Wie Bau-Influencerin Cindy Speich mit Hass Geld verdient
Sie wollte eigentlich nur ein Haus sanieren. Doch dann brachte ein weiterer Hasskommentar das Fass zum Überlaufen. Jetzt macht Cindy Speich „aus Scheiße Gold“, wie sie selbst sagt.
Über 800.000 Menschen folgen Cindy Speich auf Instagram. Michael Reichel/dpa
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Der Tag, der alles veränderte, kam im Frühsommer. Bis dato war der Instagram-Account „haus_plan_b“ von Cindy Speich einer unter vielen: Junge Familie kauft Haus, saniert es und teilt den Fortschritt im Netz. Dann sei wieder „irgend so ein Lukas“ in den Kommentaren aufgekreuzt und habe infrage gestellt, dass sie ihren Sichtschutz wirklich selbst gebaut habe, erzählt die 30-Jährige. Bis dahin habe sie so etwas meist ignoriert. Doch das habe sie so verletzt, dass sie sich gedacht habe: „So, jetzt reicht’s.“
Seither geht ihr Rezept so: Sie pickt sich einen besonders derben Kommentar raus, zeigt ihn anonymisiert in ihren Videos und lässt ihn von einer KI-Stimme mit sarkastischem Text zerpflücken, während sie an einem neuen Projekt baut. Selbstironie, genervte Blicke und leicht diabolisches Grinsen inklusive. Die Videos werden millionenfach gesehen. Es gehe ihr inzwischen gar nicht mehr so sehr ums Bauen an sich, erzählt sie. „Ich möchte einfach für Gleichberechtigung kämpfen.“
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„Ich mache aus Scheiße Gold“
Damit haben sich nicht nur die Followerzahlen seit dem Frühjahr nach eigenen Angaben von etwa 120.000 auf knapp 900.000 mehr als versiebenfacht. Es ist auch ein kleiner Hype entstanden. Cindy wird in Talkshows eingeladen, große Magazine und Fernsehteams geben sich in dem kleinen Häuschen in einer Ortschaft bei Schmalkalden im Südwesten Thüringens die Klinke in die Hand, immer wieder klingeln Fans an der Tür, eine Baumarkt-Kette ist Werbepartner. „Ich mache aus Scheiße Gold - ich verdiene damit mein Geld“, erzählt sie.
Feindselige oder erniedrigende Kommentare im Netz haben nach Daten des Statistischen Bundesamts in den vergangenen Jahren zugenommen. Rund ein Drittel der Internetnutzer gab Anfang des Jahres an, schon einmal Hassrede wahrgenommen zu haben. Immer wieder gehen Prominente offensiv gegen ihre Hater vor. Musikerinnen wie Sarah Connor widmen ihnen Songs, Komikerin Carolin Kebekus baut sie in ihre Programme ein. Und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) berichtete, bei einigen Verfassern einfach mal anzurufen.
Mit Instagram-Videos von der Baustelle wurde Speich einem großen Publikum bekannt. Michael Reichel/dpa
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Kommentare zum Körpervolumen auf der Baustelle
Cindy Speich hat mit ihren Videos offenbar einen Nerv getroffen: „Ich habe eine Welle an Nachrichten von Frauen bekommen, die sich in den Videos wiedererkannt haben. Vor allem viele Frauen, die auf dem Bau oder im Handwerk arbeiten und das täglich erleben.“ Nach wie vor ist das Baugewerbe sehr männlich geprägt - Zahlen des Hauptverbands der Bauindustrie zufolge liegt der Frauenanteil bei 14 Prozent. Bei Ausbauberufen wie Klempnerei oder Elektrik sind es weniger als 3 Prozent.
Bei ihr und ihrem Mann sei immer klar gewesen, dass sie sich hauptsächlich um die Sanierung kümmere. Auch, weil sie - bis dahin Friseurin - zu dem Zeitpunkt in Elternzeit gewesen sei. Anfangs sei sie noch oft eingeschüchtert gewesen, wenn deutlich ältere Handwerker im Haus waren und sie mies behandelt hätten. Einer habe ihr beispielsweise gesagt, sie solle auf die Seite gehen, weil er wegen ihres Körpervolumens seinen Werkzeugkasten nicht sehen könne.
In ihren Videos nennt sich Speich auch selbst „Bauleitung“. Michael Reichel/dpa
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Und auch unter ihren Videos gebe es eine Flut an negativen und belehrenden Kommentaren, fast alle von Männern. Teils schrieben Handwerksfirmen unter Klarnamen, wie sie erzählt. Inzwischen habe sie Tausende Kommentare in einem Ordner gesammelt („Mein Poesie-Ordner“) und suche sich immer mal wieder einen für ein Video aus. Wobei sie auch etliche positive Rückmeldungen von männlichen Handwerkern bekomme, wie sie betont.
Hater im Baumarkt
Mittlerweile sei sie nicht mehr verletzt, sagt Speich. „Ich bin wütend, wenn ich das lese. Und dann ist für mich die beste Strategie, das Ganze in Content umzuwandeln und daraus etwas Schönes zu machen.“ Sie habe zu Beginn auch gedacht, die Hasskommentare würden abflachen, wenn die Verfasser sehen, dass sie durch den Kakao gezogen werden. Aber im Gegenteil: „Es wurde immer krasser. Das ist eine niemals endende Quelle.“
Eine Quelle für einen Instagram-Account, der inzwischen nicht nur ihre vierköpfige Familie ernährt - auch der Mann ist ins Geschäft eingestiegen und hat seinen Job aufgegeben. Sondern aus Cindy Speich auch eine öffentliche Person gemacht hat. Das bemerkt sie nicht nur, wenn ältere Frauen in ihrer Einfahrt stehen und ihr ein: „Weiter so, sie inspirieren die jungen Mädchen“ auf den Weg geben. Sondern auch im Baumarkt, wenn sie zufällig auf ihre Hater trifft und sich verbal mit ihnen anlegt. Eines ihrer nächsten Projekte? Hohe Mauern vor dem Haus. „Einfach für ein bisschen mehr Privatsphäre.“
Vor das Haus sollen künftig Mauern für Privatsphäre sorgen. Michael Reichel/dpa
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Sie selbst habe viel Selbstbewusstsein gewonnen, erzählt Cindy. Michael Reichel/dpa
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Für ihre Hater hat Cindy klare Botschaften parat. Michael Reichel/dpa
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