Panorama

Zahl der Nager-Reviere zuletzt verdoppelt – Deiche gefährdet

Einst eingesperrt zur Zucht in Pelzfarmen breiten sich Nutrias nun in freier Wildbahn rasant aus. Laut Jagdverband ist das speziell in Stadtstaaten dramatisch. Und gefährlich für den Hochwasserschutz.

03.10.2025

Über ein Drittel der Jagdreviere melden bundesweit ein Nutria-Vorkommenn - besonders dramatisch ist die Lage in Bremen und Hamburg (Symbolbild).Jens Büttner/dpa

Über ein Drittel der Jagdreviere melden bundesweit ein Nutria-Vorkommenn - besonders dramatisch ist die Lage in Bremen und Hamburg (Symbolbild).Jens Büttner/dpa

© Jens Büttner/dpa

Die Zahl der Nutrias ist vielerorts in Deutschland rasant gestiegen. „Gerade in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg haben wir extrem viele Meldungen von Fällen, da breiten sich viele Tiere aus“, sagte ein Sprecher des Deutschen Jagdverbands (DJV) der Deutschen Presse-Agentur.

Starker Anstieg im urbanen Raum

In Bremen meldeten zuletzt 93 Prozent der Reviere die Anwesenheit der südamerikanischen Nutria, im Vergleich zu 2015 sei das laut DJV-Analyse eine Steigerung um das Sechsfache. „Bremen steht symbolisch für eine starke urbane Besiedlung durch die Nutria, die auch in Hamburg zu beobachten ist –mit einem Wert von 74 Prozent im Jahr 2023“, teilte der Verband mit. 

Gründe für die Zunahme seien unerlaubtes Füttern, günstige klimatische Bedingungen und jagdliche Einschränkungen. Besonders in Städten seien Nutrias mittlerweile häufig anzutreffen, oft sogar tagaktiv und mit hohem Vermehrungspotenzial. Auch in ländlichen Regionen breiteten sie sich aus – allerdings langsamer.

In Schleswig-Holstein meldeten 2020 rund 24 Prozent der Reviere Nutria-Vorkommen. Neuere Daten liegen dort nicht vor, da das Land andere Befragungsintervalle hat, so der DJV-Sprecher. 

Tausende Jagdreviere ausgewertet

Die Auswertung basiert auf Daten von bundesweit über 23.000 Jagdrevieren aus dem Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD) – den Angaben zufolge das deutschlandweit größte Monitoringprogramm der Jägerschaft, unter anderem für zahlreiche Säugetiere. Demnach kam die invasive Art 2023 in 35 Prozent der teilnehmenden Jagdreviere vor, doppelt so viele wie 2015. Aktuellere Daten liegen nicht vor. 

In der Tieflandregion Norddeutschlands gab es 2023 anteilig die meisten gemeldeten Nutria-Vorkommen: Nordrhein-Westfalen liegt mit 60 Prozent vorn, gefolgt von Niedersachsen (55 Prozent) und Sachsen-Anhalt (50 Prozent). Zwischen 2015 und 2023 stieg die Zahl der gemeldeten Fälle in Niedersachsen um das 2,5-fache und in Nordrhein-Westfalen um das 2-fache. Die großen Fließgewässer Rhein, Ems, Weser und Elbe sowie deren Nebenarme bieten den Tieren demnach ideale Lebensgrundlagen.

Folgen für den Hochwasser- und Artenschutz 

Die Nager untergraben Deiche, mit negativen Folgen für den Hochwasserschutz. Auch an Flussufern können sie ihre Umgebung sowie den Artenschutz gefährden. Bei Schilf und Röhricht nagen und graben die Tiere an Wurzeln und Rhizomen, „dadurch vernichten sie die Pflanze komplett“, sagt der DJV-Sprecher. „Das heißt, sie sind in der Lage innerhalb relativ kurzer Zeit ganze Schilfgürtel an Flüssen zu vernichten.“

Dadurch verändere sich zum einen die Fließgeschwindigkeit des Gewässers, aber auch die Artenvielfalt leide und werde bedroht, da zahlreiche Arten vom sowie im Röhricht leben. „Schilfgürtel bieten Schutz und sind eine Kinderstube für viele Tiere, wie Insektenarten, Amphibien, Fische, Kaulquappen und Vögel“, sagt der Biologe. Am Niederrhein habe die Nutria laut DJV innerhalb weniger Jahre über 90 Prozent des Schilfs vernichtet. Hinzu komme die starke und schnelle Vermehrung der Tiere.

Jagd auf den Nutria

In den meisten Bundesländern gibt es eine Jagdzeit der Nutria oder besondere Genehmigungen für eine Entnahme. Für die Saison 2023 und 2024 weist die Jagdstatistik fast 117.500 Tiere aus – „ein neuer Rekord“, teilte der DJV mit. Rund drei Viertel der Tiere kamen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zur Strecke.

Nahezu jedes zweite Tier aus der Jagdstatistik wurde mit der Falle gefangen. In Bremen liegt der Wert sogar bei knapp zwei Dritteln und in Niedersachsen bei mehr als der Hälfte. So können die Jäger überprüfen, was sie gefangen haben, und zum Beispiel säugende Muttertiere wieder freilassen.

In den meisten Bundesländern ist die Nutria in den jeweiligen Jagdgesetzen der Länder aufgenommen. Der DJV fordert die Aufnahme der Nutria ins Bundesjagdgesetz sowie ein Bekenntnis der Politik zur Fangjagd. Die Art steht auf der Liste der gebietsfremden invasiven Arten Europas.