Panorama

Teetester mit Leidenschaft und ausgeprägtem Geschmackssinn

300 Tees probiert Stefan Feldbusch mit seinem kleinen Team pro Tag. Schmecken die Proben nach Schimmel oder Rauch? Dann werden sie aussortiert. Dafür braucht es einen ausgeprägten Geschmackssinn.

12.12.2025

Teetester Stefan Feldbusch bereitet eine Verkostung vor und wiegt den Tee ab.Philipp Schulze/dpa

Teetester Stefan Feldbusch bereitet eine Verkostung vor und wiegt den Tee ab.Philipp Schulze/dpa

© Philipp Schulze/dpa

Stefan Feldbusch serviert den Darjeeling First Flush im klassischen, friesischen Porzellan-Service. Die kleinen, feinen Schälchen sind sogar leicht angeschlagen. „Der Geschmack ist für mich in den dünnwandigen Tassen besser“, meint der Chief Tea Taster der familiengeführten Laurens Spethmann Holding. „Mein Herz hat schon immer für Tee geschlagen.“

Die Marke Meßmer wird im niedersächsischen Seevetal bei der Ostfriesischen Tee Gesellschaft (OTG) produziert, aus der Nordheide kommen jedes Jahr acht Milliarden Teebeutel in die Supermarktregale der großen Discounter. Die OTG ist nach der Teekanne in Düsseldorf der zweitgrößte Tee-Produzent im Bundesgebiet. Zu 95 Prozent trinken die Deutschen das Heißgetränk aus Beuteln. Die Qualität sei so gut, dass er nach Feierabend auch dazu greife, erzählt der Fachmann. 

Stefan Feldbusch beim Aufguss.Philipp Schulze/dpa

Stefan Feldbusch beim Aufguss.Philipp Schulze/dpa

© Philipp Schulze/dpa

Feldbusch lässt den schwarzen Tee zum Eigenbedarf kaum eine Minute ziehen. Dann entfalte sich das Koffein am besten, erzählt er. Im Gegensatz zum kurz anhaltenden Kaffee-Kick wirke Tee anregend über längere Zeit, rege aber nicht auf. Ein guter Tagesbegleiter, wie er sagt. 

300 Sorten Tee werden pro Tag getestet

Um eine nicht nachlassende Qualität - trotz Klimawandels mit sich verschiebenden Erntezeiten und Ausfällen - zu garantieren, testet das dreiköpfige Team um Feldbusch am Tag an die 300 Sorten. Unter der weißen Schürze trägt er Anzug und Krawatte.

Aus fein säuberlich aufgereihten Papptellern wird jede Sorte genau abgewogen und in weiße Porzellanbecher geschüttet - es geht dieses Mal vor allem um Sorten aus Südindien und Grüntee aus China. Etwa 2,86 Gramm des trockenen Teeblattes misst der 62-Jährige wie in früheren Zeiten mit einer kleinen, goldenen Handwaage. Zur Kontrolle liegt in einem der kleinen Schälchen eine alte englische Sixpence-Münze, das ist das internationale Maß.

Trend geht zu süßen Früchtetees

Den weitaus größten Anteil am Verkauf nehmen Kräuter- und Früchtetees ein. Sie werden getrennt in einem anderen Raum verkostet, damit sich die Aromen nicht vermischen. „Der Trend geht in Richtung Früchtetees, sie sind allerdings unheimlich süß geworden“, berichtet Feldbusch. Der Groß- und Außenhandelskaufmann ist seit 37 Jahren im Teehandel, 30 davon bei der OTG. 

Seine erste Station lag in der Hamburger Speicherstadt - am Hafen, wo ein Großteil der Container aus Übersee ankommt. Als er angefangen habe, sei noch zu 80 Prozent Schwarztee getrunken worden, nun sei der Anteil der klassischen Sorten auf 25 Prozent gefallen. 

Schmeckt eine Probe nach Schimmel oder Rauch, wird sie sofort aussortiert.Philipp Schulze/dpa

Schmeckt eine Probe nach Schimmel oder Rauch, wird sie sofort aussortiert.Philipp Schulze/dpa

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Das kochend heiße Wasser aus klobigen Vier-Liter-Wasserkochern schüttet er vorsichtig auf die Proben, verschließt sie mit einem Deckel und nach fünf Minuten Ziehzeit darf probiert werden. Dabei schlürfen der Spezialist und seine Mitstreiter von einem Löffel - zusammen mit dem Sauerstoff verteile sich der Geschmack besser im Mund. Danach wird meist ausgespuckt. Die verschiedenen Sorten werden am Ende vermischt, damit die Tees über das Jahr einen gleichbleibenden Geschmack behalten. 

Auf Pflanzenschutzmittel werden die Lieferungen aus China, Japan, Indien und Südafrika mehrmals in Deutschland getestet. Für die Qualitätskontrolle gebe die Holding Summen im Millionen-Euro-Bereich aus. Beim Tea tasting geht es um die Feinabstimmung: schmeckt eine der vielen aufgereihten Proben nach der Lieferung auf dem Seeweg nach Schimmel? Bei schwerem Seegang sei manche Palette schon durchnässt worden. 

Tester ist kein Lehrberuf

„Es gibt bundesweit nur etwa 60 bis 100 Tee-Tester“, sagt Feldbusch. Tester sei kein Lehrberuf. „Der Weg dahin dauert so etwa fünf bis sieben Jahre, dann findet man die Nuancen wieder.“ Weil er mit einem Kollegen in ein paar Jahren in Rente gehen wird, werden bei der OTG zwei junge Leute nach einem dualen Studium an die Aufgabe herangeführt. 

Auch in die Herkunftsländer reisen die Experten, das sind bei
Schwarz- und Grüntee vor allem Indien und China. Größter Produzent bleibt mit mehr als 3,74 Millionen Tonnen China - das ist mehr als die Hälfte weltweit. Es folgen Indien, Kenia, die Türkei und Sri Lanka. Wichtigster Lieferant für Deutschland war mit etwas mehr als 10.443 Tonnen erneut Indien, der Anteil an den deutschen Importen 2024 betrug 21,8 Prozent, wie es vom Deutschen Teeverband in Hamburg heißt.

Rund 300 Tees verkostet ein kleines Team täglich. Philipp Schulze/dpa

Rund 300 Tees verkostet ein kleines Team täglich. Philipp Schulze/dpa

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Der jährliche Pro-Kopf-Konsum 2024 lag in Deutschland bei 67,2 Litern. Es wurden 27,1 Liter Schwarz- und Grüntee sowie 40,1 Liter Kräuter- und Früchtetee getrunken. Der Bio-Anteil aller Tees erreichte mit 17,7  Prozent einen neuen Höchstwert.

Nach wie vor stehen Kräuter- und Früchtetees oben auf den Einkaufslisten deutscher Haushalte. Pfefferminze und Kamille liegen bei den Monosorten in der Verbrauchergunst vorn. Mit Matcha und Cold brews - Früchtetees in Beuteln, die sich für den schnellen Kaltaufguss eignen - sind neue Trends aufgekommen.

Für die anspruchsvolle Arbeit eines Teetesters braucht es einen außergewöhnlich ausgeprägten Geschmackssinn – und genau den bringt Stefan Feldbusch mit.Philipp Schulze/dpa

Für die anspruchsvolle Arbeit eines Teetesters braucht es einen außergewöhnlich ausgeprägten Geschmackssinn – und genau den bringt Stefan Feldbusch mit.Philipp Schulze/dpa

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