Verband: Rothirschen in Südthüringen fehlt Gen-Auffrischung
Rothirsche auf Brautschau begeben sich auf Wanderung und legen dabei viele Kilometer zurück. Doch was, wenn Autobahnen jahrhundertealte Wanderkorridore zerschneiden?

In der Brunftzeit legen Rothirsche lange Strecken zurück, um Partnerinnen zu finden. (Archivbild)Boris Roessler/dpa
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Jäger beobachten zunehmende Probleme mit Inzucht bei Rothirschen in Thüringens Wäldern. Betroffen sei vor allem das thüringisch-bayerische Grenzgebiet, sagte der Präsident des Thüringer Landesjagdverbandes, Ludwig Gunstheimer, der Deutschen Presse-Agentur.
Hier habe die für eine gesunde Population notwendige genetische Vielfalt in den vergangenen Jahren abgenommen. Dies hänge mit einem eingeschränkten Wanderverhalten bei männlichen Tieren zusammen, das wiederum die Folge von Großbauprojekten in der Region sei.
Hirschkälber mit Fehlbildungen
Vor allem durch den Bau der Autobahn 71 und der ICE-Trasse Erfurt-München seien die Hirsche von ihren Wanderkorridoren abgeschnitten worden, so Gunstheimer. Die Tiere könnten deshalb nicht in der Brunftzeit in andere Reviere laufen, um dort Partnerinnen für die Paarung zu finden und für Gen-Auffrischung zu sorgen, sondern seien auf die Hirschkühe in ihrem Revier angewiesen.
Die Folgen des fehlenden Gen-Austausches zeigen sich Gunstheimer zufolge an einer Zunahme von Kälbern mit körperlichen Fehlbildungen, etwa mit verkrüppeltem Kiefer. Derart geschädigtes Rotwild müsse dann erlegt werden.
Unüberwindbare Hindernisse für wandernde Hirsche
„Wandernde Rothirsche stehen vor unüberwindbaren Hindernissen“, kritisierte der Verbandspräsident. Sie nutzten normalerweise jahrhundertealte Wanderkorridore. Beim Bau der neuen großen Verkehrstrassen seien zu wenige Querungen angelegt worden, auf denen Wildtiere gefahrlos über die Verkehrstrassen wandern könnten. In der Brunftzeit, die derzeit im Gange ist, können Hirsche Strecken von bis zu 30 Kilometer am Tag zurücklegen.
Ein weiteres Problem sind aus Sicht des Thüringer Verbandes sogenannte Rotwild-Freigebiete in Bayern, in denen wandernde Hirsche geschossen würden. Gunstheimer: „Auch dadurch ist der Gen-Austausch unterbrochen.“ Betroffen sind laut Verband vor allem junge und mittelalte Tiere.
Jagdverbände aus Thüringen und Bayern wollen gemeinsam nach Ideen und Lösungen für die Rotwildbestände suchen. Am Donnerstag kommen dazu Jägervertreter aus beiden Bundesländern mit Thüringens Umweltminister Tilo Kummer (BSW) zusammen.