Mordprozess ohne Leiche – viele Jahre Haft oder Freispruch?
Was ist mit einer seit August 2024 verschwundenen Prostituierten passiert? Die Anklage ist vom Mordvorwurf abgerückt – die Verteidigung fordert gar Freispruch. Nun sind die Richter am Zug.

Der Angeklagte aus dem Landkreis Forchheim (hier neben seinen Anwälten) hat während des gesamten Prozesses geschwiegen. In seinem letzten Wort dankte er lediglich seinen beiden Verteidigern. (Archivbild)Daniel Vogl/dpa
© Daniel Vogl/dpa
Die Polizei suchte mit Reitern, Hunden, Tauchern und mehreren Hundertschaften. Mehr als 700 Zeugen vernahmen die Ermittler. Doch bis heute fehlt von einer 33 Jahre alten Prostituierten, die im August 2024 in Oberfranken verschwunden ist, jede Spur.
Ein Verdächtiger war schnell gefunden: ein 74-Jähriger aus dem Landkreis Forchheim, mehrfach vorbestraft und bereits 1994 in einem bis heute ungeklärten Vermisstenfall zeitweise verdächtigt. Gegen ihn erhob die Staatsanwaltschaft Mordanklage. Auch ohne Leiche. Nun steht der Prozess am Landgericht Bamberg vor dem Abschluss. Doch was mit der Frau wirklich passiert ist, dazu gibt es weiterhin mehrere Versionen.
Staatsanwaltschaft ist von Tötung überzeugt
Vom Mordvorwurf ist die Staatsanwaltschaft mittlerweile abgerückt, plädierte für eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren und drei Monaten wegen Totschlags für den 74-Jährigen. Die Anklage ist überzeugt, dass der Mann die junge Frau am 1. August 2024 nach einem Streit auf einem Grundstück des Mannes bei Eggolsheim im Landkreis Forchheim getötet und ihre Leiche anschließend an einen bis heute unbekannten Ort gebracht hat.
Die beiden lernten sich 2023 in einem Saunaclub in Nürnberg kennen und waren anschließend ein Paar. Die gebürtige Bulgarin soll mit dem 74-Jährigen den Umzug in ihre Heimat geplant haben. Der Angeklagte wollte dort seinen Ruhestand verbringen und für diese Pläne ein Grundstück verkaufen, mehrfach überwies er der jungen Frau hohe Geldsummen.
33-Jährige berichtete von Todesangst
Der Prozess zeigte, dass die 33-Jährige seit Jahren reiche Freier hatte, von denen sie viel Geld erhielt. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass sie sterben musste, weil sie dem 74-Jährigen die Trennung erklärte und ohne ihn seine Heimat zurückkehren wollte.
In einer Sprachnachricht sagte die 33-Jährige am 1. August, sie habe Todesangst und befürchte, der 74-Jährige könne ihr etwas antun. Später beobachtete ein Zeuge, wie der Mann auf seinem Grundstück nur mit Unterhose bekleidet und bei Nieselregen ein Feuer machte und schwarzer Rauch aufstieg. In einem Fahrzeug des Mannes fanden Ermittler Blutspuren der Frau. Für die Anklage Indizien, dass er Spuren vernichten wollte. Ermittler fanden bei dem Angeklagten zudem eine Uhr der Frau und Sandalen, die ihr gehört haben sollen.
Verteidiger sehen keinerlei objektive Beweise
Die Verteidiger des Mannes zeichnen dagegen ein anderes Bild. Sie werfen den Ermittlern vor, von Anfang nur nach Beweisen gegen den Angeklagten gesucht zu haben. Nach anderen Erklärungen für das Verschwinden der Frau sei nie gesucht worden. Sie beschreiben die 33-Jährige als nachweisliche Lügnerin, die ihre Einnahmen aus der Prostitution zum Großteil an ihre Familie abgeben musste. Als eine Frau, die aus dem Rotlichtmilieu aussteigen und ein selbstbestimmtes Leben beginnen wollte.
Für die Vorwürfe gegen den 74-Jährigen gebe es keinerlei objektive Beweise, argumentierten die Anwälte. Die Blutspuren hatte der Angeklagte mit einer Verletzung der Frau beim Verladen von Schrott auf seinem Grundstück erklärt. Ein Sachverständiger erklärte dies im Prozess als plausibel. Für ein Tötungsdelikt liefere die gefundene Blutmenge, wenige Milliliter, keine ausreichende Erklärung.
Urteil in der kommenden Woche
Die Sprachnachricht der 33-Jährigen, sie habe Todesangst, ziehen die Verteidiger damit in Zweifel, dass die Frau in einer weiteren Nachricht zugestimmt habe, anstatt sofort erst mehrere Stunden später bei dem 74-Jährigen abgeholt zu werden. Die Verteidiger sehen darin den Versuch, ein geplantes Abtauchen zu ermöglichen und dem 74-Jährigen ein Mordmotiv zu geben. Ihre Schlussfolgerung: Freispruch. Und der 74-Jährige? Er schwieg während des ganzen Prozesses. In seinem letzten Wort dankte er lediglich seinen beiden Anwälten.
Nun muss die Strafkammer am Landgericht Bamberg entscheiden. Ein Urteil soll am Freitag der nächsten Woche (17. Oktober) verkündet werden.