Expertenkritik: Bayerns Wassercent ist ungerecht
Mitte 2026 soll in Bayern die neue Abgabe für die Entnahme und Nutzung von Wasser kommen. Aber nicht für alle. Eine Anhörung von Fachleuten zeigt, nicht nur inhaltlich ist das Gesetz umstritten.
Ab Mitte 2026 soll in Bayern der Wassercent eingeführt werden. Der Gesetzentwurf von CSU und Freien Wählern stößt aber weiterhin auf massive Kritik. (Illustration)Fredrik von Erichsen/dpa
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Die ab Mitte 2026 geplante Einführung des Wassercents in Bayern stößt sowohl bei Umweltschützern als auch Kommunen wie auch in der Wirtschaft auf Kritik - wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen. Bei einer Anhörung im Landtag kritisierte eine Vielzahl von Experten wiederholt etwa die im Gesetz fehlende flächendeckende Verpflichtung zum Einbau von Zählern, wie sie in Privathaushalten üblich sind.
Dies mache die Kontrolle durch die Behörden schwierig, sagte Martin Spieler, Honorarprofessor an der TU München im Fachgebiet Umwelt- und Planungsrecht.
Andrea Vogel von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sprach gar von einer „schreiend ungerechten“ Regelung. Sie bezog sich dabei auch auf die unterschiedlichen Vorgaben für Landwirte. Kleine Betriebe, die nicht in großen Verbänden organisiert seien, müssten nach dem Gesetzentwurf künftig für die Wassernutzung zahlen, „alle anderen nicht“. Der Geschäftsführer des bayerischen Landesverbandes kommunaler Unternehmen, Gunnar Braun, nannte das Gesetz kurzerhand „nicht enkeltauglich“.
Große Änderungen dürfte auch die neuste Kritik am Gesetz kaum mit sich bringen, es soll bereits in der kommenden Woche im Landtag beschlossen werden. Auch dieses schnelle Vorgehen wurde in der Anhörung kritisiert - nicht nur von der Opposition.
Gesetz sieht Abgabe für alle vor - mit einer Vielzahl von Ausnahmen
Zwar sieht das Gesetz zunächst die Einführung der Wasser-Gebühr für alle Entnehmer und Verbraucher vor, doch es gibt viele Ausnahmen. Zum einen gibt es eine Freimenge von 5.000 Kubikmetern pro Jahr - das heißt, man zahlt erst für die Menge, die die 5.000 Kubikmeter übersteigt. Privatpersonen profitieren davon aber nicht: Die Freimenge gilt nur für Wasserversorger, Zweckverbände und Nutzer eigener Brunnen sowie für Unternehmen und die Industrie.
Zum zweiten werden für bestimmte Wassernutzungen gar keine zusätzlichen Gebühren erhoben, etwa für Entnahmen für den landwirtschaftlichen Hofbetrieb, für die Wasserversorgung von Nutztieren, für die Fischerei, zum Kühlen oder für die Nutzung erneuerbarer Energien wie Wärmepumpen.
Ferner sieht der Gesetzentwurf der Staatsregierung auch vor, dass keine Messungen für die Wasserentnahme vorgeschrieben werden sollen. Es genügt „die Glaubhaftmachung der tatsächlich entnommenen Menge an Wasser“. Für Peter Hirmer vom Bund Naturschutz ist die fehlende Kontrolle ein Fehler. Ein derartiges Vorgehen sei etwa im Steuerrecht undenkbar.
Pro Kubikmeter Grundwasser werden künftig einheitlich 10 Cent fällig. Gemessen am durchschnittlichen Wasserverbrauch von knapp 140 Liter pro Person und Tag kommen auf Privathaushalte rund fünf Euro pro Person und Jahr an zusätzlichen Kosten zu. Fällig werden soll der neue Wassercent mit Wirkung zum 1. Juli 2026.
Chemieindustrie bitte um Verschiebung auf 2027
Auch aus Sicht der Chemieindustrie ist der Wassercent problematisch. Jede zusätzliche Ausgabe für Unternehmen könne zu einem Kipppunkt für Standorte werden, sagt Roland Appel, Geschäftsführer der Bayerischen Chemieverbände. Er erinnerte daran, dass die Branche derzeit in einer schweren Krise stecke, daher müssten mögliche Wettbewerbsnachteile durch den Wassercent klein gehalten werden. Zudem sei die Einführung im kommenden Jahr wegen der bereits hohen Belastung der Unternehmen verwaltungstechnisch schwierig, er appellierte für eine Verschiebung auf Anfang 2027.
Der Bürokratiebeauftragte der Staatsregierung, Walter Nussel, verteidigte das Gesetz gegen Kritik. Es sei ein guter Weg, die vielen vorliegenden Interessen zu berücksichtigen, zudem gebe es nach fünf Jahren eine Evaluierung, dann könnte bei Bedarf auch nachjustiert werden, sollte es notwendig sein. Für ihn sei aber klar, es könne nicht alles immer gesetzlich geregelt werden, es brauche auch wieder mehr Vertrauen.
Gesetz regelt auch Hochwasserschutz neu
Die Novelle des Wassergesetzes regelt aber nicht nur die Einführung des Wassercents. Auch beim Hochwasserschutz sieht das Gesetz Neuerungen vor. So sollen Städte und Gemeinden künftig nur noch 20 Prozent der Planungs-, Bau- und Grunderwerbskosten für Maßnahmen tragen müssen statt der bisherigen bis zu 50 Prozent. Technische Hochwasserschutzmaßnahmen sollen als überragendes öffentliches Interesse eingeordnet werden. Auch dieser Punkt rief in der Anhörung Kritik hervor, zum einen, weil natürliche Schutzmaßnahmen nicht den gleichen Stellenwert erhalten sollen und zum anderen, weil damit Interessenkonflikte mit dem Trinkwasserschutz vorprogrammiert seien.