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Eskalation im Jemen: Ein vom Krieg zerrüttetes Land

Es ist ein komplexer, verheerender Konflikt, durch den das verarmte Land auf der Arabischen Halbinsel steuert. Zwei eigentlich verbündete Golfstaaten sind dort nun gefährlich nah aneinandergeraten.

31.12.2025

Der Jemen ist seit Jahrzehnten geplagt von Spaltungen entlang konfessioneller, regionaler und Stammesgruppen. (Archivbild)Mohammed Mohammed/XinHua/dpa

Der Jemen ist seit Jahrzehnten geplagt von Spaltungen entlang konfessioneller, regionaler und Stammesgruppen. (Archivbild)Mohammed Mohammed/XinHua/dpa

© Mohammed Mohammed/XinHua/dpa

Am Hafen von Mukalla im südlichen Jemen kommt es am frühen Dienstagmorgen zum Luftangriff. Dutzende dort geparkte Geländewagen und gepanzerte Fahrzeuge gehen in Flammen auf. Es ist eine neue Stufe der Eskalation zwischen den eigentlich verbündeten Golfstaaten Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate. Welche Ziele verfolgen sie im Land und wie könnte es im Jemen-Konflikt weitergehen? Die wichtigsten Fragen:

Was für ein Land ist der Jemen?

Der Jemen ist ein arabisches Land, das an Saudi-Arabien und den Oman grenzt. Es wird größtenteils von Muslimen bewohnt. Durch seine Lage am südlichen Eingang zum Roten Meer befindet es sich an einer der wichtigsten Routen für den Welthandel. Trotz eigener Öl- und Gasvorkommen ist es eines der ärmsten und am schlechtesten entwickelten Länder der Welt, in dem die meisten Menschen von der Landwirtschaft leben. Die humanitäre Lage ist dramatisch - 19 Millionen Menschen sind auf Hilfe angewiesen.

Der Jemen ist seit Jahrzehnten geplagt von Spaltungen entlang konfessioneller, regionaler und Stammesgruppen. Der Staat ist schwach und andere Länder - aktuell vor allem der große Nachbar Saudi-Arabien wie auch der Iran - haben großen Einfluss. Das Land war von 1967 bis 1990 zweigeteilt und auch jetzt gibt es Forderungen von Separatisten im Süden, sich vom Norden abzuspalten, und entsprechende Demonstrationen. Im Norden leben etwa 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung. Zudem sind Extremisten in dem Land aktiv, immer wieder kommt es zu Anschlägen und Entführungen.

Seit wann gibt es Bürgerkrieg und warum?

Der aktuell laufende Bürgerkrieg begann 2014, als die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz den Norden samt der Hauptstadt Sanaa gewaltsam einnahm. Die Huthi gehören der schiitischen Strömung der Saiditen an und zettelten mehrfach Aufstände gegen die sunnitische Führung im Land an. Im Norden herrschen sie in einem Zwerg-Staat und setzen ihre Ideologie auf totalitäre Weise um, mutmaßlich auch durch Folter und Tötung von Kritikern und Journalisten. Die Huthi haben in ihrem Konflikt mit Israel auch Handelsschiffe im Roten Meer angegriffen, teils versenkt oder in Flammen aufgehen lassen.

Nachbar Saudi-Arabien sieht die eigene Sicherheit durch die Huthi bedroht und begann 2015 mit Verbündeten, darunter auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Ziele der Miliz im Jemen zu bombardieren. Ziel war, die jemenitische Regierung zu unterstützen und den Einfluss der Huthi - und damit des Irans - im Land zurückzudrängen. In dem Krieg kamen durch direkte militärische Folgen mehr als 150.000 Menschen ums Leben. Trotz einer Waffenruhe ab 2022 und Bemühungen um Vermittlung dauert der Konflikt mit den Huthi an.

Was hat es mit den jüngsten Angriffen auf sich?

Diese sind ein neuer Höhepunkt im Konflikt zwischen Saudi-Arabien und den Emiraten, die eigentlich verbündet sind im Kampf gegen die Huthi. Riad empfand Abu Dhabi bisher als eine Art Junior-Partner. Die Emirate verfolgen im Jemen, wie auch im Sudan und der größeren Region des Roten Meeres, aber zunehmend eigene Interessen und unterstützen seit Jahren die Separatisten des sogenannten Südlichen Übergangsrats (STC) im Südjemen. Diese haben in den vergangenen Wochen große Gebiete im Osten eingenommen, die auch an Saudi-Arabien grenzen, wodurch Riad unter Druck geriet.

Die Spannungen zwischen beiden Golfmächten haben sich seither immer weiter verschärft und jetzt einen neuen Höhepunkt erreicht. Ein von Saudi-Arabien angeführtes Militärbündnis bombardierte am Dienstag den Hafen von Mukalla und warf den Emiraten vor, dort Waffen und Fahrzeuge für die Separatisten liefern, was Abu Dhabi zurückwies. Opfer gab es nicht. Riad schloss sich auch jemenitischen Forderungen nach einem sofortigen Truppenabzug der Emirate aus dem Land an. Stunden später verkündeten die Emirate schließlich den „freiwilligen“ Abzug ihrer verbliebenen Truppen.

Welche Interessen haben Saudi-Arabien und die Emirate im Jemen?

Saudi-Arabien ist besorgt um die eigene Sicherheit und will den Jemen stabilisieren. Zwischen den beiden Ländern gibt es enge religiöse und kulturelle Beziehungen. Saudi-Arabien will seinen Einfluss bewahren und auch die Schiffsrouten im Roten Meer und im Golf von Aden sichern, die für den Öl- und Welthandel insgesamt sehr bedeutend sind. Riad will seinen Einfluss zudem nicht durch Abu Dhabi geschmälert sehen.

Die Emirate wiederum möchten sich unter anderem den Zugang zu den Häfen im Südjemen sichern. Sie wollten diese nicht unbedingt entwickeln, sagt Sultan Barakat, Politik-Professor an der Universität Hamad Bin Khalifa in Katar, gegenüber dem Nachrichtenkanal Al-Dschasira. Eher wollten sie sicherstellen, dass der emiratische Hafen Dschabal Ali seine Stellung als wichtigstes regionales Drehkreuz für die Seefahrt behält.

Wie könnte es jetzt weitergehen?

Der bisher größte offene Bruch der beiden Golfstaaten scheint zunächst überstanden. Die staatsnahen saudischen Medien feiern die Entwicklung als klaren Sieg über die Emirate. Der angekündigte Abzug der emiratischen Truppen ist aber eher symbolisch, denn dieser erfolgte größtenteils schon 2019. Laut Abu Dhabi sind ohnehin nur noch Spezial-Teams zum Anti-Terror-Kampf verblieben. Zahlen zu ihrer Stärke gibt es nicht.

Der Konflikt der Golfmächte wird aber andauern. Die Emirate dürften den STC weiter unterstützen oder mehr Mitsprache dabei fordern, die Zukunft des Jemen zu gestalten. Bei neuen Kämpfen zwischen den Separatisten und den von Riad unterstützten Regierungstruppen könnte im Süd- oder Ost-Jemen eine neue Front entstehen. Öffentlich wollen beide Golfstaaten aber ihr Image bewahren, keine Kriegstreiber, sondern sichere Inseln zu sein in einer von Unruhen geplagten Region. Deshalb wird der Konflikt am ehesten über ihre Verbündeten und ihre Stellvertreter ausgetragen werden.

Wie hängt der Krieg mit anderen Konflikten in der Region zusammen?

Experten sehen Verbindungen zum Konflikt im Sudan, der auch am Roten Meer liegt und wo Riad und Abu Dhabi auch unterschiedliche Seiten unterstützen. Die Emirate hätten hier zuletzt den Eindruck gewonnen, dass Riad sich um Sanktionen der USA gegen Abu Dhabi bemüht wegen dessen mutmaßlicher Waffenlieferungen in das Land. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus informierten Kreisen am Golf. Riad weise dies zurück. Diese Entwicklungen rund um den Sudan hätten aber mit dazu geführt, dass die Emirate den plötzlichen Vormarsch des STC im Jemen vorantrieben.

Zusammenhänge gibt es auch mit der faktisch unabhängigen Region Somaliland am Horn von Afrika, die Israel kürzlich als souveränen Staat anerkannte und deren Küste nur Dutzende Kilometer Luftlinie entfernt liegt vom Jemen. Sollte Israel dort Truppen stationieren, wäre es eine direkte Bedrohung für Saudi-Arabien. Die Botschaft, die Riad mit dem überraschenden Luftangriff im Jemen sendete, sei wohl auch an Somaliland gerichtet, sagt Abdel Kadir al-Chali, ein politischer Beobachter im Jemen, der dpa.

Die Huthi-Miliz griff vom Jemen aus immer wieder Handelsschiffe im Roten Meer an. (Archivbild)Uncredited/European Union’s Operation Aspides/dpa

Die Huthi-Miliz griff vom Jemen aus immer wieder Handelsschiffe im Roten Meer an. (Archivbild)Uncredited/European Union’s Operation Aspides/dpa

© Uncredited/European Union's Operation Aspides/dpa

Der Jemen zählt zu den ärmsten und am schlechtesten entwickelten Ländern der Welt. (Archivbild)Uncredited/AP/dpa

Der Jemen zählt zu den ärmsten und am schlechtesten entwickelten Ländern der Welt. (Archivbild)Uncredited/AP/dpa

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Mit Lieferungen der Emirate in den Jemen sah Saudi-Arabien eine rote Linie überschritten. (Archivbild)-/Saudi state television/AP/dpa

Mit Lieferungen der Emirate in den Jemen sah Saudi-Arabien eine rote Linie überschritten. (Archivbild)-/Saudi state television/AP/dpa

© -/Saudi state television/AP/dpa