„Riefenstahl“ bei der ARD: Faszinierend und fürchterlich
Produziert von Sandra Maischberger, gibt der sehenswerte Dokumentarfilm „Riefenstahl“ Einblick in das Leben der einstigen Nazi-Propaganda-Filmerin. Ein Jahr nach dem Kinostart ist er nun streambar.
Leni Riefenstahl im Jahr 2002 in ihrem Haus in Pöcking nahe dem Starnberger See. Am 8. September 2003 starb sie mit 101 Jahren. (Archivbild)Frank Mächler/dpa
© Frank Mächler/dpa
Die wegen ihrer Nazi-Propagandafilme zeitlebens angefeindete aber auch bewunderte Filmregisseurin und Fotografin Leni Riefenstahl gehört zu den umstrittensten Künstlerinnen und Künstlern der Geschichte.
Bei der ARD ist nun ein beeindruckender Dokumentarfilm im Programm, am späten Montagabend war lineare TV-Premiere.
Die Einschaltquote war nicht überwältigend, der Film ist aber weiterhin in der Mediathek verfügbar - und sehenswert. Weniger als eine Million Zuschauerinnen und Zuschauer schalteten das Erste am Montag ab 22.50 Uhr ein (im Schnitt 820.000; 7,9 Prozent Marktanteil um diese Zeit).
Riefenstahl gab sich als naive Künstlerin
Riefenstahl (1902-2003), die für Adolf Hitler Filme wie „Triumph des Willens“ oder „Olympia“ drehte, war bekannt dafür, ihre historische Verantwortung zu leugnen.
Mit Pokerface gab sie sich als naive Künstlerin, die nur ihre Aufträge erfüllt habe. So ist sie auch in dem Dokumentarfilm immer und immer wieder zu sehen. Wird sie in die Ecke gedrängt oder fühlt sich unfair behandelt, kann sie sehr ungehalten werden.
https://www.youtube-nocookie.com/embed/BetWxLxlL1M
„Riefenstahl“ ist ein Film von Andres Veiel, produziert von Sandra Maischberger. Er kam vor etwa einem Jahr ins Kino (31. Oktober 2024) und hatte dort gut 130.000 Besucherinnen und Besucher.
Das Werk setzt sich anhand von Riefenstahls Nachlass mit ihrem Verhältnis zum Nazi-Regime auseinander, erzählt aber auch aus ihrem Leben.
Veiel und Maischberger hatten als Erste Zugang zu dem aus 700 Kisten bestehenden Nachlass der Künstlerin, der zum Beispiel auch mitgeschnittene Telefonate mit Albert Speer (1905-1981) enthält.
Austausch mit Albert Speer über Gagen
Der von Hitler bewunderte Architekt und sogenannte Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt war ab 1942 auch Reichsminister für Bewaffnung und Munition. Speer wurde im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor 80 Jahren nicht zum Tode verurteilt, sondern zu 20 Jahren Gefängnis. Mit Riefenstahl tauschte er sich etwa über Gagen für Interviews aus.
Die Doku ist ein finsteres wie faszinierendes Werk über eine Frau, die zu manipulieren wusste. Immer wieder zeigt der Film Szenen, die nahelegen: Riefenstahl hat ihre Tätigkeit für das NS-Regime wohl nicht bereut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie als Mitläuferin klassifiziert, sie selbst betonte immer wieder, sie sei unpolitisch gewesen.
Interview aus dem Nachlass entfernt
Die Recherchen im Nachlass ergaben ein anderes Bild, wie Regisseur Veiel einst zum Kinostart sagte. „Wir sind auf den Hinweis eines Interviews des „Daily Express“ mit Riefenstahl aus dem Jahr 1934 gestoßen, das eigentliche Interview fehlte“, erzählt er. „Wir haben es uns dann aus dem Archiv der Zeitung kommen lassen. Darin bekennt Riefenstahl, sie habe 1932 Hitlers „Mein Kampf“ gelesen und sei schon nach der Lektüre der ersten Seiten eine begeisterte Nationalsozialistin geworden.“
Warum sie das Interview aus ihrem Nachlass entfernte? „So ein Dokument hätte ihre mühevoll aufgebaute Legende einer „Unpolitischen“ mit einem Schlag eingerissen“, sagte Veiel. In „Riefenstahl“ zeigt er Interview-Ausschnitte, etwa einen legendären von 1976 („Je später der Abend“ mit Moderator Hansjürgen Rosenbauer), ebenso wie private Fotos, aufgenommene private Telefonate oder Zitate aus persönlichen Aufzeichnungen.
„Wir wissen, dass sie Teile des Beweismaterials aus ihrem Nachlass vernichtet hat“, sagte Maischberger beim Filmfest Venedig 2024, wo das Werk Premiere feierte. „Aber ich war überrascht, wie viele Dinge sie hinterlassen hat.“
Film passt als Mahnung in heutige Zeit
„Riefenstahl“ bietet keine schockierenden Enthüllungen und widmet sich auch überhaupt nicht der besonderen, später in Hollywood und von vielen kopierten Filmsprache Leni Riefenstahls.
Der Film passt aber als Mahnung gut in die heutige Zeit, wenn es zum Beispiel immer wieder zu Relativierungen der NS-Zeit kommt.
„Antisemitische Ressentiments erleben gerade eine wuchtige Wiederkehr, verbunden mit der Sehnsucht nach einem Nationalstaat, in dem vermeintlich früher alles besser, geordneter und sicherer war“, sagte Veiel vergangenes Jahr. „Auch in diesem Kontext zitieren wir Leni Riefenstahl. Noch zu Lebzeiten hoffte sie, dass das deutsche Volk wieder zu Anstand, Sitte und Moral zurückkehren würde, es habe schließlich die Anlage dazu.“
Filmemacher Andres Veiel und Produzentin Sandra Maischberger bei den Filmfestspielen von Venedig 2024. (Archivbild) Alberto Terenghi/IPA via ZUMA Press/dpa
© Alberto Terenghi/IPA via ZUMA Press/dpa