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Wenige Fachkräfte in Bayerns Kitas - ist das ein Problem?

Bayern ist bundesweites Schlusslicht bei der Fachkraftquote in den Kitas. Familienministerin Scharf hält den Vergleich für unredlich. Doch die Studienautorinnen halten dagegen.

30.09.2025

Nirgendwo in Deutschland arbeiten in den Kitas so wenige Fachkräfte wie in Bayern. (Symbolbild)Patrick Pleul/dpa

Nirgendwo in Deutschland arbeiten in den Kitas so wenige Fachkräfte wie in Bayern. (Symbolbild)Patrick Pleul/dpa

© Patrick Pleul/dpa

Eine Studie zum Anteil von Fachkräften in Bayerns Kitas sorgt für Aufregung, denn der Freistaat schneidet erneut nicht gut ab. Die Deutsche Presse-Agentur beantwortet die wichtigsten Fragen: 

Was haben die Bildungsforscher herausgefunden?

Der Anteil der Kitas, in denen viele pädagogisch qualifizierte Fachkräfte arbeiten, ist in den meisten Bundesländern weiter gesunken. Weil Fachpersonal fehle und Kommunen unter Kostendruck stünden, dürften immer mehr Personen aus anderen Berufsgruppen pädagogische Aufgaben übernehmen, heißt es im „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung. In der Folge zeichne sich eine Tendenz zur De-Professionalisierung und einer „strukturellen Absenkung des Qualifikationsniveaus“ ab. 

Wie schneidet Bayern ab?

Mit 54,5 Prozent hat der Freistaat wie in den Vorjahren mit Abstand die niedrigste Fachkraftquote bundesweit. Der deutschlandweite Schnitt beträgt 72 Prozent, beim Spitzenreiter Thüringen sind es gar mehr als 94 Prozent. 

Nur 3,6 Prozent der rund 9.500 bayerischen Kitas (ohne Horte) verzeichneten die von der Arbeitsgruppe Frühe Bildung des Bundesfamilienministeriums empfohlene hohe Fachkraftquote von mindestens 82,5 Prozent. Bei einem knappen Drittel (31,5 Prozent) der Kitas war zum Stichtag 1. März 2024 hingegen nicht einmal die Hälfte des Personals eine Fachkraft. Die Mehrheit der Kitas (55,2 Prozent) beschäftigte zu 50 bis 70 Prozent Profis. 

Wie reagiert die Sozialministerin?

In Bayern arbeiten aus historischen Gründen verhältnismäßig viele Kinderpflegekräfte. Auch sind immer häufiger Quereinsteiger anzutreffen - seit 2022 haben sich rund 16.000 Frauen und Männer berufsbegleitend weiterbilden lassen. Wenn sie es auf diesem Wege bis zur „Ergänzungskraft“ schaffen, gelten sie in Bayern ebenfalls als pädagogisches Personal. Beide Gruppen werden in der Studie aber nicht berücksichtigt.

Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) ist deshalb stinksauer. „Es werden Äpfel mit Birnen verglichen – das ist nicht fair gegenüber dem Kita-Personal.“ Sie ärgere sich maßlos über die Studie. „Individuelle Vorgaben der Bundesländer in einen Topf zu werfen und versuchen zu vergleichen, schafft extrem unterschiedliche Ergebnisse, die polarisieren.“ 

Werden wirklich Äpfel mit Birnen verglichen?

In der Tat unterscheiden sich die Regelungen der Bundesländer, welche Berufsabschlüsse oder Qualifizierungswege für die Tätigkeit als pädagogische Fachkraft anerkannt werden. Deshalb haben sich die Studienautorinnen auf die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik gestützt. Diese erfasst, wie viele pädagogisch tätige Personen in den Kitas mindestens einen fachlich einschlägigen Fachschulabschluss vorweisen. Eine Erzieherin zählt dazu - ein Kinderpfleger jedoch nicht. 

Die Sozialministerin will das Ergebnis zu den Kita-Fachkräften so nicht stehen lassen. (Symbolbild)Andreas Arnold/dpa

Die Sozialministerin will das Ergebnis zu den Kita-Fachkräften so nicht stehen lassen. (Symbolbild)Andreas Arnold/dpa

© Andreas Arnold/dpa

Aus gutem Grund, wie eine der Studienautorinnen, Kathrin Bock-Famulla, betont. „Die Anforderungen in den Einrichtungen gerade mit Blick auf den Bildungsauftrag sind enorm gestiegen in den letzten Jahren.“ Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigten seit langem, dass die pädagogische Praxis besser werde, je höher das Personal qualifiziert sei. Dann sei nicht nur die Prozessqualität in den Einrichtungen besser, auch die Entwicklungsverläufe der Kinder seien positiver. Eine Qualifizierung unterhalb des Erzieherinnen-Levels reiche dafür nicht aus, deshalb habe auch die Arbeitsgruppe des Bundesfamilienministeriums dieses Niveau als unterste Grenze bei der Einstufung als Fachkraft definiert.

Welche Folgen hat die niedrige Fachkraftquote für die Qualität?

Die Bertelsmann-Stiftung verweist darauf, dass der Zusammenhang
zwischen Fachkraftquote und Kita-Qualität wissenschaftlich belegt sei. Das bayerische Familienministerium hingegen betont: „Qualität ist mehrdimensional. Entscheidend ist das Zusammenspiel vieler Faktoren als Gesamtbild (z.B. Zusammenarbeit im Team, Rahmenbedingungen in den Einrichtungen, Elternarbeit, Fachberatung, Supervisionsangebote, etc.)“. Dem stimmen im Grundsatz auch die großen Kita-Verbände in Bayern zu. 

Wie ist die Haltung der Träger?

„Nicht die bloße Quote entscheidet, sondern die gelebte Beziehungs- und Interaktionsqualität, die regelmäßige Reflexion und eine hohe Leitungs- und Trägerqualität“, erläutert etwa Christiane Münderlein vom Evangelischen Kita-Verband Bayern. Wichtig seien Einarbeitung, kontinuierliche Weiterbildung, qualifizierte Leitung sowie externe Beratungssysteme. Der katholische Kita-Verband weist zudem auf die Wichtigkeit des Fachkraft-Kind-Schlüssels hin. Und die Arbeiterwohlfahrt betont, dass die Qualität der Betreuung auch davon abhänge, welchen finanziellen Spielraum der Träger hat, um Teams durch Supervision, Coachings und Fortbildungen zu unterstützen.

„Dennoch gilt: Je mehr pädagogisch vertieft qualifiziertes Personal Kinder individuell begleitet, Eltern berät und inklusive Prozesse gestaltet, desto besser sind die Chancen, Kinder frühzeitig in Sprache, sozial-emotionaler Entwicklung und Selbstwirksamkeit zu stärken – also in genau den Bereichen, in denen die Forschung die größten Effekte belegt“, betont Münderlein.