Panorama

Trip nach London: Flug oder Zug – was schneidet besser ab?

An manche Orte geht’s nur mit dem Flieger, zu anderen klar mit dem Zug. Aber was, wenn beides geht - gewinnt vermeintliche Effizienz oder doch eher Flugscham? Ein Selbstversuch.

18.12.2025

Flug oder Zug: Welches Verkehrsmittel hat auf dem Weg nach London die Nase vorn? Zacharie Scheurer/dpa-tmn

Flug oder Zug: Welches Verkehrsmittel hat auf dem Weg nach London die Nase vorn? Zacharie Scheurer/dpa-tmn

© Zacharie Scheurer/dpa-tmn

Haben Sie schon mal von Flugscham gehört? So nennt man das schlechte Gewissen, das einige ereilt, wenn sie trotz der negativen Auswirkungen auf das Klima ein Flugzeug besteigen. 

Ich leide unter Flugscham, und fliege trotzdem regelmäßig. Jetzt will ich für ein verlängertes Wochenende von Berlin nach London. Die meisten würden dafür wohl das Flugzeug nehmen, diverse Airlines fliegen täglich mehrmals über den Ärmelkanal. Doch es geht eben auch mit dem Zug. Und so lange soll das gar nicht dauern: etwas über zehn Stunden Fahrtzeit klingen machbar. 

Aber: Mit dem Flieger sind es nicht mal zwei Stunden. Und sind Züge nicht immer verdammt teuer? 

Sind Zugtickets wirklich teurer als ein Billigflug?

Was soll’s, ich will nach London, ich habe Flugscham und ich will wissen, ob der Zug nicht doch eine echte Option sein kann. Also starte ich den Vergleich und buche mit zwei Monaten Vorlauf ein Flugticket bei einer bekannten Billigairline, dazu ein Gepäckstück. Los geht es an einem Freitag im Oktober, mitten in der Ferienzeit. Kostenpunkt: knapp 130 Euro. 

Zurück geht es vier Tage später mit dem Eurostar-Zug über Brüssel nach Köln, und dann weiter mit der Deutschen Bahn nach Berlin. Für den Eurostar werden inklusive zweier Gepäckstücke sowie kleinem Handgepäck 95 Euro fällig, und für die Fahrt im ICE nach Berlin im Sparpreis noch mal 30 Euro. Macht 125 Euro und bringt schon vor der Reise die erste Erkenntnis: Eine Zugfahrt quer durch Europa ist nicht zwangsläufig teurer als ein Flug. 

Von Berlin nach London: Der Flug

Zwei Monate später gilt es: Koffer packen, Notebook und den aktuellen Roman der Wahl in das kleine Handgepäckstück quetschen - und los. 

Inklusive Fußweg brauche ich mit der Bahn knapp 40 Minuten zum Berliner Flughafen. Dort soll man mindestens zwei Stunden früher sein, vor allem in der Ferienzeit und mit Aufgabegepäck. Vor Abflug bin ich also schon deutlich über zweieinhalb Stunden unterwegs.

Die Wartezeit am Flughafen verlängert sich, weil das Boarding erst anfängt, als der Flieger eigentlich schon in der Luft sein sollte - und es immer wieder stockt. Mit Verspätung heben wir ab, die Flugzeit beträgt eine Stunde und 45 Minuten. 

Es ist eng, wegen Turbulenzen müssen wir den Großteil des Fluges angeschnallt verbringen - aber ich wüsste ohnehin nicht, wohin ich gehen soll. 20 Minuten verspätet landen wir in London-Gatwick. Wobei „London“ relativ ist. Der Flughafen liegt mehr als 40 Kilometer südlich der britischen Hauptstadt, auf halbem Weg zur Küste. 

Je nach Airline kann man in London auch an den Flughäfen Heathrow, City, Luton und Stansted landen. Heathrow mit etwas über 20 Kilometern und City mit etwa 10 Kilometern liegen am nächsten an der Innenstadt - werden aber nicht von Billigairlines angeflogen.

Ich brauche von Gatwick mit dem Zug 30 bis 40 Minuten nach London-Victoria, einem der Hauptbahnhöfe. Von dort geht es mit der U-Bahn weiter. Für die Strecke zahle ich insgesamt noch mal etwa 15 Pfund, also rund 17 Euro. Als ich abends im Hotel ankomme, war ich von Haustür zu Haustür rund sechseinhalb Stunden unterwegs und habe um die 150 Euro ausgegeben. 

Typisch London: Es gibt nicht viel, das die britische Hauptstadt ikonischer symbolisiert als rote Doppeldecker-Buss vor dem Elizabeth Tower mit der weltberühmten Glocke „Big Ben“.Sina Schuldt/dpa/dpa-tmn

Typisch London: Es gibt nicht viel, das die britische Hauptstadt ikonischer symbolisiert als rote Doppeldecker-Buss vor dem Elizabeth Tower mit der weltberühmten Glocke „Big Ben“.Sina Schuldt/dpa/dpa-tmn

© Sina Schuldt/dpa/dpa-tmn

Die erste Bilanz

Auf eine Person runtergerechnet wurden laut dem CO2-Kompass der Deutschen Bahn, den ich für den Vergleich benutze, auf dem Flug 234 Kilogramm CO2 verbraucht. Andere Kompensationsrechner kommen auf ähnliche Werte für diese Flugstrecke. 

Laut dem Portal myclimate.org sollte jede Person aufs Jahr gerechnet maximal 600 Kilogramm CO2 verbrauchen, um den Klimawandel noch aufzuhalten. Mit diesem Flug ist auf einen Schlag ein Drittel des „Kapitals“ aufgebraucht. 

Allerdings muss man sich vor Augen führen, dass man dann wohl auch in vielen anderen Lebensbereichen massiv etwas ändern müsste. Tatsächlich verbraucht ein Mensch in Deutschland laut Umweltbundesamt im Durchschnitt 10,4 Tonnen an CO2 pro Jahr - also gut siebzehnmal so viel wie der Schwellenwert.

Bye, London! Der Zug wartet schon

Mit diesem Wissen im Hinterkopf steht die Rückreise an: Nach vier schönen Tagen in England wartet am Londoner Bahnhof St. Pancras der Eurostar nach Brüssel.

Passagiere sollen sich eine Stunde und 15 Minuten vor Abfahrt am Bahnhof einfinden, um in Ruhe durch die Sicherheitskontrollen zu kommen. Ähnlich wie am Flughafen wird das Gepäck gescannt und es gibt Passkontrollen - denn Großbritannien ist nicht mehr Mitglied des Schengen-Raums. 

Die Schlange ist lang. Aber es geht schnell voran. Der Ausweis wird zweimal kontrolliert - einmal von britischen, einmal von französischen Beamten. Nach 20 Minuten bin ich im Wartebereich und hole mir einen Kaffee. 

Ohne dass ich auch nur eine Sekunde gestresst war, fährt der Zug auf die Minute genau los und erreicht knapp zwei Stunden später pünktlich Brüssel. Auch die Weiterfahrt nach Köln startet auf die Minute, und der Zug wäre exakt in der geplanten Zeit von zwei Stunden am Kölner Hauptbahnhof angekommen - wäre dort das Gleis nicht noch belegt gewesen. 

Dennoch: Wäre Köln mein Endbahnhof, hätte der Zug im Vergleich zum Flug für mich ganz eindeutig die Nase vorn. Wohl wissend, dass die Flugzeit von Köln aus noch einmal deutlich kürzer wäre. Ich war bis hierhin zwar schon sieben Stunden unterwegs. Aber ich hatte weder unbefriedigende Wartezeiten noch Stress, dazu im Vergleich zum Flugzeug deutlich mehr Bewegungsfreiheit - und mein ökologischer Fußabdruck ist mir eben nicht egal. 

Eurostar in St. Pancras International: Von London geht es in etwa zwei Stunden nach Brüssel. Andy Rain/epa/dpa-tmn

Eurostar in St. Pancras International: Von London geht es in etwa zwei Stunden nach Brüssel. Andy Rain/epa/dpa-tmn

© Andy Rain/epa/dpa-tmn

Der Stress beginnt erst in Deutschland

Da mein Ziel aber Berlin ist, habe ich noch eine ganze Strecke vor mir. Und just an diesem Tag kommen einige Probleme zusammen, sodass ich am Ende sehr genervt und vor allem mit zwei Stunden Verspätung in Berlin ankomme. Kleiner Trost: Die Bahnmitarbeitenden waren nett, und ich bekomme 50 Prozent des Ticketpreises für die Strecke von Köln nach Berlin als Entschädigung zurück. 

Wie lange war ich also in Summe unterwegs? Inklusive Umsteigezeit hätte die Fahrt von London über Brüssel und Köln nach Berlin unter elf Stunden dauern sollen. Rechnet man die Check-in-Zeit am Londoner Bahnhof dazu, wären es etwa dreizehn Stunden gewesen. Am Ende war ich wegen der Verspätung über fünfzehn Stunden unterwegs: Und hatte dabei noch Glück mit meiner Anbindung - der ICE hat mich nämlich fast vor die Haustür gefahren. 

Gezahlt habe ich dafür 125 Euro - die Hälfte des DB-Tickets von Köln nach Berlin, also 15 Euro, bekomme ich wegen der Verspätung wieder. Macht unterm Strich also 110 Euro gegenüber meinen rund 150 Euro Kosten für die Flug-Anreise.

Und wie sieht es mit den Emissionen aus? Auf eine Person runtergerechnet beträgt der Verbrauch laut dem CO2-Kompass der Deutschen Bahn 13,1 Kilogramm CO2. Zur Erinnerung: Für den Flug war er mit 234 Kilogramm rund achtzehnmal so hoch. 

Das Fazit - eine Zwickmühle?

Zeit für ein Fazit - und da stecke ich in einer Zwickmühle. Der Flug hat mir wenig Spaß gemacht, und sich seinen eigenen ökologischen Fußabdruck vor Augen zu führen ist heftig. Hier ist der Zug klar vorn. Gleichzeitig habe ich mit ihm mehr als doppelt so lange gebraucht - auch wegen der großen Verspätung. Beim Preis waren die Unterschiede gering.

Ist die Reise Teil des Ziels? Die Zugfahrt hat deutlich mehr Spaß gemacht als der Flug - auch dank mehr Bewegungsfreiheit. Nathalie Helene Rippich/dpa-tmn

Ist die Reise Teil des Ziels? Die Zugfahrt hat deutlich mehr Spaß gemacht als der Flug - auch dank mehr Bewegungsfreiheit. Nathalie Helene Rippich/dpa-tmn

© Nathalie Helene Rippich/dpa-tmn

Was mache ich mit diesen Erkenntnissen? Für mich persönlich siegt der Zug. Einfach, weil ich mich damit besser fühle - Stichwort Flugscham - und mir diese Art des Reisens mehr Freude bereitet. Für so einen Kurztrip würde ich die lange Fahrt aber nicht noch einmal auf mich nehmen. 

Die Lösung dafür: etwas länger bleiben. Auch schön. 

Tipps, Links, Praktisches:

An- und Abreise: Die günstigsten Flugtickets - vor allem, wenn man Extras wie Gepäck weglassen kann - gibt es ab etwa 40 Euro. Für die Zugfahrt mit dem Eurostar von London nach Köln liegt das günstigste Angebot bei knapp 65 Euro - inklusive Gepäck und Sitzplatz. Mit etwas Buchungsglück kommt man mit der Deutschen Bahn von Köln nach Berlin mit dem Super-Sparpreis für 17,99 Euro, die optionale Sitzplatzbuchung kostet 5,50 Euro. Nimmt man den Flixtrain, kann man sogar Tickets mit Sitzplatz schon ab knapp 10 Euro ergattern.

CO2-Vergleich: Der CO2-Kompass der Deutschen Bahn bietet Informationen zum CO2-Ausstoß auf einer gewählten Verbindung an - und liefert den Vergleich zum Auto sowie zum Flugzeug. Auf myclimate.org kann der Emissionsverbrauch in weiteren Bereichen des Lebens ermittelt werden, um ein umfassendes Bild vom eigenen CO2-Fußabdruck zu bekommen. Auch das Umweltbundesamt hat so einen Rechner. Außerdem gibt es dort viele Informationen rund um das Thema.

Über den Wolken: Die Flugzeit von Berlin nach London beträgt weniger als zwei Stunden - ein klarer Zeitvorteil. picture alliance/dpa

Über den Wolken: Die Flugzeit von Berlin nach London beträgt weniger als zwei Stunden - ein klarer Zeitvorteil. picture alliance/dpa

© picture alliance/dpa

Auf nach London: Aber nicht ohne Reisepass - und ETA, einer Einreisegenehmigung. Großbritannien ist nicht mehr Mitglied des Schengen-Raums. picture alliance/dpa/dpa-tmn

Auf nach London: Aber nicht ohne Reisepass - und ETA, einer Einreisegenehmigung. Großbritannien ist nicht mehr Mitglied des Schengen-Raums. picture alliance/dpa/dpa-tmn

© picture alliance/dpa/dpa-tmn

Bei den Reisekosten nehmen sich Zug und Flug nicht viel – bei der Reisezeit liegt der Flieger vorn, aber mit dem Blick aufs Klima siegt der Zug eindeutig: der Vergleich in Zahlen.dpa-Infografik/dpa-tmn

Bei den Reisekosten nehmen sich Zug und Flug nicht viel – bei der Reisezeit liegt der Flieger vorn, aber mit dem Blick aufs Klima siegt der Zug eindeutig: der Vergleich in Zahlen.dpa-Infografik/dpa-tmn

© dpa-Infografik/dpa-tmn