Mord oder Totschlag? BGH prüft Urteil zu Leichenteile-Fund
Der Fall sorgte für Aufsehen, weil der Täter die Leiche zerstückelt und in den Rhein geworfen hatte. Am BGH kämpft die Schwester des Opfers für ein härteres Urteil. Welche Rolle spielte Ausländerhass?
Der erste Prozess fand am Landgericht Waldshut-Tiengen statt. (Archivbild)Philipp von Ditfurth/dpa
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Bilder von Adolf Hitler, gar eine Selbstdarstellung als Hitler und Hakenkreuze hatte der Mann zu Hause. Die Garage bezeichnete er als deutsches Schutzgebiet, die Hundehütte als „Wolfsschanze“ - in Anlehnung an das gleichnamige Führerhauptquartier. So schildert es der Anwalt der Nebenklägerin am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.
Und zeigt sich verwundert: Trotz dieses rechtsextremen Propagandamaterials, trotz offen rassistischer Abbildungen, die bei dem Deutschen gefunden wurden, erkannte das Landgericht Waldshut-Tiengen als Motiv keinen Ausländerhass bei dem Angeklagten, der 2023 einen Tag vor Heiligabend in einer südbadischen Flüchtlings-Unterkunft einen Tunesier erschoss. Und danach weiterfeierte, ohne sich etwas anmerken zulassen, wie die Berichterstatterin am BGH vorträgt.
Urteil in wenigen Wochen
Zwei Schüsse feuerte er aus einer halbautomatischen Selbstladepistole. Einer durch den Kopf war tödlich. Das 38 Jahre alte Opfer starb durch massiven Blutverlust.
Über den Täter teilt der BGH mit: „Während der Weihnachtsfeiertage beseitigte er die Leiche, indem er sie mit einer Machete in sechs Teile zerlegte, sie mit Maschendraht umwickelte und in den Rhein warf.“ Taucher fanden die Leichenteile später bei Breisach im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald.
Das Landgericht verurteilte den damals 58-Jährigen im November 2024 nach einem Geständnis unter anderem wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten. Doch die Schwester des Getöteten möchte, dass der Täter wegen Mordes verurteilt wird - und hat Revision eingelegt.
Nun prüft der dritte Strafsenat am BGH, ob das Landgericht Fehler gemacht und fälschlicherweise Mordmerkmale ausgeschlossen hat. Ihre Entscheidung wollen die obersten Strafrichterinnen und -richter am 13. Januar verkünden.
Mordmerkmale falsch bewertet?
Vertreter der Schwester als Nebenklägerin und der Bundesanwaltschaft beantragen, dass der BGH das bisherige Urteil aufhebt und der Fall an einem anderen Landgericht neu aufgerollt wird. Das Landgericht habe zum Beispiel das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe ausgeschlossen, obwohl rassistische Einstellungen des Täters belegt seien und stärker hätten berücksichtigt werden müssen, sagt der Anwalt der Frau.
Die Bundesanwältin greift das Argument des Gerichts auf, der Mann habe vor der Tat niemals eine aktiv-kämpferische Haltung gegenüber Migranten gezeigt. Sie betont, es sei auch nicht nötig, vorher zu demonstrieren oder Ausländer zu verprügeln. „Die Argumentation erschließt sich hinten und vorne nicht.“
Der BGH prüft das Urteil. (Archivbild)Uli Deck/dpa
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Zudem sei das Gericht nicht vom Mordmerkmal der Heimtücke ausgegangen, kritisieren die beiden. Obwohl das Opfer die Tür zu seiner Wohnung offengelassen habe. Dies widerspreche der Annahme des Gerichts, der Mann sei nicht arglos gewesen. „Der hat nicht damit gerechnet, dass er gleich erschossen werden würde“, sagt die Bundesanwältin.
Vorausgegangen war der Tat den Feststellungen zufolge ein Streit zwischen den Männern. Das spätere Opfer soll den Mann, seine Mutter und deren Partner unter anderem als „scheiß Deutsche“ bezeichnet haben. Später sagte er den Angaben nach: „Ich werde die deutschen Schweine töten. Und Allah hilft mir.“
Doch es blieb den Ausführungen zufolge bei Drohungen, Wortgefechten und geballten Fäusten auf beiden Seiten - bis der 38-Jährige abdrehte und in seine Wohnung ging. Aus Sicht der Bundesanwältin ein klares Zeichen der Deeskalation: Der Mann habe dem Angeklagten den Rücken zugewandt.
„Ich bete für die Hinterbliebenen“
Der Verteidiger des Mannes sagt in seinem Plädoyer, die Feindseligkeiten seien damit aber nicht beendet gewesen. Die tödlichen Schüsse müssten daher im Zusammenhang bewertet werden. Zudem habe der 38-Jährige mehrfach Todesdrohungen gegen den Angeklagten und dessen Familie ausgestoßen.
Der BGH könne im Revisionsverfahren keine eigene Bewertung vornehmen, betont er. Er könne das Urteil nur auf Rechtsfehler hin überprüfen. Diese oder Lücken in der Beweiswürdigung seien aber nicht zu erkennen, sagt der Anwalt.
Und er liest letzte Worte seines Mandanten vor, der nicht bei der Verhandlung ist: „Ich wollte das nicht“, heißt es da. Er habe keinen Groll gehegt. „Ich bete für die Hinterbliebenen.“ Und er hoffe, dass sie ihm irgendwann verzeihen könnten.