fabian Sommer/dpa
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Die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner lehnt einen Komplettumzug aller Bundesministerien nach Berlin ab (Archivbild).Oliver Berg/dpa
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50 Jahre wurde die bundesdeutsche Politik in Bonn gemacht - etwa hier im Büro von Helmut Schmidt im Bundeskanzleramt (Archivbild).Henning Kaiser/dpa
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Der Plenarsaal des Bundestags in Bonn ist heute ein internationales Konferenzzentrum (Archivbild).Rolf Vennenbernd/dpa
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