Komplett gaga? Was es mit „Hobby Dogging“ auf sich hat
Gassi gehen mit Leine und Halsband – aber ohne Hund. Das klingt verrückt. Warum Barbara Gerlinger, Hundetrainerin aus Bad Friedrichshall, trotzdem überzeugt davon ist.
          „Weil er so gut war, dürft ihr euren Hund auch loben“, sagt Barbara Gerlinger ihren Teilnehmern.Jason Tschepljakow/dpa
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Auch wenn „Hobby Dogging“ viel Kopfschütteln, Skepsis und Spott erntet: Die neue Freizeitgestaltung für Tierfreunde hat auch Vorteile. Keine Hundesteuer. Keine teuren Rechnungen vom Tierarzt. Keine haarigen Teppiche. Kein Gekläffe, kein Gesabber, kein Geknurre. Und vor allem: Keine Hinterlassenschaften, die man ins Tütchen packen muss. Denn das Besondere am bizarren Trend ist: Der Hund existiert nur in der Fantasie.
Nach „Hobby Horsing“, wo Erwachsene mit Steckenpferden durch Parcours galoppieren, nun also „Hobby Dogging“: Hundetraining ohne Hund. Klingt wie ein Scherz aus der KI-Hölle, sieht aber erstaunlich echt aus – oder echt erstaunlich. In Bad Friedrichshall bei Heilbronn kann man jetzt mit imaginären Hunden Gassi gehen – unter professioneller Führung.
Hämische Kommentare im Netz
Entsprechend klingen auch die Kommentare im Netz. „Egal was die geraucht haben – ich will das Gleiche“, schreibt ein User. Manche reagieren mit Humor („Ich habe dem Hund sein Geschirr ausgezogen, jetzt finde ich ihn nimmer.“), andere mit Ungläubigkeit und Verachtung („Die Welt wird immer bekloppter“).
Hundetrainerin Barbara Gerlinger zuckt bei all dem Spott nur mit den Schultern. Sie meint es ernst – und konzipiert für „Hobby Dogging“ eigene Kurse: mit Hütchen, Hindernissen und einer gehörigen Portion Vorstellungskraft. „Hopp! Hopp! Hopp“, ruft die 65-Jährige, während ihre Teilnehmer mit verstärkten Leinen über kleine Stangen springen. „Und loben!“, mahnt Gerlinger. Die Teilnehmer tätscheln die Luft zu ihren Füßen, greifen in die Tasche nach imaginären Leckerlis. „Feeeein! Guuuut gemacht!“ Fast hört man das imaginäre Hecheln.
                Barbara Gerlinger hat die verstärkten Leinen selbst gebastelt.Jason Tschepljakow/dpa
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Gerlinger hat die robusten Leinen selbst gebastelt. „Es ist ein bisschen verrückt“, gibt sie zu. „Aber was ist nicht verrückt? Wir leben in einer verrückten Welt.“ Die Idee zum „Hobby Dogging“ sei aus einer Schnapslaune heraus im Vereinsheim entstanden. Ein flüchtiger Witz, ein kurzer Lacher. Doch der Gedanke ließ die Hundetrainerin nicht mehr los. Ihre Philosophie: Das Problem ist nie der Hund, sondern sitzt immer am anderen Ende der Leine. Es gehe um mentales Training, um Konzentration.
Trockenübung vor dem echten Hund
Manchmal, beschwert sich die Hundetrainerin, hörten die Kursteilnehmer ihr einfach nicht zu. Mit Fantasie-Hunden sei man weniger abgelenkt. Wer sich den Hund nur vorstelle, sei gezwungen, auf sich selbst zu achten – auf Haltung, Stimme, Körperspannung. „Es ist ganz schön anstrengend, sich mal 20 Minuten auf was zu konzentrieren, was nicht da ist.“ Für Gerlinger ist es auch eine gute Form der Vorbereitung für Hundeführer – bevor echte Pfoten den Parcours betreten.
Die 65-Jährige stellte mit ihrem Sohn ein paar Videos ins Netz – und die gingen viral. Einer ihrer Clips kommt auf fast fünf Millionen Klicks. Selbst in den USA und Japan habe sich ihre Geschichte schon verbreitet. „Die sind doch alle nicht mehr sauber“, lacht sie und verteilt dann hundelose Leinen an die Teilnehmer. „Du hast einen Rottweiler, nimm größeres Geschirr“, ruft sie.
                Körperhaltung! Bei den Trockenübungen sollen die Hundeführer besonders ihr eigenes Verhalten im Blick haben.Jason Tschepljakow/dpa
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Nur die Leine und etwas Fantasie
„Gute Maus, bist mein Schatz“, lobt Anette Hilkert ihre imaginäre Chantal. Das Boxerweibchen hat gerade neben ihr „Platz“ gemacht. „Ich red‘ ja nicht nur mit der Leine. Der unsichtbare Hund soll einen Namen haben“, erklärt die 61-Jährige aus dem Kreis Heilbronn. Chantal hieß auch ihr verstorbener Hund. Dass sie eine leere Leine und Geschirr über das Gelände führt, ergibt für Anette Hilkert absolut Sinn.
Denn mit Chantal könne sie Trockenübungen machen, bevor sie dann Mottchen, ihren echten Hund, an die Leine nehme. Keine Fehler, kein Stress – nur die Leine und etwas Fantasie. Mottchen wartet währenddessen brav ein paar Meter weiter im Kofferraum – ob er zustimmend mit dem Schwanz wedelt oder den Kopf schüttelt, bleibt offen.