Politik Inland

Muslim Interaktiv verboten: „Schlag gegen Tiktok-Islamismus“

Mit einer Demo, auf der das Kalifat gefordert wurde, sorgt die Gruppe Muslim Interaktiv für Aufsehen und Empörung – weit über Hamburg hinaus. Nun wurde die Vereinigung verboten.

05.11.2025

In Hamburg wurden insgesamt sieben Objekte durchsucht.Marcus Brandt/dpa

In Hamburg wurden insgesamt sieben Objekte durchsucht.Marcus Brandt/dpa

© Marcus Brandt/dpa

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat das Verbot der als gesichert extremistisch eingestuften Gruppe Muslim Interaktiv begrüßt. Das vom Bundesinnenminister verfügte Verbot gehe auch auf die Arbeit Hamburger Behörden zurück, sagte er. Innensenator Andy Grote (beide SPD) sprach von einem Schlag gegen „den modernen Tiktok-Islamismus“. Mit dem Verbot habe man „eine gefährliche und sehr aktive islamistische Gruppierung ausgeschaltet“.

Muslim Interaktiv sei vom Hamburger Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft und eindeutig dem islamistischen Spektrum zugeordnet worden, sagte Tschentscher. „Die in Hamburg gesammelten Erkenntnisse haben maßgeblich dazu beigetragen, ein bundesweites Verbot zu ermöglichen.“

Durchsuchungen in drei Bundesländern

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte das Verbot der 2020 gegründeten Gruppe am Mittwochmorgen bekanntgegeben. Zudem liefen gegen die Vereine Generation Islam und Realität Islam vereinsrechtliche Ermittlungen, teilte das Innenministerium mit.

Muslim Interaktiv lehne das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ab und weise damit eine verfassungsfeindliche Grundhaltung auf, hieß es zur Begründung. Zudem verstoße der Verein gegen den Gedanken der Völkerverständigung, indem er das Existenzrecht Israels bestreite.

Im Zusammenhang mit dem Verbot und den Ermittlungen durchsuchten Polizeikräfte am frühen Morgen Objekte in Hamburg, Berlin und Hessen. Dabei seien Bargeld, Datenträger und handschriftliche Notizen sichergestellt worden, sagte Dobrindt.

Unter anderem gab es Einsätze in Mümmelmannsberg und in Neuallermöhe.Marcus Brandt/dpa

Unter anderem gab es Einsätze in Mümmelmannsberg und in Neuallermöhe.Marcus Brandt/dpa

© Marcus Brandt/dpa

Hamburger Polizei durchsucht sieben Objekte

In Hamburg wurden nach Angaben der Innenbehörde sieben Objekte durchsucht. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch in den Stadtteilen Mümmelmannsberg und Neuallermöhe. Zahlreiche Polizeikräfte waren im Einsatz.

Wie schon beim Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg vor einem Jahr sei auch das Verbot von Muslim Interaktiv durch eine jahrelange und intensive Arbeit des Hamburger Verfassungsschutzes ermöglicht worden, sagte Grote. „Das Verbot zeigt, dass wir gerade hier in Hamburg mit aller Härte und Konsequenz gegen islamistische Strukturen vorgehen.“

Der Chef des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, Torsten Voß, betonte, dass sich das Verbot nicht gegen den Islam richte: Vielmehr schütze es die Religion, denn es richte sich ausdrücklich nicht gegen Muslime, sondern gegen Verfassungsfeinde, die den Islam für ihre ideologischen Zwecke missbrauchten, sagte er.

Der Hamburger Verfassungsschutz hatte die Gruppe bereits als gesichert extremistisch eingestuft und beoabachtet.Marcus Brandt/dpa

Der Hamburger Verfassungsschutz hatte die Gruppe bereits als gesichert extremistisch eingestuft und beoabachtet.Marcus Brandt/dpa

© Marcus Brandt/dpa

Verfassungsschutz: Muslim Interaktiv will Gesellschaft spalten

In ihren Posts und Videos griffen die führenden Köpfe von Muslim Interaktiv in den sozialen Medien aktuelle und gesellschaftlich relevante Themen auf, um sie „zur Darstellung einer vermeintlich fortwährenden Ablehnungshaltung der Politik und Gesellschaft in Deutschland gegenüber der gesamten muslimischen Community“ zu instrumentalisieren, heißt es im aktuellen Hamburger Verfassungsschutzbericht zu Muslim Interaktiv.

Damit ziele die Gruppe auf eine Spaltung der Gesellschaft ab. „Zudem versucht die Gruppierung, das Vertrauen in die Institutionen des deutschen Staates, der als „Wertediktatur“ bezeichnet wird, zu erschüttern.“

Im Frühjahr vergangenen Jahres hatte Muslim Interaktiv mit einer Demonstration in Hamburger Stadtteil St. Georg, bei der auch Rufe nach Einführung eines Kalifats laut geworden waren, für Empörung weit über die Stadtgrenzen hinaus gesorgt.

Positive Reaktionen aus der Bürgerschaft

In der Hamburgischen Bürgerschaft zeigte man sich erleichtert von dem Verbot. „Für uns ist klar: Wir lassen nicht zu, dass Verfassungsfeinde – egal welcher Art – unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung angreifen oder gar abschaffen wollen“, sagte der Innenexperte der SPD-Fraktion, Sören Schumacher. Organisationen wie Muslim Interaktiv hätten nichts „mit dem friedlichen Islam und der überwältigenden Mehrheit der Muslim:innen in Deutschland gemeinsam“. 

Die islamistische Vereinigung sei gefährlich für die Gesellschaft - insbesondere für junge Menschen, betonte die Vorsitzende und innenpolitische Sprecherin der Grünen, Sina Imhof. „Die Extremisten nutzen ganz gezielt Plattformen wie Tiktok, um sie mit ihren Hassbotschaften zu erreichen.“

Auch die CDU begrüßte das Verbot. „Die Forderungen nach einem Kalifat in Deutschland, die Aufrufe zu Hass und Gewalt sowie die Leugnung des Existenzrechts Israels durch die fast ausschließlich männlichen Mitglieder und Anhänger dieser islamistischen Gruppierung sind absolut inakzeptabel und nicht mit den Werten unserer offenen und demokratischen Gesellschaft vereinbar“, sagte ihr innenpolitischer Sprecher Dennis Gladiator.

Der Innenexperte der Linken, Deniz Celik, nannte das Verbot längst überfällig. Aber die islamistische Ideologie und ihre Anhänger würden dadurch nicht einfach verschwinden. „Der Senat muss daher dringend seine Präventionsarbeit gegen Islamismus evaluieren und intensivieren“, sagte er.

AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann forderte auch das Verbot „der islamistischen Ableger“ von Muslim Interaktiv. „Die Kalifat-Islamisten gehören zerschlagen und dürfen keine ruhige Minute haben“, sagte er.

Gewerkschaft begrüßt Rechtssicherheit durch Verbot

Das Verbot sei richtig, betonte der Hamburger Landesvorstand der Gewerkschaft der Polizei. „Wir Polizistinnen und Polizisten wissen ganz genau, dass es zu unseren Aufgaben gehört, Verbote durchzusetzen. Dazu braucht es Rechtssicherheit. Diese Rechtssicherheit ist nun gegeben.“