Politik Inland

Höchste Sicherheitsstufe bei Vernichtung von Chemiewaffen

In der Lüneburger Heide verseuchen Altlasten Boden und Grundwasser. Aus dem Dethlinger Teich werden Tausende chemische Waffen von der Wehrmacht geborgen. Die bundeseigene Geka vernichtet sie.

06.11.2025

Ingo Schories, Leiter der Abteilung Vernichtung von Munition und Explosivstoffen bei der GEKA, steht neben verschiedenen Munitionstypen.Philipp Schulze/dpa

Ingo Schories, Leiter der Abteilung Vernichtung von Munition und Explosivstoffen bei der GEKA, steht neben verschiedenen Munitionstypen.Philipp Schulze/dpa

© Philipp Schulze/dpa

Atemschutzmaske, Ganzkörperanzug und Handschuhe - die Sicherheitsvorkehrungen bei der Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten (Geka) können nicht streng genug sein. Täglich liefert ein Lkw Dutzende alte chemische Waffen aus dem nur wenige Kilometer entfernten Dethlinger Teich bei Munster im Heidekreis. „Das ist eine Black Box“, sagt Ingo Schories, Leiter Vernichtung Munition und Explosivstoffe. Die Grube gilt als größte Müllhalde für Chemiewaffen zumindest in Europa. 

„Wir sind die Kriegsverlierer gewesen und man hat der Wehrmacht alles abgenommen“, erzählt der Fachmann von der deutschlandweit einzigen Vernichtungsanlage für chemische Kampfstoffe. Massenweise Munition wie Giftgas- und Sprenggranaten wurde nach dem 2. Weltkrieg in den riesigen Teich geschmissen, danach wurde er einfach zugeschüttet. 

Erst Jahrzehnte später machte man sich Gedanken um das schon lange in der betroffenen Region verunreinigte Grundwasser. Mehr als 100 000 verschiedene Kampfmittel könnten in der Tiefe lagern, der Teich entstand durch den Abbau von Kieselgur. Flüssige und feste Gifte schlummern gefährlich vor sich hin. 

Schüsse vom Truppenübungsgelände begleiten den Alltag

Gleich nebenan in Munster unterhält die Bundeswehr den größten Standort des deutschen Heeres. Auf den breiten Straßen im gefühlten Nirgendwo kommen einem Tarnfahrzeuge entgegen. Fotografieren ist auch am Gelände der Geka verboten. Und immer wieder sind die Schüsse vom nahen Truppenübungsgelände zu hören. Alltag für Anwohner in der Region. 

Vor zwei Jahren wurde mit der Bergung begonnen, ein überdimensionales und stets gut bewachtes Zelt über das Gewässer aufgestellt. Als probeweise die ersten Bodenschichten abgetragen wurden, kamen recht kleine Granaten zum Vorschein. Das habe sich komplett geändert, berichtet Schories: „Statt 7,5 haben die meisten nun einen Durchmesser von 15 Zentimetern.“ 

Sie sind vollkommen verrostet, zum Teil mit Senfgas gefüllt und könnten noch detonieren. Derzeit komme viel französische Munition zum Vorschein, die die Wehrmacht erbeutet hatte. Alles wird einzeln dokumentiert, bevor es unschädlich gemacht wird. Schories ist schon viele Jahre dabei, einen Unfall gab es bisher nicht, sagt er.

Bundesstraße wird wegen gefährlicher Arbeiten gesperrt

Wenn nach dem gefährlichen Gut gegraben wird, muss die Umgebung mit der B71 für den Autoverkehr tagsüber gesperrt werden. Im schlimmsten Fall könnte es zu Detonationen kommen. „Wir haben irre viel gefunden“, sagt Carsten Bubke, Umwelttechniker des Heidekreises und Experte für Sprengstoffe. An die 54.000 Granaten, Bomben und Minen habe man bereits geborgen. 

Der Zeitplan sah vor, bis 2028 fertigzuwerden, doch das wird schwierig. Es müsse auch deutlich mehr Wasser durch die Grundwasserreinigungsanlage auf der Räumstelle am verseuchten Teich gepumpt werden als angenommen. Das gereinigte Wasser wird in Versickerungsbrunnen wieder in den Untergrund eingeleitet. An 180 Tagen im Jahr wird die Munition geborgen. 

Eine erste Kostenschätzung 2015 des Heidekreises ergab Gesamtkosten von 50 Millionen Euro für die Sanierung dieser bundesweit einmaligen Rüstungsaltlast. Wegen gestiegener Kosten und unter der Annahme, dass sämtliche Teichinhalte entsorgt werden müssen, liegen die Gesamtkosten inzwischen bei bis zu rund 80 Millionen Euro. Den Großteil der Finanzierung übernimmt der Bund.

Ingo Schories, Leiter der Abteilung Vernichtung von Munition und Explosivstoffen bei der GEKA steht neben einer Kiste mit Giftgasgranaten.Philipp Schulze/dpa

Ingo Schories, Leiter der Abteilung Vernichtung von Munition und Explosivstoffen bei der GEKA steht neben einer Kiste mit Giftgasgranaten.Philipp Schulze/dpa

© Philipp Schulze/dpa

Aus dem Dethlinger Teich werden Tausende chemische Waffen von der Wehrmacht geborgen - die Geka vernichtet sie.Philipp Schulze/dpa

Aus dem Dethlinger Teich werden Tausende chemische Waffen von der Wehrmacht geborgen - die Geka vernichtet sie.Philipp Schulze/dpa

© Philipp Schulze/dpa

Eine Kiste mit Giftgasgranaten aus dem Dethlinger Teich.Philipp Schulze/dpa

Eine Kiste mit Giftgasgranaten aus dem Dethlinger Teich.Philipp Schulze/dpa

© Philipp Schulze/dpa