Panorama

Psychische Probleme: Beamte im Zwiespalt

Die Zahl der Menschen mit psychischen Problemen steigt. Patienten, die in den Staatsdienst wollen, fürchten oft um ihren Beamtenstatus. Amtsärzte und der Beamtenbund warnen vor übertriebenen Sorgen.

01.12.2025

Werden Menschen mit psychischen Problemen diskriminiert, wenn sie in Bayern Beamte werden wollen? (Symbolbild)Julian Stratenschulte/dpa

Werden Menschen mit psychischen Problemen diskriminiert, wenn sie in Bayern Beamte werden wollen? (Symbolbild)Julian Stratenschulte/dpa

© Julian Stratenschulte/dpa

Menschen mit psychischen Problemen werden diskriminiert, wenn sie Beamte werden wollen. Davon ist Maria Schid überzeugt, die ihren richtigen Namen nicht in der Öffentlichkeit nennen möchte. „Es ist ein Makel“, ärgert sich die Münchnerin, die inzwischen in der Versicherungsbranche arbeitet. Es ist zwar schon mehr als zwei Jahrzehnte her, dass sie erfolglos versucht hat, Beamtin zu werden. Doch sie erinnert sich noch gut, wie ihr Weg in die öffentliche Verwaltung endete.

Als sie nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik an ihren Schreibtisch zurückkehrte, habe ihre Chefin ihr gesagt: „Sie machen jetzt Urlaub und wir machen Ihre Kündigung fertig.“ Sie sei noch in der Probezeit gewesen und ihr Weg ins Beamtentum zu Ende, sagt Schid.

Amtsärzte: Jeder Einzelfall wird geprüft

Johannes Rank, zweiter Landesvorsitzender des Ärzteverbands Öffentlicher Gesundheitsdienst Bayern, kennt Sorgen, dass Menschen ihren Wunschberuf als Beamte nicht ergreifen können, wenn sie sich wegen psychischer Probleme behandeln lassen. Aber diese Sorgen seien oft übertrieben, erklärt Rank. Amtsärzte wie er würden jeden einzelnen Fall prüfen.

Eine Behandlung bei einem Psychiater oder einer Psychotherapeutin sei keineswegs ein Ausschlusskriterium für junge Menschen, die Beamte werden wollen. Eine solche Behandlung sei auch nicht das Karriereende für die, die bereits verbeamtet sind: „Unser Anspruch ist, dass wir jede Person individuell betrachten“, betont Rank. Und eine leichte oder mittelschwere Depression sei etwas anderes als etwa eine diagnostizierte Schizophrenie.

Er habe zwar keine genauen Zahlen zur Verfügung, wie oft psychische Probleme bei einer Verbeamtung zum Problem werden, sagt Rank. Aber seine Beobachtung auch als bayerischer Vizechef des Berufsverbands der Amtsärzte sei eindeutig: „Die Wahrscheinlichkeit, als junger Mensch aus gesundheitlichen Gründen nicht verbeamtet zu werden, ist sehr gering.“ Das gelte auch für die psychische Gesundheit.

Staat schützt sich vor Kosten

Doch das Beamtentum sei nun einmal ein anderes Beschäftigungsverhältnis als eine Anstellung in der freien Wirtschaft, stellt Rank fest. Beamte verpflichten sich, ihre Arbeitskraft dem Staat zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug bietet der Dienstherr den Beamten nach dem sogenannten „Alimentationsprinzip“ finanzielle Sicherheit. Dazu gehören auch lebenslange Bezüge bei einer Dienstunfähigkeit. Deshalb liege eines auf der Hand, sagt Rank: „Der Staat möchte niemandem alimentieren, wenn bereits bei der Einstellung klar ist, dass diese Person sehr viel kosten und sehr wenig leisten wird.“

Besser nichts verschweigen

Rainer Nachtigall, der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbundes (BBB), kennt Berichte, dass Beamtenanwärter psychische Probleme verschweigen, weil sie negative Folgen befürchten. Sich nicht behandeln zu lassen, sei aber in jedem Fall der falsche Weg, warnt er: „Am wichtigsten ist, dass Menschen geholfen wird.“

Nachtigall weiß, dass immer wieder auch Beamte, die schon länger im Dienst sind, Sorgen um ihre Aufstiegsmöglichkeiten haben, wenn sie wegen psychischer Probleme behandelt werden. Doch auch hier rät er zu einem offenen Umgang. Während seiner Laufbahn als Polizist habe er die Erfahrung gemacht, dass Menschen mit psychischen Schwierigkeiten keineswegs automatisch abgestempelt würden. Es werde in der Regel nach Wegen gesucht, Beamtinnen und Beamte an passenden Stellen einzusetzen: „Gewinnbringend für den jeweiligen Menschen, aber auch für den Dienstherrn.“

Forderung nach weniger Verbeamtungen

Maria Schid, deren Weg auf einen Beamtenposten an einer psychischen Erkrankung gescheitert ist, sieht trotzdem noch viele Hürden. Sie engagiert sich in der Selbsthilfe bei den „Münchner Psychiatrie-Erfahrenen“ und tritt auch dort für eine Forderung ein: Lehrerinnen und Lehrer sollten öfter als Angestellte und nicht als Beamte arbeiten, denn dann wäre für viel der Weg in den Beruf leichter, ist Schid überzeugt.

Sie verweist auf Bundesländer, in denen deutlich weniger Lehrkräfte verbeamtet sind als in Bayern. Nach einer Aufstellung des Instituts der Deutschen Wirtschaft sind in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Berlin weniger als ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer Beamte, in Bayern sind es mehr als 90 Prozent.

Die Bayerische Staatsregierung will aber an der hohen Verbeamtungsquote bei Lehrkräften nichts ändern, im Gegenteil. Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) sieht im Beamtenstatus von Lehrkräften „ein staatliches Bekenntnis zu Qualität, Stabilität und Wertevermittlung in unserem Bildungssystem“. Und für den Staat sei der Beamtenstatus ein gutes Argument, wenn es darum geht, Fachkräfte zu gewinnen, so Stolz. Er bedeute „Verlässlichkeit, Sicherheit und klare Perspektiven“. Deswegen setze Bayern weiterhin gerade im Lehrerberuf auf den Beamtenstatus als Beschäftigungsverhältnis. Angestellte sollen die Ausnahme bleiben.